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Union entsetzt über Statistik Kriminelle Ausländer entfachen Asyldebatte neu

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Männer, die Handschellen tragen, haben auffällig oft keinen deutschen Pass.

Männer, die Handschellen tragen, haben auffällig oft keinen deutschen Pass.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die neue Kriminalitätsstatistik weist nicht nur einen Anstieg der Straftaten aus. Sie benennt auch das Problem, dass eine wachsende Zahl an Tatverdächtigen keinen deutschen Pass hat. Die Union sieht darin ein Argument, Zuwanderung massiv zu bremsen. Bundesinnenministerin Faeser ringt um einen Mittelweg.

Brandenburgs Innenminister, Michael Stübgen, kam bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für die gesamte Bundesrepublik schnell auf den ihm wichtigen Punkt: "Mehr als 41 Prozent derjenigen, die im vergangenen Jahr einer Straftat verdächtigt wurden, haben keine deutsche Staatsbürgerschaft, in der Bevölkerung liegt der Anteil der Ausländer aber bei rund 15 Prozent", sagte Stübgen, zurzeit auch Vorsitzender der Landesinnenministerkonferenz. Millionen Menschen ohne deutschen Pass lebten in Deutschland, ohne straffällig zu werden. "Wahr ist aber, dass überdurchschnittlich viele Ausländer straffällig werden." Die Debatte über das mutmaßliche Sicherheitsrisiko Zuwanderung ist mit der PKS für das vergangenen Jahr mit Wucht zurück auf der Agenda.

In der Tat lassen die neuen Zahlen aufhorchen: Die Zahl mutmaßlicher Straftaten hat zugenommen und der Zuwachs rührt vor allem von Verdächtigten ohne deutschen Pass. Die Zahl der nichtdeutschen Beschuldigten ist - abzüglich ausländerrechtlicher Verstöße wie illegale Einreisen - um 13,5 Prozent gestiegen. Der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen hat damit um 2,5 Prozentpunkte zugenommen und lag 2023 bei 34,4 Prozent, wenn man die ausländerrechtlichen Verstöße nicht berücksichtigt. Von den rund 190.000 Menschen, die einer Gewalttat bezichtigt wurden, waren 41 Prozent ohne deutschen Pass, ein Anstieg um etwas mehr als 2 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.

Union will Bundestagsdebatte

Die Grünen warnen dennoch vor einem einseitigen Fokus auf Zuwanderung. "Diese Polizeistatistik eignet sich nicht dazu, kurzfristige Schlüsse zu ziehen", sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. Sie mahnte die Union zu einer "sachbezogenen, seriösen Debatte". Diese aber kündigte umgehend an, noch am Mittwoch eine Debatte im Bundestag zum Thema führen zu wollen. "Das sind alarmierende Zahlen", sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Er forderte die Ampelregierung auf, in der Aktuellen Stunde im Bundestag "Lösungswege aufzuzeigen, wie wir mit dieser sehr hohen Kriminalität in Deutschland umgehen".

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die PKS zeige, "dass illegale Migration auch ein Treiber von Kriminalität in Deutschland ist". Er warnte davor, "wieder andere Ursachen dafür zu benennen, als die Statistik eindeutig auch belegt". In den ersten Äußerungen von Ampelvertretern erkannte Dobrindt das Muster "Leugnen, Schönreden, die Schuld bei anderen suchen". Er forderte: "Es braucht einen Stopp der illegalen Migration, auch um der Kriminalität einen Riegel vorzuschieben."

Den Zusammenhang zur Zuwanderung gibt es in diesem Sinne tatsächlich: 71 Prozent der mutmaßlichen ausländischen Gewalttäter etwa führt das Bundeskriminalamt als "Zuwanderer". Gemeint sind Asylbewerber, Menschen mit Bleiberecht als Kriegsflüchtlinge oder Asylberechtigte, Menschen mit Duldungsstatus oder ganz ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland. Andererseits ist auffällig, dass sowohl Stübgen wie Dobrindt die 41 Prozent Ausländeranteil an den Beschuldigten als Bezugsgröße wählten - also die höhere Zahl einschließlich ausländerrechtlicher Vergehen, anstelle der 34,4 Prozent Ausländeranteil. Faktisch gibt es aber kaum eine Möglichkeit für Schutzsuchende, legal nach Deutschland einzureisen. Die Zahl der Menschen, die vor ihrer Einreise einen Schutzstatus zugesprochen bekommen haben, liegt jährlich im fünfstelligen Bereich.

Faeser plädiert für Härte, aber nicht bei Sozialausgaben

Die Sozialdemokratin Nancy Faeser war bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik sichtlich um einen Mittelweg bemüht: Der Anstieg der Gewaltkriminalität sei für sie nicht hinnehmbar. "Hier gilt für mich ohne Wenn und Aber: null Toleranz", sagte die Bundesinnenministerin und plädierte für eine "konsequentes Durchgreifen der Polizei". Die Länder müssten bei der Abschiebung straffällig gewordener Ausländer die von der Ampelregierung verschärften Abschiebemöglichkeiten nutzen, forderte Faeser.

Zugleich gehe es darum, "keine Ressentiments zu schüren, sondern dass man die Dinge offen und ehrlich anspricht, dass man darüber diskutiert, welche Maßnahmen man ergreifen muss, um Veränderungen herbeizuführen". Das dürfe aber "nicht zulasten von einer Bevölkerungsgruppe" passieren, sagte Faeser und hatte dabei noch ein Thema im Blick, um das die SPD derzeit sowohl mit dem Koalitionspartner FDP als auch mit CDU und CSU ringt: mögliche Einsparungen beim Sozialstaat. "Gute Sozial- und Bildungspolitik ist die wirkungsvollste Prävention. In schwierigen Zeiten darf hier niemand die Axt anlegen", schlug Faeser Pflöcke ein, welche Maßnahmen ihres Erachtens nicht diskutiert werden dürften.

Täter einfach abschieben?

Der Ansatz von konsequenterer Abschiebepolitik sowie mehr Abkommen mit Ländern zur Rücknahme ihrer Staatsbürger ist durch die Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) zum Teil gedeckt: Vor allem Georgier seien unter den nichtdeutschen Beschuldigten überproportional häufig vertreten, sagte BKA-Präsident Holger Münch bei der Vorstellung der Zahlen. "Dahinter steht, muss man sagen, organisierte Kriminalität." Berlin hat darauf reagiert: Ende 2023 schloss die Bundesregierung ein Rückführungsabkommen mit Georgien.

Münch zählte zudem "einen hohen Anteil von Mehrfachtätern" aus den Maghrebstaaten auf. Union und FDP fordern schon länger, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Das könnte eine schnelle Abschiebung ermöglichen beziehungsweise von künftigen Einreisen abschrecken. Die Grünen und Teile der SPD lehnen das ab, weil die Länder etwa für sexuelle Minderheiten nicht sicher seien.

"Gemessen an den Zahlen der Zuwanderung unauffällig ist hingegen Afghanistan, Syrien", sagte Münch. Syrer und Afghanen seien in absoluten Zahlen oft unter den ausländischen Beschuldigten, weil eben sehr viele Menschen aus diesen Ländern inzwischen in Deutschland seien. Dennoch gilt: Selbst schwerkriminelle Afghanen oder Syrer kann Deutschland nicht abschieben, weil in dem einen Land die Taliban herrschen und das andere entweder nicht sicher ist oder unter Krontrolle des Gewaltherrschers Baschar al-Assad steht.

Abschiebung nur bei schweren Straftaten - theoretisch

Es sei klar, dass niemand in Deutschland "Anspruch auf Schutz und Hilfe haben kann, wenn man Straftaten begeht", sagte Brandenburgs Innenminister Stübgen. Da teile er "hundertprozentig die Auffassung der Innenministerin". Doch Faeser hatte das so absolut gar nicht gesagt. Ausgewiesen werden, also das Aufenthaltsrecht verlieren, kann ein Straftäter, der zu zwei Jahren Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt worden ist beziehungsweise zu einer einjährigen Freiheits- oder Jugendstrafe im Zusammenhang etwa mit schwerer Körperverletzung oder Vergewaltigungen. Dagegen muss aber die Ausländerbehörde auch immer die privaten Interessen desjenigen abwägen, etwa wenn der Straftäter Familie in Deutschland hat und keinen Bezug zum Herkunftsland, weil er vielleicht schon in Deutschland geboren ist.

Das Herkunftsland wiederum muss einigermaßen sicher und zur Aufnahme bereit sein, wo sich der Kreis schließt. Schnelle Lösungen durch Abschiebungen sind also eher nicht zu erwarten. Ob andere Faktoren wie menschenfreundlichere Ausländerunterkünfte, insbesondere bei der Erstaufnahme, mehr Integrationskurse, ein schnellerer Arbeitsmarktzugang oder eine besser ausgestattete Polizei eher zu einer baldigen Senkung der Ausländerkriminalität führen, dürfte in der aktuellen Stunde am Mittwoch heiß diskutiert werden.

Quelle: ntv.de

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