Arbeit als Strafe? Koalition sieht keinen Bedarf
19.01.2010, 12:07 Uhr
Roland Koch nicht zwischen Hartz-IV-Empfängern, sondern inmitten der Tollitäten im Biebricher Schloss in Wiesbaden.
(Foto: dpa)
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) steht wegen seiner Forderung nach Arbeitsverpflichtung für die gut zwei Millionen als arbeitssuchend registrierten Hartz-IV-Empfänger weiter in der Kritik. Nun haben sich offenbar auch die Spitzen der schwarz-gelben Koalition zu einer gemeinsamen Auffassung durchgerungen: Im Koalitionsausschuss sei die Meinung vertreten worden, dass es keinen entsprechenden Änderungsbedarf gebe, verlautete aus Koalitionskreisen.
Faktisch besteht schon Arbeitspflicht
Eine deutliche Schelte kam vom Parteifreund Jürgen Rüttgers. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nannte die Debatte um eine Arbeitspflicht "wenig hilfreich". Es gebe Menschen, die die staatliche Unterstützung benötigten, "weil sie nicht anders können", sagte Rüttgers, der im Mai Landtagswahl hat. Sein Arbeitsminister sprang ihm zur Seite: "Wir brauchen keinen Ministerpräsidenten, der das fordert, was im Gesetz steht", sagte Karl-Josef Laumann (CDU). Einen Zwang zur Annahme einer angebotenen Arbeit, also eine Arbeitspflicht im Kochschen Sinne, gibt es für Hartz-IV-Leute bereits: Wer dreimal ablehnt, bekommt die staatlichen Geldleistungen gestrichen. Bei Jugendlichen greift diese Sanktion bereits bei zweimaliger Weigerung.
Aus Sicht von Koch wird aber nicht konsequent genug durchgegriffen. "Viele Jobcenter schrecken heute angesichts der zahlreichen Prozesse vor den Sozialgerichten vor Sanktionen zurück", sagte der CDU-Vize der "Welt". Die Arbeitsverwaltung müsse daher "verpflichtet werden, Sanktionen auch einzusetzen".
Mehr gemeinnützige Bürgerarbeit
Zudem müsse der Staat Arbeitsplätze für Hartz-IV-Bezieher in gemeinnütziger Bürgerarbeit oder Gemeindearbeit organisieren. "Wir reden über Hunderttausende von Plätzen", sagte Koch. "Das müssen wir anpacken." Auf die Frage, wo solche Arbeitsplätze entstehen könnten, nannte Koch die gemeinnützige Bürger- und Gemeindearbeit. Für die Kommunen und den Staat sei die Arbeitsplatzbeschaffung eine "Herausforderung". Doch in der Gesellschaft gebe es "genug Arbeit zu tun", sagte Koch.
"Für den Staat ist das sicherlich keine bequeme Sache, Arbeit für alle zu organisieren, die Unterstützung bekommen", fügte Koch hinzu. "Aber wir können uns nicht hinsetzen und sagen, da sind ein paar Leute faul, denen bieten wir nichts an." Das sei genauso falsch, wie zu sagen, es gebe viele Menschen in Not, die händeringend eine Stelle suchten, "und um diese nicht zu diskreditieren, sprechen wir den Missbrauch nicht an". Beide Antworten taugten nicht zur Lösung des Problems. Ein zweiter wichtiger Punkt sei, die Zuverdienstregeln für Bezieher von Arbeitslosengeld II zu lockern. "Man muss mehr zuverdienen können und davon weniger abgezogen bekommen als heute", sagte Koch.
Fatale Folgen für Arbeitsmarkt

Nach Auffassung Kochs könnten in den Kommunen "hunderttausende" gemeinnützige Jobs entstehen.
(Foto: dpa)
Nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes hätte eine Arbeitsverpflichtung für Hartz-IV-Bezieher fatale Folgen für den Arbeitsmarkt. Die Experten verweisen auf die rund 700.000 Ein-Euro-Jobs, die reguläre Arbeitsplätze jetzt schon in erheblichem Ausmaß verdrängen. Eine genaue Zahl nennt der DGB allerdings nicht.
Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sagte im Bayerischen Rundfunk: "Wogegen ich mich prinzipiell wehre ist, dass wir Arbeit als Strafe bezeichnen. Arbeit ist das, was die Menschen wollen, wenn sie arbeitslos sind." Da es bereits Möglichkeiten gebe, arbeitsunwillige Hartz-IV- Empfänger mit Sanktionen zu belegen, sei "der Vorschlag von Herrn Koch wirklich was für die Stammtische, aber nicht etwas für die Verbesserung der Situation".
Unterstützung für Koch
Unterstützung erhielt Koch vom stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU). "Jedem Hartz-IV-Empfänger müssen wir grundsätzlich abverlangen können, dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung gegebenenfalls einer Beschäftigung nachgeht", sagte er den "Ruhr Nachrichten". "Wer arbeiten kann, auch teilweise, soll arbeiten."
Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sprach sich für eine zurückhaltende Reform der Hartz-Gesetze aus, bei der nur die bestehenden Ungerechtigkeiten, nicht aber das ganze System in Frage gestellt werden soll. Er sagte der "Leipziger Volkszeitung", noch von Rot-Grün geschaffene "eklatante soziale Ungerechtigkeiten" seien bei den Bezugszeiten für das Arbeitslosengeld I bereits korrigiert. Beim Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieher habe sich die Koalition auf Verbesserungen im Koalitionsvertrag geeinigt. Pofalla: "Bei den Hinzuverdienst-Möglichkeiten bei Hartz IV gibt es noch große Ungerechtigkeiten. Das werden wir ändern."
Koch will "besseres" Gesetz
Der hessische Regierungschef hatte am Wochenende Kritik ausgelöst mit der Forderung nach einer Arbeitspflicht für Hartz-IV-Bezieher. Das Wort finde sich in seinem Interview zwar gar nicht, aber er wolle der Diskussion nicht ausweichen, sagte Koch nun. "Durch ein besseres Gesetz können wir es der Arbeitsverwaltung erleichtern, mit mehr Nachdruck dafür zu sorgen, dass auch eine Beschäftigung ausgeübt wird." Eine Absenkung der Regelsätze für Hartz IV lehnte Koch ab.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP