Gläserner Abgeordneter Konsequenzen wegen Hunzinger
23.07.2002, 00:15 UhrNach dem Willen der SPD-Bundestagsfraktion soll das Parlament doch noch im September über eine verschärfte Offenlegungspflicht für Abgeordnete entscheiden. Damit sollen Konsequenzen aus den Verwicklungen um den PR-Berater Moritz Hunzinger gezogen werden. Künftig sollten die Parlamentarier alle Nebeneinkünfte, Tätigkeiten und Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften im Bundestagshandbuch offen legen. Bisher musste dies nur intern dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden. Die Informationen sollen auch per Internet abrufbar sein
Mehr Geld für Politiker?
Die Unternehmensberatung Kienbaum plädierte dafür, deutsche Spitzenpolitiker höher zu entlohnen, um deren Unabhängigkeit gegenüber Lobbyisten zu stärken. "Unsere Politiker sind tendenziell unterbezahlt ", sagte Arnulf Tänzer, Leiter der Kienbaum Vergütungsberatung der "Saarbrücker Zeitung".
Viele Kapazitäten aus der Wirtschaft stellten sich für ein politisches Spitzenamt erst gar nicht zur Verfügung, da sie es für unterbezahlt hielten, urteilte Tänzer. Zwar sei Bestechlichkeit eine Frage der Persönlichkeitsstruktur. Gleichwohl sei die Beeinflussbarkeit durch die Gewährung materieller Vorteile umso geringer, je höher ein Politiker bezahlt werde.
PR-Branche geht auf Distanz
Der Verband der führenden PR-Agenturen in Deutschland distanzierte sich von Hunzinger. Der Fall Rudolf Scharping (SPD) habe gezeigt, dass der Ex-Verteidigungsminister für das eigentliche Kerngeschäft Hunzingers - der Vermittlung hochrangiger Politiker an Wirtschaftslobbyisten - benutzt worden sei. "Ich sage es ganz salopp: Scharping ist Hunzinger auf dem Leim gegangen", sagte der Präsident der "Gesellschaft Public Relations Agenturen", Rupert Ahrens, dem InfoRadio Berlin-Brandenburg.
CDU fordert Rückzug Özdemirs
Die CDU forderte den grünen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir auf, auf seine neuerliche Kandidatur für den Bundestag zu verzichten. Zur Begründung verwies sie auf Özdemirs umstrittene Annahme eines Privatkredits von Hunzinger.
Der Rechtsexperte der Union-Bundestagsfraktion, Wolfgang von Stetten, sagte der "Bild "-Zeitung: "Wer bei anderen den Moralapostel spielt, muss selbst absolut sauber sein. " Dies sei bei Özdemir nicht der Fall, "deshalb sollte er nicht mehr für den Bundestag kandidieren".
Özdemir, innenpolitischer Experte der Grünen, hatte 1999 zur Begleichung von Steuerschulden von Hunzinger einen Privatkredit in Höhe von 80.000 DM zu einem Zinssatz von 5,5 Prozent angenommen. Marktüblich waren damals rund zehn Prozent Zinsen. Scharping hatte von Hunzinger für mehrere Vorträge und die Abfassung seiner Memoiren Honorare und einen Vorschuss in Gesamthöhe von 140.000 DM erhalten.
Keine Sanktionen
Weder Özdemir noch Scharping müssen wahrscheinlich mit Sanktionen des Bundestags wegen ihrer Kontakte zu Hunzinger rechnen. Ein Sprecher der Parlamentsverwaltung sagte, bei Scharping könne höchstens ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln für Abgeordnete in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden. Weitere Sanktionen seien im Parlamentsrecht nicht vorgesehen. Ob dieser Verstoß vorliege, werde derzeit überprüft.
Im Falle Özdemir werde es keinerlei parlamentsrechtlichen Sanktionen geben, erklärte der Sprecher. Die inanspruchnahme von Krediten müssten Abgeordnete im Gegensatz zu Vertragshonoraren der Bundestagsverwaltung nicht melden.
Quelle: ntv.de