Opposition fordert Vertrauensfrage Koalition sucht Gemeinsamkeiten
14.06.2010, 09:55 Uhr
Von Merkel fordern die eigenen Parteifreunde inzwischen, die Zügel fester in die Hand zu nehmen.
(Foto: APN)
"Die Koalition hält bis 2013": Politiker aus Union und FDP wehren sich gegen Spekulationen über eine Krise. Selbst CSU-Generalsekretär Dobrindt rüstet verbal ab: "Man muss ja nicht jede Woche beginnen mit einer Anlehnung an Flora und Fauna." Grünen-Fraktionschef Trittin fordert hingegen von Merkel, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen.
Als wäre nichts gewesen, kein Streit um Wehrpflicht und Gesundheitsreform, keine "Wildsau" und auch keine "Gurkentruppe": In einer konzertierten Aktion spricht sich die schwarz-gelbe Bundesregierung selbst Mut zu. "Die Koalition hält bis 2013", heißt das Schlagwort, das Politiker aus Union und FDP unisono anstimmen. "Diese Koalition hat eine klare Mehrheit und einen ebenso klaren Regierungsauftrag", begründeten das Vizekanzler Guido Westerwelle.
Die Opposition stellt den Wählerauftrag für die Koalition dagegen in Frage. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin legte Bundeskanzlerin Angela Merkel nahe, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Angesichts der "heftigen Widersprüche" in der Koalition sei es fraglich, ob Merkel für ihre Politik noch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich habe, sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Sie solle daher "die Schlussabstimmung über das Sparpaket mit der Vertrauensfrage verbinden".
"Suboptimales" Erscheinungsbild
"Die Bundesregierung hat einen Wählerauftrag für die komplette Legislaturperiode", ließ CDU-Chefin Merkel daraufhin von ihrem Sprecher ausrichten. "Die Herausforderungen sind nicht klein", hieß es weiter. "Ich will nichts beschönigen, aber wir schauen nach vorn. Wir stehen vor großen Aufgaben", erklärte FDP-Chef Westerwelle. Doch da hören die Gemeinsamkeiten nicht auf. Westerwelle betonte, dass er nicht an eine Trennung der Ämter als FDP-Chef und Außenminister denke. Auch die Kanzlerin sei gleichzeitig Parteivorsitzende. "Die Bündelung der Ämter hilft, liberale Positionen durchzusetzen", so Westerwelle weiter. "Vom Sparpaket bis zur Opel-Entscheidung wird unsere Handschrift immer deutlicher."
Der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sieht derzeit gerade die Parteichefs in der Pflicht. Er forderte ein härteres Durchgreifen: "Die Parteivorsitzenden haben jetzt die Aufgabe, die Krawallmacher, die sich außerhalb der konstruktiven Zusammenarbeit innerhalb der Koalition befinden, auf allen Seiten zur Ordnung zu rufen", so der CSU-Landesgruppenchef.
Auch der dritte Koalitionspartner CSU ist um verbale Abrüstung bemüht. Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, das Erscheinungsbild der Koalition sei "suboptimal" und könnte "in der Summe besser sein". In Anspielung auf seine eigene Benennung der FDP als "Gurkentruppe" versprach Dobrindt Besserung: "Man muss ja nicht jede Woche beginnen mit einer Anlehnung an Flora und Fauna, die Arbeit steht im Vordergrund."
"Nicht wie unter Gegnern reden"
Unions-Fraktionschef Volker Kauder begann die Woche denn auch mit einem Appell an die Geschlossenheit. Die Koalition müsse sich jetzt "am Riemen reißen (...) Die Streitpunkte müssen weg, die Wortwahl muss eine andere werden, man muss wie unter Freunden, nicht wie unter Gegnern reden", so der CDU-Politiker. Vor allem die "Diskussion aus den eigenen Reihen heraus" sei Schuld an der mangelnden Akzeptanz des Sparpakets, sagte Kauder. "Wir müssen es mehr erklären und nicht ständig selber das Wort führen, es sei nicht sozial ausgewogen."
Westerwelle macht den Sparkurs auch für die derzeit schlechten Umfragewerte seiner Partei verantwortlich. "Wir haben von Anfang an einiges zu schultern gehabt wie die Stabilisierung des Euro und das Sparpaket. Das hat uns Kritik eingebracht, war aber notwendig", sagte er. Solche Umfragen seien "nicht schön", aber nur "Momentaufnahmen". Insgesamt zeigten die Entwicklung am Arbeitsmarkt und die anziehende Wirtschaft, dass die Regierung erfolgreich arbeite.
"Die Konstruktiven dürfen nicht die Dummen sein"
Die brisanten Themen der Regierung ließen die Politiker bei ihren Kommentaren allerdings größtenteils außen vor. Zu den Rücktrittsgerüchten um Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg schwieg die Kanzlerin. "Ich würde grundsätzlich nicht immer alles für bare Münze nehmen, was erzählt wird", sagte ihr Sprecher lediglich. "Dazu ist alles gesagt worden."
Rückendeckung bekam CSU-Politiker Guttenberg vor allem aus der Union. Er sei ein sehr erfolgreicher Verteidigungsminister, "wir brauchen ihn gerade in diesem schweren Amt", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. CSU-Politiker Manfred Weber nahm nicht nur seinen Parteifreund in Schutz, sondern auch Gesundheitsminister Philipp Rösler aus der FDP: "Ich finde beachtlich, dass es zwei junge Minister im Kabinett sind, die sehr konkrete Vorschläge machen und Zukunftsdebatten führen wollen", sagte der Vorsitzende der CSU-Zukunftskommission und Europaabgeordnete der "Süddeutschen Zeitung". Es sei "traurig, dass gerade sie am meisten kritisiert und alle Ideen zerredet" würden. "Die Konstruktiven dürfen nicht die Dummen sein", so Weber.
Guttenberg war zuvor in CDU und CSU mit seinem Vorstoß auf Kritik gestoßen, als Beitrag zu notwendigen Einsparungen die Wehrpflicht auszusetzen. Auch Merkel hatte sich zu dem Pflichtdienst bekannt. Rösler scheiterte derweil am Widerstand der CSU mit seinem Konzept einer zusätzlichen einkommensunabhängigen Pauschale von durchschnittlich 30 Euro pro Monat für gesetzlich Krankenversicherte.
"Da bin ich mir ganz sicher"
Gerade diese beiden umstrittenen Themen überlagern denn auch die Appelle aus der Koalition nach Frieden und Geschlossenheit. CSU-Generalsekretär Dobrindt kündigte in der Debatte um die Zukunft der Wehrpflicht eine Diskussion "mit offenem Ausgang" an. In den nächsten Monaten werde die Regierung darüber sprechen, "wie eine Weiterentwicklung der Bundeswehr aussehen kann", sagte er. Dobrindt stellte klar, dass es in seiner Partei "viele Sympathien" für einen Erhalt der Wehrpflicht gebe. Beim Thema Gesundheitsreform drohte der Generalsekretär damit, auch den nächsten Reformvorschlag von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler scheitern zu lassen.
"Diese Regierungskoalition hält bis 2013, da bin ich mir ganz sicher", sagten Kauder und alle anderen. Dagegen glaubt zwei am Wochenende veröffentlichten Umfragen zufolge eine Mehrheit der Bürger, dass die Koalition nicht bis zum regulären Termin der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2013 halten wird.
Quelle: ntv.de, mli/rts/AFP/dpa