Merkel ruft SPD zur Mäßigung Koch will Entschuldigung
12.01.2008, 08:59 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat SPD-Chef Kurt Beck angesichts des heftigen Koalitionsstreits über Jugendgewalt aufgerufen, mäßigende Töne anzuschlagen. Sie sagte in Braunschweig beim Wahlkampfauftakt der CDU Niedersachsen: "Ich fordere den SPD-Vorsitzenden auf, Vernunft einkehren zu lassen." Er solle nicht die "Absicherung" von absonderlichen Sprüchen betreiben. Merkel bezog sich auf Aussagen von SPD-Fraktionschef Peter Struck, der dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) wahlkampfbedingte klammheimliche Freude über die aktuellen Fälle von Jugendgewalt unterstellt hatte. Äußerungen mancher SPD-Politiker seien absurd, so Merkel dazu. "Wo ein Problem ist, muss dieses auch gelöst werden."
Beck hatte sich an die Seite Strucks gestellt und Koch vorgeworfen, er wolle mit der Debatte über Jugendgewalt im Wahlkampf lediglich von eigenen Versäumnissen ablenken. In einer Videobotschaft kritisierte Beck, zu Kochs Bilanz in Hessen gehörten eine "missratene Schulpolitik" und eine "Politik der inneren Sicherheit, die eher vom Abbau bei Polizei und Justiz geprägt war". Aus diesen Gründen lehnte Beck eine Entschuldigung Strucks kategorisch ab. "Wir müssen aufpassen, dass nicht derjenige, der auch mal seinem Ärger Luft macht, angegriffen wird, statt diejenigen, die die Ursachen gesetzt haben", sagte Beck. Und weiter: "Wir haben keinen Grund, zurückzurudern."
Auch Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) warf Koch vor, einen verantwortungslosen Wahlkampf zu führen. "Er macht Wahlkampf mit Angst, statt die Sorgen der Leute ernst zu nehmen. Das, was er macht, ist gefährlich", sagte der Außenminister auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Kassel. Mit einem "Spiel mit der Angst" wolle Koch seine "miese Bilanz vertuschen". Bundeskanzlerin Merkel warf er vor, "sich auf diese Linie einschwören zu lassen, vielleicht auch gegen ihre eigene Überzeugung".
Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti warf Koch vor, die Gesellschaft spalten zu wollen. "Koch tut das, was er immer tut, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht: Er macht Ängste, er spaltet und er diffamiert", sagte Ypsilanti. Die Betonung deutscher Werte sei "peinlich". "Roland Koch nimmt billigend in Kauf, dass es zur Spaltung der Gesellschaft kommt." Er habe die Landespolitik "sozial abrasiert" und mehr als 1000 Stellen bei der Polizei gestrichen. Auch Steinmeier betonte dies: "Parolen helfen nicht, Polizisten helfen." Koch beschädige sich selbst: "Wer breitbeinig die Hand am Revolver trägt, ist unseriös", sagte der Vizekanzler.
Merkel sieht SPD einknicken
Die Kanzlerin kündigte Veränderungen beim Jugendstrafrecht an. "Gewalt ist immer absolut zu verurteilen", sagte sie. Die Gesellschaft müsse hier Grenzen setzen, auf Gewalt jeder Art müsse eine Bestrafung folgen. Die SPD werde nicht darum herumkommen, schärfere Gesetze gegen Jugendkriminalität mitzutragen, prognostizierte die CDU-Vorsitzende. "Wir werden auch hier zu Veränderungen kommen." Sie habe die Sozialdemokraten deshalb eingeladen, gemeinsam herauszufinden, "ob es im Bereich der Jugendkriminalität noch Schritte gibt, um hier besser gerüstet zu sein". Der Staat dürfe sich nicht damit abfinden, dass Menschen in der Öffentlichkeit Angst hätten. "Ich werde die Anliegen der Opfer immer im Auge haben und niemals vor die Anliegen der Täter setzen." Das werde es "mit der CDU nicht geben".
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) griff Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) in der Debatte über Jugendgewalt an. "Bei dieser Frau ist die Justizpolitik in den schlechtesten Händen." Die CDU Niedersachsen startete am Samstag in Braunschweig mit rund 9000 Anhängern in den Endspurt zur Landtagswahl am 27. Januar.
Koch will eine Entschuldigung hören
Roland Koch hat sich nach den umstrittenen Äußerungen von SPD-Fraktionschef Struck selbst zu Wort gemeldet und erwartet eine Entschuldigung. "Ich glaube, er täte sich einen Gefallen, wenn er sich entschuldigen würde", sagte Koch. "Bisher dachte ich, die Dreistigkeit Gerhard Schröders, der mir 'Wahlkampfhetze' vorgeworfen hat, wäre nicht zu überbieten". Aber nun "fehlen mir fast die Worte".
Koch wies die Kritik zurück, sein Wahlkampf sei ausländerfeindlich. "Ich empfinde es als meine Aufgabe, für die Opfer krimineller Gewalt zu sprechen und für viele, die sich bedrängt und bedroht fühlen", sagte er. "Im Übrigen sind die türkischen Vertreter meiner Ansicht nach gut beraten, keine türkische nationale Stimmung zu machen, sondern sich als Bürger wie du und ich um die Sicherheit in unserem Land zu kümmern. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe."
Quelle: ntv.de