Hessen in der Schwebe Koch will nur ein Jahr bleiben
04.04.2008, 09:47 UhrHessens Ministerpräsident Roland Koch hat kurz vor der Konstituierung des neuen Landtags eine Lösung der blockierten Regierungsbildung in einem Jahr verlangt. Er wolle als Chef einer geschäftsführenden Regierung möglichst nicht länger als ein Jahr im Amt sein, sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Ist Koch allerdings nur noch geschäftsführend im Amt, kann er nicht mehr zurücktreten. Theoretisch kann er demnach auch die gesamte fünfjährige Legislaturperiode geschäftsführend Ministerpräsident in Hessen bleiben.
Da im Landtag am Samstag keine Mehrheit für einen Kandidaten in Sicht ist, muss er bis auf weiteres im Amt bleiben, hat aber keine Mehrheit. Koch wandte sich gegen Neuwahlen und warb erneut für ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen. Doch lehnen die Grünen eine solche "Jamaika-Koalition" bisher ab. Ihr Landeschef Tarek Al-Wazir hofft auf eine neue Regierung in maximal eineinhalb Jahren.
Neues Plenargebäude
Nach rund drei Jahren Bauzeit ist unterdessen das neue Plenargebäude des hessischen Landtags in Wiesbaden feierlich eingeweiht worden. Mit der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags werden die 110 neu gewählten Parlamentarier das Gebäude an diesem Samstag in Betrieb nehmen. Wegen eines Wasserschadens hatte sich der Bau des neuen Plenargebäudes um mehr als ein Jahr verzögert. Die Kosten überstiegen mit mehr als 40 Millionen Euro zudem deutlich die ursprünglich geplanten 27,5 Millionen Euro.
Neuwahlen sind falsch
Koch sagte, ein Parlament könne nicht dauerhaft keinen Ministerpräsidenten wählen und keinen Haushalt beschließen. In einem Jahr müsse man "in einer anderen Lage sein". Neuwahlen lehnte Koch als falsch ab: "Wir müssen den Wählerwillen ernst nehmen. Das bedeutet, dass wir aus der gegenwärtigen Situation das Beste machen müssen, statt so lange wählen zu lassen, bis sich eine eindeutige Mehrheit ergibt."
Neben CDU, SPD, FDP und Grünen sind erstmals auch die Linken im Landtag vertreten. Im Parlament, das am Samstag erstmals tagt, haben weder CDU und FDP, noch SPD und Grüne eine Mehrheit. Die SPD hat ihren Plan auf Eis gelegt, ihre Kandidatin Andrea Ypsilanti mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin zu machen und dann eine rot-grüne Minderheitsregierung zu führen. Koch plädierte erneut für eine Jamaika-Koalition. Auch eine große Koalition mit der SPD schließt er nicht aus. Die SPD und die Grünen lehnen diese Varianten ab. Koch muss laut Verfassung in der ersten Sitzung des Landtages den Rücktritt seiner Regierung erklären. Er kann theoretisch bis zur nächsten Wahl in fünf Jahren geschäftsführend amtieren.
Studiengebühren auf der Tagesordnung
Grünen-Chef Al-Wazir verwies darauf, dass Anfang der 80er Jahre eine SPD-Regierung 18 Monate geschäftsführend im Amt blieb. "Ich hoffe, so lange dauert es diesmal nicht", sagte er im RBB-Inforadio. Die Grünen wollen wie SPD und Linkspartei die CDU-Regierung parlamentarisch unter Druck setzen, etwa durch Anträge, für die sie wechselnde Mehrheiten erreichen. Koch kündigte an, seine geschäftsführende Regierung werde die Abschaffung der umstrittenen Studiengebühren nicht verhindern, die SPD, Grüne und Linkspartei erreichen wollen.
Den Entwicklungen in Hessen wird auch eine Signalwirkung für den Bund zugemessen. Ypsilantis Pläne für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei haben in der SPD heftigen Streit und eine Führungskrise um Parteichef Kurt Beck ausgelöst. Zudem werden die Entwicklungen in der Koalitionsfrage schon mit Blick auf die Bundestagswahl besonders genau verfolgt. Derzeit versuchen alle Parteien, ihre Bündnisoptionen zu erweitern. CDU und Grüne verhandeln in Hamburg über eine Koalition. Die Grünen wollen am Samstag beschließen, ohne eine feste Koalitionsaussage in die Wahl 2009 zu gehen. Auch die FDP hat ihre klare Festlegung auf ein Bündnis mit der Union gelockert.
Quelle: ntv.de