Feiern zu 150 Jahren Sozialdemokratie Kopf hoch, Genossen
23.05.2013, 13:10 Uhr
(Foto: REUTERS)
Im "Stern-RTL-Wahltrend" krebst die SPD bei mageren 24 Prozent. Doch für einen Tag sind die Sorgen vergessen. In Leipzig feiern die Genossen die Geburtsstunde der Arbeiterpartei - und dürfen sich an die Sternstunden der Vergangenheit erinnern.
Die SPD feiert sich und ihre Begründer mit 1600 hohen Gästen aus 80 Ländern: In einem Festakt haben Spitzenpolitiker aus aller Welt an die Geburt der deutschen Sozialdemokratie vor 150 Jahren erinnert. Staatstragend erklang zum Auftakt der Feierlichkeiten die Nationalhymne, Kanzlerin Angela Merkel machte ihre Aufwartung und Bundespräsident Joachim Gauck fand salbungsvolle Worte für die geschundene Seele der SPD. Auf nur 24 Prozent Wählerzuspruch kommt die Partei in diesen Tagen - nicht einmal jeder Vierte würde also SPD wählen.
Gauck erinnerte an die Geschichte der Partei und würdigte die SPD als treibende Kraft bei der Durchsetzung von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. "Es war die SPD, die auf Reform statt auf Revolution setzte. Und es war die SPD, die den mühsamen und schließlich mehrheitsfähigen Weg beschritt, das Leben der Menschen konkret Stück für Stück zu verbessern, anstatt utopische Fernziele zu proklamieren", sagte das Staatsoberhaupt.
Gauck und Hollande loben Hartz-Reformen
Indirekt lobte Gauck die rot-grüne Reformpolitik der Agenda 2010, mit der unter anderem Hartz IV eingeführt wurde. Gerade solche Entscheidungen, die kurzfristigen Parteiinteressen widersprechen, "waren oftmals verantwortungsbewusste Entscheidungen für das ganze Land".
Der Veranstaltungsort Leipzig wurde mit Bedacht gewählt: Vor genau 150 Jahren, am 23. Mai 1863 hatte Ferdinand Lassalle dort die SPD-Vorläuferorganisation Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADAV) gegründet. Auch Frankreichs Präsident François Hollande lobte die Hartz-Reformen unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Dank dieser Entscheidungen sei Deutschland heute weiter als andere Länder.
Wie zum Dank drückte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Verbundenheit seiner Partei mit den französischen Sozialisten aus. Gemeinsam hätten deutsche und französische Sozialisten ihren Beitrag zur Integration Europas geleistet, sagte Gabriel. "Und diesen Weg wollen wir, lieber François, gemeinsam fortsetzen." Zugleich bemängelte er den von der Bundesregierung geprägten Kurs zur Überwindung der Euro-Schuldenkrise als unzureichend und forderte einen größeren Einsatz vor allem zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. "Aber die Miniprogramme der Europäischen Union werden diesem Problem nicht gerecht", sagte Gabriel.
Gabriel sagte am Morgen bereits bei n-tv: "150 Jahre SPD kann man ja auch zusammenfassen unter der Überschrift: Ein besseres Land kommt nicht von alleine. Ich glaube, das gilt auch in Zukunft." Gabriel zeigte sich mit der derzeitigen Erfolgsbilanz nicht unzufrieden: "Ich finde, es läuft nicht so richtig schlecht, denn zwölf Landtagswahlen in Folge gegenüber CDU und FDP zu gewinnen ist ja nicht gerade ein schlechtes Ergebnis und ich bin sicher, wir erreichen auch eine Mehrheit mit den Grünen."
Ehrende Worte sogar von der Kanzlerin

Ein Schaulaufen der Sozialisten und Sozialdemokraten: Auch Frankreichs Präsident Hollande gratuliert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf dem Marktplatz von Leipzig wird parallel zum Festakt ein Bürgerfest gefeiert. Das Jubiläum ist nach den Worten der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Hannelore Kraft auch Verpflichtung, weiter für die Ziele der Partei zu kämpfen. "Für uns bleibt noch viel zu tun", sagte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin im Leipziger Gewandhaus. "Es geht darum, sich immer wieder neu zu erfinden."
In einem Zeitungsbeitrag hatte die Kanzlerin die SPD bereits gewürdigt und ihr Respekt und Anerkennung für deren "nicht hoch genug einzuschätzenden Dienst an unserem Land" asugesprochen. In der "Leipziger Volkszeitung" bezeichnete sie die Sozialdemokraten auch als eine "streitbare und unbeugsame Stimme der Demokratie in Deutschland". Zu ihrem Jubiläum gratuliere sie der SPD "im Namen der CDU Deutschlands wie auch persönlich von Herzen", schrieb die Regierungschefin, die bis 2009 eine Große Koalition anführte.
Auch CSU-Parteichef Horst Seehofer verzichtete anlässlich des Jubeltages auf kritische Worte. "Als altgedienter Herz-Jesu-Sozialist" beglückwünsche er die SPD zum runden Geburtstag, schrieb Seehofer ebenfalls in der "Leipziger Volkszeitung". Er wisse aus persönlicher Erfahrung, was für eine schöne Aufgabe es sei, die Anliegen der arbeitenden Menschen und ihrer Familien in der Politik zu vertreten, sagte er und erlaubte sich eine kleine Spitze: In Bayern gebe es dafür die CSU.
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück würdigte im RBB die historischen Verdienste seiner Partei. Die SPD stehe nach wie vor für Werte, die die Partei 150 Jahre lang begleitet haben. "Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit - das ist der Wertekanon, der auch in die Moderne, in die Zukunft übersetzt werden muss", sagte Steinbrück. Es gehe darum, dass sich die Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder von ihrem Geschlecht frei entfalten könnten. Dafür wolle die SPD die Voraussetzungen schaffen.
Lernen aus der Geschichte
Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Egon Bahr warnte seine Partei davor, nach der Bundestagswahl noch einmal eine große Koalition mit der Union einzugehen. Sollte es nach der Wahl die Entscheidung für ein solches Bündnis geben, würde der Partei die Spaltung drohen, sagte er der "Berliner Zeitung".
Die dauerhafte Stabilität der Demokratie verlange, dass sich die beiden großen Parteien mithilfe jeweils kleiner Parteien beim Regieren abwechselten. Dies lehre die Erfahrung der Weimarer Republik, aber auch die der ersten großen Koalition 1966 bis 1969, sagte der 91 jahre alte Bahr weiter.
Zu den großen Verdiensten der SPD in ihrer 150-jährigen Geschichte zählte Bahr die Durchsetzung des Frauenwahlrechts, die Abkehr von der Diktatur des Proletariats und die Ablehnung von Hitlers Ermächtigungsgesetz im Reichstag.
Quelle: ntv.de, jtw/sba/dpa/AFP/rts