Politik

Regierungsrotation? Koalitionpoker in Israel

Israels Außenministerin Zipi Livni hat einer Regierungsbeteiligung ihrer Kadima-Partei unter Führung des rechten Likud-Blocks von Benjamin Netanjahu eine klare Absage erteilt. "Ich habe nicht die Absicht, mich an einer Einheitsregierung unter Bibi (Netanjahu) zu beteiligen - und deute dies nicht an", war auf einem Zettel zu lesen, den Livni während der wöchentlichen Kabinettssitzung dem scheidenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert zuschob. Der Text war von Fernsehkameras eingefangen worden, die den Auftakt der Sitzung verfolgten. Olmert soll Livni Medienberichten zufolge dazu gedrängt haben, sich einer breiten und von der Likud-Partei angeführten Koalition anzuschließen.

In einer späteren Rede vor Parteimitgliedern bekräftigte Livni den Führungsanspruch ihrer Partei. "Man muss kein mathematisches Genie sein, um zu erkennen, dass 28 Sitze mehr sind als 27", sagte sie. Dabei ließ Livni allerdings offen, ob Kadima in die Opposition geht. "Wir werden weiterhin der Öffentlichkeit dienen, entweder an der Spitze der Regierung, wie es die Bevölkerung bestimmt hat, oder - falls nötig - in der
Opposition", sagte sie weiter.

Rechtes Lager mit mehr Mandaten

Bei der Parlamentswahl vor knapp einer Woche hatte Livnis Kadima einen Sitz mehr gewonnen als Netanjahus Likud. Beide beanspruchen jedoch den Wahlsieg für sich. Traditionell erhält die größte Partei in der Knesset vom Präsidenten den Zuschlag zur Regierungsbildung. Da das rechte Lager 65 Mandate, das linke aber nur 55 Sitze hält, könnte es diesmal anders kommen. Es wäre das erste Mal in der 60-jährigen Geschichte des Landes, dass ein Wahlsieger nicht den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Präsident Schimon Peres will frühestens am Mittwoch entscheiden, wem er den Auftrag zur Regierungsbildung gibt.

Kadima erwägt Regierungsrotation

Der Minister für innere Sicherheit, Avi Dichter, brachte eine Regierungsrotation ins Spiel. Eine solche Rotation sei das Mindeste, was seine Kadima-Partei fordern könne, sagte Dichter. Eine Rotation würde bedeuten, dass Livni und Netanjahu je zwei Jahre lang als Chef einer gemeinsamen Koalitionsregierung agieren. Dafür gibt es ein Beispiel in der Geschichte Israels: 1984 hatten die Arbeitspartei und der Likud eine Rotationsregierung gebildet. Sicherheitsminister Dichter sagte ferner im Rundfunk, Kadima-Chefin Livni habe bei der Wahl die meisten Stimmen erhalten, dies müsse Likud-Chef Benjamin Netanjahu anerkennen. Eine Rotation sei eine Möglichkeit, die Kadima werde aber nicht als Juniorpartner in eine Koalition gehen. "Wenn Kadima nicht die Macht bekommt, geht sie in die Opposition", so Dichter.

"Netanjahu kann eine stabile Regierung ohne Kadima bilden - umgekehrt geht es dagegen nicht", sagte dagegen der Likud-Abgeordnete Gideon Saar im Militärradio. Allerdings sei es nicht "die beste Lösung", weil sich Netanjahu dafür auch auf die extrem rechten und religiösen Parteien stützen müsste. Der Likud-Chef selbst hat zur Bildung eines Kabinetts der nationalen Einheit mit Kadima und unter seiner Führung aufgerufen.

Beratungen über Waffenstillstand mit Hamas

Unabhängig von der Regierungsbildung wurde in Jerusalem am Wochenende über einen längerfristigen Waffenstillstand mit der Hamas beraten. Die radikale Palästinenserorganisation hatte vor wenigen Tagen ein baldiges Abkommen für 18 Monate in Aussicht gestellt. Allerdings betonte Israels Noch-Regierungschef Ehud Olmert am Samstag, der Abschluss einer längerfristigen Waffenruhe sei abhängig von der Freilassung des im Gazastreifen verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit. Eine solche Verbindung lehnt die Hamas aber ab. Olmert beriet nach Angaben aus Regierungskreisen am Sonntag mit Livni, Verteidigungsminister Ehud Barak und Chef-Unterhändler Amos Gilad über das Vorgehen. Auch mit Netanjahu will er noch sprechen.

Im Süden Israels schlug derweil erneut eine palästinensische Rakete ein. Teile der Rakete seien am Samstag in der Nähe von Aschdod gefunden worden, teilte ein Armeesprecher mit. Es habe keine Verletzten und keine Schäden gegeben. Der Vorfall habe sich "offenbar am Freitagabend ereignet". Eine genaue Zeitangabe konnte der Sprecher nicht machen, weil das Alarmsystem für Raketenangriffe nicht angeschlagen habe. Es werde derzeit untersucht, warum es nicht funktionierte.

Außerdem explodierte am Samstag ein Sprengsatz an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Der Sprengsatz ging auf israelischer Seite hoch, als gerade eine Armeepatrouille vorbeifuhr. Zu der Tat bekannte sich der militärische Arm der radikalen Palästinenserorganisation Islamistischer Dschihad. Es gab keine Opfer.

Quelle: ntv.de

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