Belgiens Regierung zerbricht König stimmt Rücktritt nicht zu
22.04.2010, 15:55 UhrDie belgische Regierung unter Ministerpräsident Leterme ist nach fünf Monaten schon wieder am Ende. Leterme reicht bei König Albert II. seien Rücktritt ein. Dieser lehnt das Gesuch ab, um eine "tiefgreifende politische Krise" zu vermeiden. Belgien übernimmt ab Juli den EU-Ratsvorsitz.
Der belgische König Albert II. hat dem Rücktrittsgesuch von Premierminister Yves Leterme zunächst nicht stattgegeben. Nach einem Treffen betonten beide laut einer Mitteilung des königlichen Palastes, dass in der derzeitigen Lage eine tiefgreifende politische Krise vermieden werden müsse. "Dies würde einerseits dem wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehen der Bürger und andererseits der Rolle Belgiens schweren Schaden zufügen", hieß es. Belgien übernimmt in zwei Monaten turnusmäßig den Ratsvorsitz der Europäischen Union. Der König werde die Lage mit weiteren Spitzenpolitikern in Brüssel beraten. Vorerst bleibt offen, ob es Neuwahlen geben wird.
Zuvor hatte die liberale flämische Partei Open VLD ihre Mitarbeit in der Koalition aufgekündigt. Die Liberalen hätten jegliches Vertrauen in die Regierung verloren, erklärte Parteichef Alexander De Croo. Er begründete dies damit, dass keine Lösung im Streit über Wahlbezirksgrenzen im Großraum Brüssel gefunden worden sei.
Ohne die Unterstützung der liberalen Flamen-Partei hätte Letermes Regierung nur eine hauchdünne Mehrheit von 76 der 150 Sitze im Unterhaus des Parlaments gehabt.
Streit um Wahlbezirke
Die Regierung zerbrach an einem Streit, der die tiefe Zerrissenheit der Flamen und der französischsprachigen Wallonen widerspiegelt. Anlass waren die Wahlbezirke im Großraum Brüssel. Die Wähler im Gebiet Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV) haben bislang die Möglichkeit, sowohl französischsprachige Parteien in Brüssel als auch flämischsprachige Parteien im Umland der Metropole zu wählen. Das Verfassungsgericht hat dies als unfair bezeichnet, weil Wähler in anderen Gebieten des Landes nur für die Parteien einer Region stimmen können.
Eine von den flämischen Parteien favorisierte Lösung wäre die Teilung des Gebietes in Brüssel und das Umland, das dann völlig flämisch wäre. Die französischsprachigen Parteien sind gegen eine solche Lösung, weil dann ihre Anhänger im Umland von Brüssel keine Möglichkeit mehr hätten, eine frankophone Partei in Brüssel zu wählen.
Die flämischen Parteien, die etwa 60 Prozent der 10,6 Millionen Belgier vertreten, beklagen ihrerseits, dass der Zuzug frankophoner Belgier aus Brüssel ins flämische Umland dessen kulturelle Identität zerstöre.
Leterme scheitert schon zum zweiten Mal

Regierungschef Leterme verliert damit seine sichere Mehrheit - ein hauchdünner Vorsprung bleibt.
(Foto: REUTERS)
Leterme hatte das Amt des Ministerpräsidenten im November von Herman Van Rompuy übernommen, der EU-Präsident wurde. Er hatte bereits vor Rompuy neun Monate lang versucht, eine Regierung zu bilden. Die neue Krise nährt wieder die Befürchtungen, dass das Land, in dem die EU und die Nato ihren Sitz haben, auseinanderbrechen könnte.
Belgien bemüht sich zudem wie die anderen EU-Staaten, die schwere Wirtschaftskrise zu überwinden. Dazu braucht es das Vertrauen der Investoren, sowohl in der Wirtschaft als auch bei Staatsanleihen. Im Juli wird Belgien zudem die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU) übernehmen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts