Untersuchungsbericht zum Elbphilharmonie-Debakel Eine Symphonie des Scheiterns
07.01.2014, 07:35 Uhr
Einst geplant als Stolz der Stadt versinkt mancher Hamburger vor Scham im Boden, wenn die Rede auf die Elbphilharmonie kommt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Was schiefgehen kann, geht schief beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie. Sie ist noch lange nicht fertig und wird am Ende rund zehn Mal so teuer wie vorgesehen. Ein Untersuchungsbericht der Bürgerschaft benennt nun Schuldige.
In einem zweiten Anlauf hat der Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft einen Bericht über die Ursachen des Debakels um die Elbphilharmonie ausgearbeitet, "Spiegel Online" zitiert aus dem noch vertraulichen Papier. Auf über 700 Seiten listen die Abgeordneten die Gründe dafür auf, dass der Bau des Hamburger Prestigeprojekts länger dauert und mehr kostet als geplant. Eine erste Fassung des Untersuchungsberichts lehnte die Bürgerschaft im vergangenen Sommer als zu einseitig ab.
Nun ist ein Gesamtbild des Scheiterns entstanden, in dem keiner der Beteiligten gut davonkommt. Senat, Opposition, der Baukonzern Hochtief und die beteiligten Architekten - offenbar führte eine Kette von Fehlentscheidungen dazu, dass das Bauwerk von ursprünglich veranschlagten 77 Millionen Euro nun knapp 800 Millionen Euro kosten soll und entgegen der Pläne bis heute nicht fertiggestellt worden ist.
"Verantwortung nicht gerecht geworden"
Schon in der Frühphase des Projekts wurden offenbar die ersten Fehler begangen. So sei die Elbphilharmonie völlig überhastet und unter dem Beifall der Opposition ausgeschrieben worden, als noch keine Bauplanung vorlag. Einen Hauptschuldigen macht der Bericht dafür nicht aus. Besonders schlecht kommt dennoch der frühere Bürgermeister Hamburgs, Ole von Beust, weg. Er soll sich wenig für Details interessiert und damit der Kostenexplosion Vorschub geleistet haben. Auch Ex-Staatsrat Volkmar Schön, der Aufsichtsratschef der städtischen Realisierungsgesellschaft für das Projekt, wird knapp mit dem Satz beurteilt: Seiner "Verantwortung ist Herr Dr. Schön nicht gerecht geworden".
Bis 2008 leitete Hartmut Wegner die Realisierungsgesellschaft, auch er muss sich Vorwürfe gefallen lassen. Laut Untersuchungsbericht habe er "ohne entsprechendes eigenes Fachwissen" gehandelt und seine Tätigkeit offenbar recht unkritisch betrachtet ("ungebrochen selbstbewusstes Auftreten"). Sein Nachfolger, Heribert Leutner, soll versucht haben, die Bürgerschaft über die steigenden Kosten zu täuschen, indem er dem Parlament nachträglich manipulierte Unterlagen vorlegte. Schließlich leistete die Realisierungsgesellschaft insgesamt die ihr gestellte Aufgabe nicht: die Kontrolle der Finanzen des Baus. Nachforderungen der Baufirma Hochtief sollen demnach nicht oder nicht immer überprüft worden sein. Für eine adäquate Ausübung ihrer Bauherren-Funktion hätte die Realisierungsgesellschaft mehr Personal benötigt. Der Senat habe es laut Bericht versäumt, die städtische Gesellschaft angemessen zu überwachen.
Architekten überfordert, Hochtief dreist
Doch auch abseits der Politik sehen die Kontrolleure Schuldige - allen voran den Baukonzern Hochtief. Das Unternehmen habe - wie bei solchen Bauvorhaben in geringerem Maße üblich - den Zuschlag mit einem zu niedrig kalkulierten Angebot ergattert. Dabei kam Hochtief zupass, dass das Projekt zu diesem Zeitpunkt noch nicht bis zu Ende geplant war. Kein Konkurrent wagte es, unter diesen Bedingungen eine Offerte einzureichen. Daraus entstehende Risiken soll Hochtief außer Acht gelassen haben, was die Höhe des Angebots zusätzlich senkte. Das im Verlauf des Baus entstandene Planungschaos habe Hochtief ausgenutzt, indem immer wieder auch unberechtigte Nachforderungen gestellt worden seien.
Das Architekturbüro Herzog & de Meuron, das eigentlich das Projekt koordinieren und ordnen sollte, soll schließlich das Chaos auf der Baustelle verschlimmert haben, durch Fehlplanungen und das Nichteinhalten von Fristen zur Vorlage detaillierterer Pläne. Dabei waren die Architekten in eine Rolle gezwungen worden, die für gewöhnlich die ausführende Baufirma übernimmt: Weil das Projekt noch nicht zu Ende geplant war, als die Bauarbeiten begannen, übernahm Herzog & de Meuron auch die Ausführungsplanung - das Büro schien heillos überfordert. Die Pläne widersprachen sich zum Teil, sodass sie laufend angepasst werden mussten.
Quelle: ntv.de, jog