Politik

"Wahllose Gewalt" Krawalle begleiten G20-Gipfel

Die Polizei zeigt sich erschüttert über das Ausmaß der Gewalt.

Die Polizei zeigt sich erschüttert über das Ausmaß der Gewalt.

(Foto: AP)

Bei Protesten gegen den G20-Gipfel kommt es in Toronto zu massiven Krawallen. Maskierte Demonstranten zünden Polizeiautos an und werfen Schaufenster ein. Unterdessen zeichnen sich auf dem Gipfel schwierige Verhandlungen ab. Vor allem die Konjunkturpolitik ist umstritten.

Nach friedlichen Demonstrationen gegen den G20- Gipfel ist es am Samstag in Toronto zu Ausschreitungen gekommen. Schätzungsweise 130 militante Demonstranten zündeten Polizeiwagen an und warfen Schaufenster mit Steinen ein. Die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstöcken vor. Mehr als 100 Demonstranten wurden festgenommen.

Radikale hatten sich von einer friedlichen Demonstration abgesondert.

Radikale hatten sich von einer friedlichen Demonstration abgesondert.

(Foto: AP)

Gewalttätige Demonstranten warfen Steine und Flaschen auf Polizisten, die das Tagungszentrum der Staats- und Regierungschefs weiträumig abgeriegelt hatten. 12.000 Sicherheitskräfte waren in Kanadas größter Wirtschaftsmetropole im Einsatz.

"Wir haben noch nie ein solches Maß an willkürlicher Kriminalität und wahlloser Gewalt auf unseren Straßen gesehen", sagte Polizeichef William Blair, der von einem "sehr schwierigen Tag" sprach. "Ich denke, es kam als Schock für jeden Bürger." Auch das Büro von Ministerpräsident Stephen Harper verurteilte die Ausschreitungen. Wegen der Krawalle konnte der Autokonvoi von Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapateros nicht zu seinem Hotel fahren. Er musste in einem anderen Hotel einquartiert werden.

Die Proteste verliefen zunächst überwiegend friedlich. Ein langer Demonstrationszug bewegte sich vom Provinzparlament im Queenspark durch die Innenstadt. Unter ihnen waren Globalisierungsgegner, Umweltschützer, Gewerkschafter und Frauengruppen. "Widersetzt euch dem Krieg gegen die Armen, lasst die Reichen bezahlen", lautete ein Slogan. Auch beteiligten sich verschiedene Gruppen von in Kanada lebenden Exilanten, die gegen Menschenrechtsverletzungen oder andere Ungerechtigkeiten in ihren jeweiligen Heimatländern protestierten.

Militante trennten sich schließlich von dem Umzug, um Randale zu machen, wie Augenzeugen berichteten. Sie schlugen Schaufensterscheiben insbesondere von bekannten internationalen Ladenketten ein. Ein Schild mit der Aufschrift "Kein Kapitalismus" wurde zwischen die Scherben im Eingang eines "Starbucks"-Cafés gestellt. Mehrere Polizeiwagen gingen in Flammen auf. Auch wurden Privatautos demoliert. Am Abend räumte die Polizei auch den Queenspark, wo nach der Demonstration noch rund 500 Teilnehmer ausgeharrt hatten.

Die Polizei hat Sondervollmachten, Demonstranten am Zaun um das Tagungszentrum festzunehmen. Jeder, der sich mehr als fünf Meter nähert und sich einer Personenkontrolle oder Durchsuchung widersetzt, kann festgenommen werden. Aktionsgruppen, die von den vorher nicht veröffentlichten Vollmachten überrascht wurden, übten scharfe Kritik.

Ein altes Filmstudio wurde als vorübergehendes Gefängnis für Demonstranten umgebaut. Der Sicherheitseinsatz kostet allein 930 Millionen Kanada-Dollar, umgerechnet 729 Millionen Euro.

Wie geht es weiter auf der Welt?

Begleitet von anhaltenden Differenzen über die richtige Strategie zur Stärkung der Weltwirtschaft nach der Finanzkrise begann unterdessen der G20-Gipfel. Die Chefs der größten Industrie- und Schwellenländer wollen bei den bis Sonntagabend angesetzten Beratungen ihre Maßnahmen auf dem Weg aus der Krise abstimmen. Zu den Streitthemen zählten die Konjunktur- und die Finanzmarktpolitik.

US-Finanzminister Timothy Geithner ließ kurz vor Gipfelauftakt mit kritischen Äußerungen zur Konjunkturpolitik der Europäer die Differenzen innerhalb der G20 nochmals zutage treten. Exportorientierte Staaten wie Japan und europäische Länder hätten bislang nicht genug getan, um die Binnennachfrage zu stärken und dadurch Impulse für die Weltwirtschaft zu geben. Der G20-Gipfel "muss sich fundamental um das Wachstum drehen", forderte Geithner.

Der US-Minister nannte keines der europäischen Länder, denen seine Kritik galt, beim Namen, doch dürften seine Äußerungen auch auf Deutschland zugeschnitten sein. Deutschland und andere Staaten wollen prioritär ihre Haushalte sanieren. Die USA indes fordern weitere auch durch Schulden finanzierte Konjunkturmaßnahmen.

Die Mächtigen der Welt reden über Regeln.

Die Mächtigen der Welt reden über Regeln.

(Foto: AP)

Auch der brasilianische Finanzminister Guido Mantega kritisierte die Sparpläne der Europäer. Diese könnten das Wirtschaftswachstum behindern und gingen dadurch auch "auf unsere Kosten", sagte er mit Bezug auf die Schwellenländer.

Auch um die Regulierung des Finanzsektors sollte es in Toronto gehen. Für eine von Deutschland und anderen EU-Ländern befürwortete Abgabe für den Finanzsektor zeichnete sich G20-weit keine Einigung ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen deshalb nach eigenen Angaben einen europäischen Alleingang zur Besteuerung von Finanzmarktgeschäften prüfen.

Unmittelbar dem G20-Gipfel vorangegangen war ein separates Spitzentreffen der sieben größten Industrieländer und Russlands (G8) im kanadischen Ferienort Huntsville. Dabei hatten die G8-Chefs beschlossen, ihr Engagement in der Entwicklungshilfe und der globalen Krisenprävention verstärken.

Sie einigten sich auf eine Initiative gegen die Kinder- und Müttersterblichkeit in armen Ländern. Merkel würdigte die G8-Zusage von rund fünf Milliarden Dollar als "wichtigen Beitrag" zur Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Müttern. Deutschland will sich mit 400 Millionen Euro über fünf Jahre an der so genannten Muskoka-Initiative beteiligen.

Bei der Diskussion über die Finanz- und Wirtschaftspolitik nach der weltweiten Finanzkrise blieben auch im Kreis der G8-Länder unterschiedliche Auffassungen bestehen, die beim G20-Gipfel eine wichtige Rolle spielen dürften. "Wir haben hier leider weder bei der Bankenabgabe noch bei der Finanztransaktionssteuer eine einheitliche Haltung", sagte Merkel. Die Kanzlerin räumte ein, dass die Absprachen im Rahmen der G-20 teilweise noch schwierig seien. "In vielen Fragen werden wir da noch zusammenkommen müssen."

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen