Politik

Alles unter Kontrolle? Krisen-Gipfel im Kanzleramt

Merkel, Seehofer und Gabriel versuchen der Großen Koalition mehr Stabilität zu geben.

Merkel, Seehofer und Gabriel versuchen der Großen Koalition mehr Stabilität zu geben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein Dreier-Gipfel soll es mal wieder richten. Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer wollen das letzte bisschen Koalitionsfrieden retten. Doch auch nach Ende der Edathy-Affäre trennt Union und SPD zurzeit mehr, als sie eint.

Gespräch hinter verschlossenen Türen: Merkel, Seehofer und Gabriel.

Gespräch hinter verschlossenen Türen: Merkel, Seehofer und Gabriel.

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Das Dreier-Treffen dauert zweieinhalb Stunden, um 22 Uhr verlassen Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer ohne öffentliche Stellungnahme das Kanzleramt. In Regierungskreisen ist von einem "ruhigen Gespräch in guter, lösungsorientierter Atmosphäre" die Rede. Wie schon im Februar inmitten der Edathy-Affäre haben sich die drei Parteivorsitzenden wieder nur zu einem Sechs-Augen-Gespräch über Streitfragen der Koalition verabredet. Kein Koalitionsausschuss, auch die Fraktionschefs sind nicht dabei.

Die drei Parteichefs wollen jetzt vor allem dies: Kontrolle. Über Themen, Beschlüsse und möglichst das Koalitionsklima. Mindestlohn, Energiewende, Rente mit 63: letztlich alles Chefsache. Alles unter Kontrolle. Das geht offensichtlich nur, wenn erst einmal geschwiegen wird. Und das geht offensichtlich nur im kleinstmöglichen Kreis. Merkel, Gabriel und Seehofer versuchen, auf diese Art das schwarz-rote Bündnis zu stabilisieren, das durch die Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy noch in der Startphase in die erste Krise stürzte.

"Altersgrenze von 21 ist das Mindeste"

Über eines kann das kollektive Schweigegelübde nicht hinwegtäuschen: Das schwarz-rote Bündnis ist erst drei Monate alt, aber zwischen den Koalitionspartnern knirscht es an vielen Stellen. So einig man sich im Hinblick auf den außenpolitischen Kurs in der der Krim-Krise auch sein mag: Innenpolitisch treten immer häufiger Meinungsverschiedenheiten zutage. Beim Mindestlohn von 8,50 Euro streiten Union und SPD über eine höhere Altersgrenze als 18 Jahre. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies Versuche der Union, Ausnahmen und höhere Altersgrenzen durchzusetzen, kategorisch zurück: "Niemand über 18 wird in Zukunft weniger als 8,50 Euro verdienen."

Unionspolitiker brachten aber eine höhere Altersgrenze als 18 Jahre ins Spiel. "Ich glaube, dass diese Grenze zu niedrig ist", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Jugendlichen dürfe kein Anreiz gegeben werden, statt einer Ausbildung einen Job für Unqualifizierte anzunehmen. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten betonte in der "Rheinischen Post": "Eine Altersgrenze von 21 Jahren beim Mindestlohn ist das Mindeste." Bundesbildungsministerin Johanna Wanka sagte: "Fast 60 Prozent der Jugendlichen sind älter als 18 Jahre, wenn sie eine Ausbildung beginnen. Das spricht dafür, die Altersgrenze heraufzusetzen."

In der SPD wurde Verwunderung darüber geäußert, dass sich eine Ministerin noch vor Vorliegen eines Entwurfs einer Kabinettskollegin so positioniert. Oppermann sagte, es gebe keine Ausnahmen. "Wir setzen den Koalitionsvertrag um." Der gesetzliche Mindestlohn werde dazu führen, "dass vier Millionen Menschen vermutlich die größte Lohnerhöhung ihres Lebens bekommen". Verdi-Chef Frank Bsirske mahnte: "Alle bisher vorgetragenen Ausnahme-Wünsche sind unbegründet und überflüssig."

Einem Bericht der "Passauer Neuen Presse" zufolge wären Hunderttausende Arbeitnehmer trotz des von der Koalition geplanten Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde weiter auf Hilfe durch Hartz IV angewiesen. 41 Prozent oder etwa 740.000 der alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger bräuchten selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung ergänzende Grundsicherungsleistungen, weil ihre Wohnkosten mehr als 345 Euro monatlich betragen.

Energiegipfel mit Länderchefs

Einen Dissens zwischen Union und SPD gibt es auch beim Thema Energiewende. Seehofer stellte eine der drei geplanten Strom-"Hauptschlagadern" infrage, der er 2013 noch zugestimmt hatte. Der CSU-Chef sieht hierfür jedoch inzwischen kaum noch Realisierungschancen, "weil wir sie nicht brauchen". Neben allerlei baulichen Belastungen fürchten seine Bürger bei der rund 450 Kilometer langen Trasse von Sachsen-Anhalt nach Bayern auch, dass über sie schmutziger Braunkohlestrom aus ostdeutschen Revieren transportiert werden könnte. Die SPD, aber auch Energieexperten, halten die Trasse jedoch für notwendig, um Windstrom in den Süden zu transportieren. Oppermann hält die Leitung für nötig: "Auch in Bayern kommt der Strom aus der Steckdose. Herr Seehofer wird das merken, wenn er das Kabel abklemmt", sagte der SPD-Fraktionschef.

Differenzen mit den Ländern wollen Merkel und Gabriel mit einem informellen Gipfel klären. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet luden die Kanzlerin und ihr Vize die Länderregierungschefs zu einem Gespräch am 1. April ein. Dabei soll es um die umstrittene Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, kurz EEG, gehen. Merkel und Gabriel wollten dabei erkunden, ob die angestrebte Gesetzesnovelle angesichts zahlreicher Änderungswünsche der Länder machbar sei. Die EEG-Novelle soll am 8. April das Kabinett passieren.

Völlig zerstört ist das Klima zwischen den Koalitionsparteien offenbar allerdings noch nicht. Nach der Affäre um den SPD-Politiker Edathy sei er sicher, dass über die Projekte Energiewende, Rente mit 63 und Mindestlohn wieder Vertrauen aufgebaut werde, so Seehofer. Die Arbeit von Merkel bezeichnete er als "ausgezeichnet", die von Gabriel als "recht gut - mit einer kleinen Delle durch die Edathy-Affäre".

Quelle: ntv.de, cro/dpa

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