Politik

Ministerpräsidentin der Herzen Koalition der Hessen

Aus der Landtagswahl in Hessen ist die CDU von Ministerpräsident Roland Koch trotz drastischer Verluste hauchdünn vor der SPD als stärkste Partei hervorgegangen. Die Linkspartei schaffte knapp den Sprung ins Parlament.

Auf die CDU entfielen nach dem vorläufigen Endergebnis 36,8 Prozent, zwölf Punkte weniger als 2003. Die SPD unter Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti verbesserte sich um 7,6 Punkte auf 36,7 Prozent. Die FDP verbesserte sich auf 9,4 Prozent von 7,9 Prozent, während die Grünen deutlich auf 7,5 Prozent verloren nach 10,1 Prozent 2003. Die erstmals angetretene Partei Die Linke erhielt 5,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,3 (64,6) Prozent.

Damit verfügen CDU und SPD im neuen Landtag je über 42 Sitze. Die FDP erhält elf Mandate, die Grünen neun. Die Linke kann sechs Abgeordnete in den Wiesbadener Landtag entsenden.

Damit reicht es weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün. Tragfähig erscheinen momentan lediglich eine Große Koalition, ein Bündnis aus SPD, FDP und Grünen oder ein Bündnis der SPD mit den Grünen und der Linken. Letzteres hatte die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti allerdings während des Wahlkampfes kategorisch ausgeschlossen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel schloss seinerseits aus, den "Steigbügelhalter für Rot-Grün" zu spielen. Sollte gar nichts gehen, blieben nur noch Neuwahlen.

Große Koalition unwahrscheinlich

Mit dem bisherigen Personal scheint eine Große Koalition auch aufgrund persönlicher Animositäten und wegen des engen Wahlausgangs eher unwahrscheinlich. Eine Ampel- oder Jamaika-Koalition könnte auf eine relativ stabile Mehrheit von 62 Stimmen zurückgreifen, während bei einer rot-rot-grünen Regierung nur zwei Abgeordnete weniger auf Seiten der Opposition säßen.

SPD-Chef Beck gestärkt

Das Ergebnis stellt die Parteien vor eine schwierige Aufgabe. Die Sensation des Wahlabends waren der Absturz der CDU und das Comeback der SPD. Ihr Aufstieg gibt auch der Bundespartei um Kurt Beck ein Zeichen, dass die SPD mit den Themen Soziale Gerechtigkeit und Mindestlöhne Wähler mobilisieren kann.

Für Koch, den Bannerträger des konservativen CDU-Flügels, hat sich der auf Krawall gebürstete Wahlkampf gegen "zu viele junge kriminelle Ausländer" nicht ausgezahlt. Er stellte sich allerdings am Abend als Opfer einer Schmutzkampagne dar: Nur weil er ein wichtiges Thema aufgegriffen habe, sei er als Hetzer und Rassist verunglimpft worden.

Doch die Ursachen für den Absturz der CDU liegen tiefer. Die FDP hatte den Christdemokraten immer wieder vorgehalten, sie habe in fünf Jahren Alleinregierung seit 2003 an Bodenhaftung verloren. Mit seiner Regierungsbilanz konnte Koch nicht punkten - vor allem wegen der Schulpolitik liefen ihm die Wähler weg. Außerdem verprellte er die Studenten mit Studiengebühren, den öffentlichen Dienst mit mehr Arbeit und weniger Geld, den sozialen Sektor mit Kürzungen.

Kochs CDU bleibt stärkste Kraft

Noch hat er sein Amt nicht verloren. Traditionell geht der Auftrag zur Regierungsbildung an die stärkste Partei. Doch die CDU hat nur eine Option: eine große Koalition wie in Berlin. Koch wie Ypsilanti schlossen ein Zusammengehen bisher aus, zwischen dem Konservativen und der Linken gibt es keine Gemeinsamkeiten. Also müsste eine der Großparteien ihre Spitze umbesetzen, so wie Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) 2005 an Franz Müntefering übergab und den Weg zum Bündnis mit Angela Merkels CDU frei machte.

Koch könnte vielleicht mit dem eher wirtschaftsfreundlichen Jürgen Walter von der SPD regieren, der Ypsilanti bei der Wahl des SPD-Spitzenkandidaten knapp unterlegen war. Oder die beharrliche Ypsilanti bleibt auf dem Platz, und die CDU sucht sich eine neue Führungsfigur, beispielsweise Innenminister Volker Bouffier.

"Ministerpräsidentin der Herzen" hat die Wahl

Ypsilanti geht bei einem Plus von 7,6 Prozentpunkten davon aus, dass sie die Siegerin und damit die künftige Ministerpräsidentin ist. Es hilft, dass sie zwischen zwei Konstellationen wählen kann. "Dann machen wir die Ampel" mit FDP und Grünen, sagte SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt. Doch die FDP mit Spitzenmann Jörg-Uwe Hahn wies am Wahlabend beharrlich alle Avancen zurück. Vom Programm sind die gutbürgerlichen hessischen Liberalen Welten von der SPD entfernt. Hahn steht zudem bei seinem Bundesparteichef Guido Westerwelle im Wort, der 2009 als neuer Partner an die Seite Merkels wechseln will.

Linke ist gesprächsbereit

Doch Ypsilanti könnte auch tun, was sie im Wahlkampf immer abgelehnt hat: Mit der Linken reden. Deren Spitzenkandidat Willi van Ooyen signalisierte Gesprächsbereitschaft genauso wie in den Tagen zuvor die Linken-Bundesspitze. Schwierig wäre dieser Weg für den konservativen SPD-Flügel. Doch vielleicht wirkt die Drohung mit Links ja auf die Liberalen, die hinter den Kulissen ihre Prioritäten sortiert haben: Ganz schlecht wäre ein Linksbündnis, am zweitschlechtesten eine große Koalition, und die Ampel liegt nur auf Platz drei der Übel.

Schnelle Siegerin mit Stoiber-Fehler

Ypsilanti hatte die Sozialdemokraten bereits am frühen Abend zum Sieger der Landtagswahl erklärt. "Die Sozialdemokratie ist wieder da. Wir haben für eine andere politische Kultur in diesem Land gekämpft. Und wir haben gewonnen", sagte Ypsilanti in Wiesbaden - und machte damit den gleichen Fehler wie der Kandidat Edmund Stoiber (CSU) bei der Bundestagswahl im Jahr 2002. Die SPD habe gezeigt, dass man mit dem Thema Gerechtigkeit für alle Wahlen gewinnen kann, so Ypsilanti weiter. "Und das gilt auch für die Bundesebene." Die CDU von Ministerpräsident Roland Koch zeigte sich enttäuscht.

Erste Reaktionen

Politiker der regierenden CDU in Hessen haben sich enttäuscht über das Ergebnis der Landtagswahl geäußert. "Das Ergebnis ist nicht erfreulich", sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Christean Wagner. "Wir haben uns mehr erwartet." Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung, ehemals Fraktionsvorsitzender der CDU in Hessen, erklärte bei n-tv, das Ergebnis sei zu eng, um schon einen Abgesang auf Roland Koch anstimmen zu können. Ausdrücklich verteidigte er den polarisierenden Wahlkampf des Amtsinhabers. "Man muss Dinge offen ansprechen", so Jung.

Erstmals Wahl für fünf Jahre

Die Volksvertretung in Wiesbaden zählt gemäß der Verfassung 110 Sitze. 55 Bewerber werden aus den Wahlkreisen direkt in den Landtag gewählt, weitere 55 Bewerber kommen von den Parteilisten. Überhangmandate sind nicht vorgesehen. 17 Parteien traten diesmal zur Landtagswahl an.

Erstmals fand die Landtagswahl nach fünf Jahren statt. Die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre war 2002 beschlossen worden. Der neue Landtag soll am 5. April 2008 in Wiesbaden zur konstituierenden Sitzung zusammenkommen.

Quelle: ntv.de

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