Politik

Russen protestieren Kreml gelobt Besserung

Kurz vor einer neuen Großdemonstration zieht der Kreml Konsequenzen aus den Massenprotesten nach der Parlamentswahl und kündigt Reformen an. Die Opposition beeindruckt das allerdings nur wenig, sie bereitet weitere Proteste vor. Denn auf ihre Kernforderung geht Präsident Medwedew in seiner Rede zur Lage der Nation nicht ein.

Dmitri Medwedew verspricht Reformen.

Dmitri Medwedew verspricht Reformen.

(Foto: REUTERS)

Nach den größten Protesten gegen die russische Regierung nach vielen Jahren hat sich der scheidende Präsident Dmitri Medwedew für eine umfassende Reform des politischen Systems ausgesprochen. Das Staatsoberhaupt schlug in seiner Rede zur Lage der Nation vor, die Gouverneure in den Regionen direkt vom Volk wählen zu lassen. Medwedews Vorgänger Wladimir Putin hatte die Wahlen vor sieben Jahren abgeschafft. Seitdem werden die Gouverneure vom Kreml eingesetzt.

Die Menschen in Russland müssten mehr Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung haben, sagte Medwedew und kündigte bei der live im Staatsfernsehen übertragenen Rede einen leichteren Zugang für Bewerber zu Wahlen sowie eine bessere Kontrolle der Abstimmungen an. Entsprechende Gesetzesinitiativen würden in nächster Zeit in die Duma eingebracht, verprach der Präsident. Außerdem soll es künftig öffentlich-rechtliches Fernsehen geben, das vom Staat unabhängig ist.

Für die Zulassung zur Präsidentenwahl solle ein Einzelbewerber künftig 300.000 und nicht mehr zwei Millionen Unterschriften von Unterstützern nachweisen müssen, sagte Medwedew vor rund 1000 Vertretern von Politik, Militär und Religion. Auch die Registrierung von Parteien müsse vereinfacht werden.

Viele Kritiker sehen die Ankündigungen Medwedews skeptisch. Ihrer Ansicht nach zeichnete sich der Präsident vor allem durch liberale Rhetorik aus, der aber selten konkrete Schritte folgten. Ob die Reformpläne tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Putin will am 4. März 2012 bei der Präsidentenwahl antreten und wie von 2000 bis 2008 im Kreml regieren. Medwedew soll dann wieder als Regierungschef arbeiten.

Die Reformpläne seien mit Regierungschef Putin abgesprochen, versicherte Medwedew. Putin hatte bereits vergangene Woche angekündigt, dass die Gouverneure möglicherweise wieder direkt gewählt werden. Zugleich machte er aber deutlich, dass es dann einen "Präsidial-Filter" geben werde. Das bedeutet, dass ohne Erlaubnis des Kreml keine Kandidatur möglich ist.

Zehntausende demonstrieren

Er habe den "Ruf nach einem Wandel" gehört, sagte Medwedew angesichts der jüngsten Massenproteste auch von bisher politisch passiven Menschen. Auf ihre Kernforderung nach Neuwahlen ging der Präsident aber nicht ein. Viele Russen wollen an diesem Samstag erneut für ehrliche Wahlen demonstrieren. Allein in Moskau wollten bis zu einer halben Million Menschen teilnehmen, berichtet die Zeitung "Wedemosti" unter Berufung auf eine Umfrage des Instituts Comcon. Erfahrungsgemäß müsse diese Zahl zwar mindestens halbiert werden. Trotzdem sei es realistisch, dass bis zu 200.000 Menschen in der Hauptstadt demonstrieren gehen.

Bereits nach der Parlamentswahl hatten Zehntausende gegen die Regierung demonstriert. Sie werfen dem Kreml massiven Wahlbetrug vor. Aus der Abstimmung war die Regierungspartei Einiges Russland als klarer Sieger hervorgegangen.

Medwedew warnte in der letzten großen Rede seiner Amtszeit den Westen vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands. "Wir brauchen Demokratie und kein Chaos", betonte er. Russland werde "Provokateure und Extremisten" auch in Zukunft daran hindern, die Lage im größten Land der Erde zu destabilisieren.

Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts

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