Eskalation verlängert Kämpfe Kiesewetter: Ukraine-Krieg könnte noch zwei Jahre dauern
11.10.2022, 10:31 Uhr
Nach Einschätzung des österreichischen Oberst Markus Reisner, rekrutiert Russland derzeit deutlich mehr als die angekündigten 300.000 Kämpfer.
(Foto: picture alliance / AA)
CDU-Politiker Kiesewetter schwört die Deutschen auf einen langen Krieg in der Ukraine ein. Ähnlich sieht das der österreichische Oberst Reisner, der in Russland noch viele potenzielle Soldaten sieht. Der nahende Winter würde die Kämpfe aber erst einmal einfrieren.
Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter müssen die Menschen in Deutschland darüber aufgeklärt werden, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine noch längere Zeit dauern könnte. "Auch unsere Bevölkerung muss darauf eingestellt werden, dass dieser Krieg womöglich noch zwei Jahre gehen kann und dass er sich ausweitet", sagte Kiesewetter dem TV-Sender Welt. Die kritische Infrastruktur sei unter Druck. "Es wird nicht nur auf ukrainischem Boden stattfinden, das ist auch ein Krieg gegen uns", sagte Kiesewetter.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe es darum, Angst und Schrecken zu verbreiten. "Und viele Bilder sehen wir ja gar nicht, weil sie so furchtbar sind. Und das ist etwas, was unserer Bevölkerung auch immer klar sein muss: Der Krieg ist schlimmer, als manche Bilder anmuten lassen", so Kiesewetter.
Ähnlich sieht das der österreichische Garde-Kommandant Oberst Markus Reisner in einem Interview mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Die Angriffe auf die für die Versorgung der russischen Truppen so wichtigen Kertsch-Brücke und die russische Reaktion darauf, führen in seinen Augen zu einer Eskalation des Konflikts, der so deutlich in die Länge gezogen würde. Dafür spräche etwa auch, dass die Zahl der in Russland einberufenen Kämpfer deutlich höher läge, als die genannten 300.000 Mann. In entlegenen Regionen des Landes würden nach seiner Kenntnis praktisch alle Männer im wehrfähigen Alter eingezogen. Zunächst würde aber geschaut, wer überhaupt geeignet sei, so Reisner. Potenziell verfüge Russland jedoch über 30 Millionen Reservisten.
Ukraine könnten Soldaten ausgehen
Die Ukraine käme nach Abzug der ins Ausland geflohenen Menschen aber überhaupt nur auf eine Zahl von 35 Millionen Menschen. Zudem laufe dort bereits die vierte Mobilisierungswelle, so Reisner gegenüber APA. Es könnte nunmehr jeder Mann ab 45 Jahren eingezogen werden. Aller westlichen Waffenlieferung zum Trotz drohen der Ukraine demnach irgendwann die wehrfähigen Kämpfer auszugehen. Darauf spekuliere Russland laut Reisner.
Die Witterung werde dafür sorgen, dass in den nächsten Monaten mit deutlich weniger Kampfhandlungen am Boden zu rechnen sein wird, mit großen Kriegsentscheidungen schon gar nicht. Im Herbst komme nun zunächst die Schlammperiode, im Anschluss folge der Frost. Marschflugkörper und ballistische Raketen könnten zwar weiterhin fliegen, so Reisner, darüber hinaus wird das Kampfgeschehen aber deutlich abnehmen. Die Stellungen würden zudem auf beiden Seiten in dieser Phase stärker befestigt, was deren Eroberung im Frühjahr dann wiederum deutlich erschwere.
Russland will ukrainische Zivilbevölkerung zermürben
Aufgrund des nahenden Winters scheine Russland nun auch gezielt ukrainische Infrastruktur zu attackieren. Den Menschen solle es in den kommenden Monaten an Wasser, Wärme und Essen mangeln. Die Hoffnung in Russland ist, dass die Zivilbevölkerung angesichts der Not den Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erhöhen, es zu erzwungenen Verhandlungen mit Russland, oder gar zum Regimesturz in Kiew kommt.
In Russland sehe es ähnlich aus. Auch dort müssten die Bevölkerung oder einflussreiche Gruppen Putin und seine Getreuen stürzen, um einen Schritt in Richtung Kriegsende zu unternehmen. Solange der Großteil der Bevölkerung hinter dem Kreml stehe, "werden die Russen weitermachen", sagt Reisner APA. Trotz allen Protests infolge der Mobilmachung, gehen Experten derzeit jedoch nicht davon aus, dass die russische Bevölkerung ihren Präsidenten in nächster Zeit stürzen könnte.
Quelle: ntv.de, als/dpa