Verhandlungen mit Putin? Kretschmer warnt vor "riesigem Versäumnis"
22.02.2024, 08:54 Uhr Artikel anhören
Seit zwei Jahren herrscht in der ganzen Ukraine Krieg. Ein kremlnaher Thinktank erklärt: Derzeit "gibt es nichts, worüber die Kriegsparteien verhandeln könnten" - außer einer "Kapitulation".
(Foto: AP)
Bringt mehr Diplomatie der Ukraine den Frieden? Dies hofft offenbar Sachsens Ministerpräsident. "Wir brauchen dringend diplomatische Bemühungen, um den russischen Präsidenten zu einem Waffenstillstand zu bewegen", so Kretschmer. Zuversichtlich ist er aber nicht. Moskau sieht das wohl auch anders.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat erneut rasche Gespräche mit Wladimir Putin zur Beendigung der Kämpfe in der Ukraine gefordert. "Wir brauchen dringend diplomatische Bemühungen, um den russischen Präsidenten zu einem Waffenstillstand zu bewegen", sagte der CDU-Politiker dem "Stern". Dafür werde man China, Indien und die anderen BRICS-Staaten brauchen. "Und dann muss man die Zeit nutzen, sich auch militärisch so stark zu machen, dass ein Angriff auf die Ukraine, auf das Baltikum, auf die Europäische Union künftig nicht möglich ist, weil Russland große Konsequenzen als Reaktion zu erwarten hätte."
Er sei zwar "überhaupt nicht zuversichtlich", dass Putin verhandlungsbereit sei, führte Kretschmer weiter aus. "Ich glaube sogar, dass es sehr schwierig wird." Aber es nicht zu versuchen, wäre "ein riesiges Versäumnis'".
Tatsächlich hatte Putin bereits Anfang 2022 trotz einer diplomatischen Offensive westlicher Politiker jedes Gesprächsangebot ausgeschlagen. Das US-amerikanische Institut für Kriegsstudien warnte jüngst zudem vor angeblichen Offerten. Führende Politiker in Moskau hätten immer wieder betont, die Kämpfe fortzuführen, bis "alle Ziele der Operation erreicht sind".
Einer von ihnen ist der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew. Ihm zufolge müssen russische Truppen möglicherweise die ukrainische Hauptstadt Kiew erreichen. Dies könne nötig sein, um die Ziele Russlands zu erreichen, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur TASS an diesem Donnerstag den früheren russischen Präsidenten. Medwedew sagte, Russen und Ukrainer seien eine Nation und die ukrainische Regierung "müsse fallen".
Klar lehnte auch Fjodor Lukjanow, Direktor des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, einer kremlnahen Denkfabrik, Gespräche ab: Derzeit "gibt es nichts, worüber die Kriegsparteien verhandeln könnten" - außer einer "Kapitulation", sagte er. Eine Niederlage Russlands sei "unmöglich", verkündete Putin erst vor Kurzem.
"Russland beginnt zu glauben, dass es gewinnen kann"
In Kiew wiederholte Präsidentenberater Mychailo Podoljak die offizielle Linie: Es seien "keine Verhandlungen möglich", solange Moskau seine Soldaten nicht abziehe. Ein EU-Diplomat bestätigte, dass "das Thema nicht auf der Tagesordnung steht. Verhandlungen können nur stattfinden, wenn die Ukraine in einer starken Position ist". Doch davon ist sie im Moment weit entfernt.
"Russland beginnt zu glauben, dass es gewinnen kann", urteilte der Analyst Marek Mendiszak vom Thinktank Centre for Eastern Studies in Warschau. "Diese Siegeszuversicht wird durch den Rückgang der militärischen Unterstützung des Westens und die politische Lage in den USA vor den Wahlen genährt."
Auch Washington rechnet nicht mit einer Verhandlungslösung in nächster Zeit. "Ich denke, dass Putin keinen bedeutenden Schritt in Richtung Frieden machen wird, bevor das Ergebnis unserer Wahl feststeht", sagte Anfang Dezember ein ranghoher US-Vertreter, der nicht genannt werden wollte, in Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im November.
Kretschmer beklagt "üble" Beschimpfungen
Kretschmer äußerte sich im "Stern" auch zur Debatte in Deutschland: "Ich freue mich, dass die Debatte um die Beendigung dieses schrecklichen Krieges offener geworden ist", so der CDU-Politiker, der sich zugleich ungerecht behandelt und als Fürsprecher vieler Menschen sieht. "Wir haben es in der Ampel mit Parteien zu tun, die Friedensparteien waren. Und die jetzt Menschen wie mich und andere, die gegen Waffenlieferungen und für diplomatische Beziehungen sind, in übelster Weise beschimpfen. Was macht das eigentlich mit einem Land?"
Mit seiner Haltung sei er keineswegs isoliert, wie manche Beobachter meinten. "Ich bin bei diesem Thema anderer Meinung als Friedrich Merz. Aber meine Haltung wird getragen von vielen Menschen in Deutschland."
Quelle: ntv.de, ghö/AFP