Schwere Schlappe für AKP Kopftuch-Gesetz gekippt
05.06.2008, 16:52 UhrDas türkische Verfassungsgericht hat ein umstrittenes Gesetz wieder rückgängig gemacht, das Frauen das Tragen von Kopftüchern an Universitäten erlaubt hatte. Das Gesetz verletze das Prinzip der Trennung von Staat und Religion, erklärte das Gericht.
Die Entscheidung ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Regierungspartei AKP, auf deren Initiative das Gesetzt eingeführt wurde, wahrscheinlich verboten wird: Die Kopftuchfrage spielt in der Anklage gegen die AKP, der anti-laizistische Aktivitäten vorgeworfen werden, eine zentrale Rolle. Die Partei nannte den Urteilsspruch "nicht verfassungsgemäß".
Mit ihrer Klage hatten sich zwei Oppositionsparteien gegen einen Parlamentsbeschluss vom 9. Februar gewendet, mit dem auf Initiative der islamisch-konservativen AKP das Kopftuch für Studentinnen in Hochschulen grundsätzlich erlaubt wurde. Das elfköpfige Richtergremium war am Morgen unter der Leitung des Gerichtspräsidenten Hasim Kilic zu einer insgesamt siebenstündigen Sitzung zusammengetreten.
Ein AKP-Sprecher sagte, der Gerichtspruch sei gegen die Verfassung, weil eine politische und nicht eine juristische Entscheidung gefällt worden sei. "Das Gericht hat seine Funktionen überschritten", sagte der Vize-Präsident der AKP-Parlamentarier, Bekir Bozdag. "Das Parlament hat nicht mehr die Macht, Verfassungsänderungen durchzusetzen."
Dem Ministerpräsidenten droht ein Betätigungsverbot
Die Entscheidung ist für das ebenfalls vor dem Verfassungsgericht anhängige Verbotsverfahren gegen die AKP von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan von großer Bedeutung. Chefankläger Abdurrahman Yalcinkaya wirft der AKP vor, sie wolle einen islamistischen Gottesstaat errichten. Als Argument verweist er unter anderem auf das Kopftuch-Gesetz. Er fordert politische Betätigungsverbote für den Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan sowie für Staatspräsident Abdullah Gül und 69 weitere Politiker. Eine Entscheidung über ein AKP-Verbot soll im Herbst fallen.
Die kemalistische Partei CHP und die kleinere Kemalistenpartei DSP, die sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk berufen und die AKP als islamistische Gefahr betrachten, sehen das Kopftuch als Symbol des politischen Islam, das aus öffentlichen Institutionen herausgehalten werden sollte. Ähnlich argumentierten in der Vergangenheit das Militär, Justizvertreter und Hochschulprofessoren. In Ankara gab es deswegen zahlreiche Demonstrationen.
Die AKP verweist dagegen darauf, dass zwei von drei Türkinnen ihr Haar bedecken, und argumentiert, es sei ungerecht, einem so großen Anteil der Bevölkerung die Hochschulbildung zu verweigern. In dem Gesetz, das jetzt gekippt wurde, heißt es mit Blick auf verschleierte Frauen, niemandem dürfe "das Recht auf höhere Bildung" verwehrt werden.
Das Kopftuch ist seit einem ersten Urteil des Verfassungsgerichts Ende der achtziger Jahre an Hochschulen verboten, auch damals interpretierten die Richter es als anti-laizistisches Symbol. Auch für Beamtinnen, Schülerinnen und Parlamentarierinnen gilt ein Kopftuch-Verbot. Ganzkörperverschleierungen sind ebenfalls verboten.
Quelle: ntv.de