Politik

Ein unbequemes Gespräch im Kanzleramt Seehofers Spiel mit Merkels Vertrauen

Kleine Runde statt Koalitionsausschuss: Seehofer, Merkel, Gabriel (v.l.)

Kleine Runde statt Koalitionsausschuss: Seehofer, Merkel, Gabriel (v.l.)

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bundesregierung steckt in einer Vertrauenskrise. Zum zweiten Mal platzt ein Termin für einen Koalitionsausschuss. Merkel, Gabriel und Seehofer treffen sich am Abend lieber in kleiner Runde. Der CSU-Chef hat ein pikantes Anliegen im Gepäck.

Mit dem Vertrauen in der Bundesregierung ist das zurzeit so eine Sache. Die Edathy-Affäre erschütterte es im Februar heftig. Ein erster Koalitionsausschuss von Schwarz-Rot fiel aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer trafen sich stattdessen im kleinen Kreis. Es galt, sich behutsam wieder anzunähern. Nun platzt schon der zweite Termin für einen Koalitionsausschuss. Auch an diesem Dienstagabend kommen nur Merkel, Gabriel und Seehofer zusammen.

In Bayern hegen viele Menschen Vorbehalte gegen den Bau der Stomtrassen - vor allem in ihrer Nähe.

In Bayern hegen viele Menschen Vorbehalte gegen den Bau der Stomtrassen - vor allem in ihrer Nähe.

(Foto: dpa)

Er wisse nicht, ob die Regierungskrise überwunden sei, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber dem MDR. "Aber alle Seiten haben sich drauf verständigt, dass man jetzt an die Arbeit geht und das Vertrauen, was vielleicht an der einen oder anderen Stelle einen leichten Knacks hatte, durch gemeinsames Arbeiten wieder wachsen soll."

Ausgerechnet das gemeinsame Arbeiten erweist sich aber als ausgesprochen schwierig und damit auch der Versuch, Vertrauensrisse zwischen den Parteien zu kitten. CSU-Chef Seehofer trägt in erheblichem Maße dazu bei. Er stellt längst Beschlossenes wieder infrage.

"Keine Realisierungschancen für Süd-Ost-Passage"

Auf der Agenda des Treffens der Parteichefs standen ursprünglich die Ukraine und eine Reihe heikler Themen in der Koalition, darunter der Mindestlohn, die Rente mit 63 und die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Doch als wären Gespräche darüber nicht schwer genug, pochte Seehofer einen Tag vor dem Treffen darauf, auch über den Bau von Stromtrassen in Deutschland zu beraten. Für die Süd-Ost-Passage, die von Halle an der Saale quer durch Bayern nach Augsburg führen soll, sehe er "kaum noch Realisierungschancen", sagte er einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge. "Weil wir sie nicht brauchen." Dies wolle er auch bei dem Spitzentreffen vorbringen.

Bisher forderte Seehofer lediglich, die Notwendigkeit der Trasse bei einem möglichen langsameren Ausbau des Ökostroms zu überprüfen. Mit seiner neuen Sichtweise stellt er nun infrage, was schon seit dem vergangenen Jahr im sogenannten Bundesbedarfsplangesetz festgeschrieben steht.

Die Süd-Ost-Passage soll unter anderem Windstrom, der an der Küste erzeugt wird, nach Süddeutschland transportieren. In Verbindungen mit weiteren großen Stromleitungen soll sie die Grundlage dafür sein, die Energiewende voranzutreiben, mittelfristig auf Atomkraftwerke und langfristig in zunehmenden Maße auf Energie aus fossilen Brennstoffen zu verzichten. Insgesamt sollen 2800 Kilometer neue Trassen entstehen. Weitere 2900 Kilometer gilt es, durch Modernisierungen auf die zusätzliche Last durch Ökostrom vorzubereiten. Auch Bayern hat dem Bundesbedarfsplangesetz zugestimmt.

"Die Menschen glauben Seehofer nicht mehr"

Die Opposition sieht in Seehofers Vorstoß einen Profilierungsversuch. Nach den Kommunalwahlen am Sonntag müssen mehrere Bürgermeisterkandidaten Ende März in eine Stichwahl. Der Widerstand von Anwohnern, die vom Trassenbau betroffen sein könnten, ist in Bayern groß. "Horst Seehofer versucht, den Feuerwehrmann zu spielen. Dabei ist er der Brandstifter: Seine CSU hat der Stromtrasse längst zugestimmt", sagte Florian Pronold n-tv.de. Der bayerische Landesvorsitzende der SPD, der zugleich Staatssekretär im Bundesumweltministerium ist, fügte hinzu: "Seehofers Populismus kann aber nicht darüber hinwegtäuschen: Die CSU-geführte bayerische Staatsregierung besitzt keinen Plan für die Energiewende. Selbst aus der bayerischen Wirtschaft hagelt es Kritik am Ministerpräsidenten."

Ähnlich äußert sich der grüne Landeschef Dieter Janecek: "Die Menschen glauben Seehofer längst nicht mehr, dass er mit seiner populistischen Position zum Leitungsausbau ihre Interessen im Blick hat. Das zeigen auch die schwachen Ergebnisse der CSU in den betroffenen Gebieten bei der Kommunalwahl."

Schon Mitte Februar sagte Janecek im n-tv.de Interview, dass der CSU-Chef sehr wohl wisse, dass die Trassen notwendig seien, da sonst Atomkraftwerke länger laufen müssten. Jetzt fügte er hinzu: "Gaskraftwerke, die unter den aktuellen Marktbedingungen keiner bauen will, sollen laut Seehofer die Lücke schließen. Der Ministerpräsident hat sich verrannt und schadet mit seinem Wirrwarr dem Standort Bayern." Auch Janecek verwies darauf, dass Kritik aus der bayrischen Wirtschaft ertöne. "Die Energiepolitik der CSU wird in Expertenkreisen nur noch mit Kopfschütteln betrachtet."

Die Kommunalwahl verlief für die CSU tatsächlich durchwachsen. Sie konnte in einigen Städten zulegen, verlor aber in anderen. Ein klarer Triumph war sie nicht. Auch die Kritik aus der Wirtschaft ist real. Allerdings gilt nach wie vor: Bayern zählt zu den stärksten Wirtschaftsstandorten Deutschlands. Und bisher zeigte sich immer wieder, dass Seehofer ein besonderes Gespür für den Mehrheitswillen der Bayern hat. Die CSU erstarkte unter seiner Regentschaft. Mit Pkw-Maut und Länderfinanzausgleich auch über die Landesgrenzen hinaus - allerdings auf Kosten des Verhältnisses des CSU-Chefs zu seinen Koalitionspartnern in Berlin. Mit dem Vertrauen in der Bundesregierung ist es wie gesagt zurzeit so eine Sache, mit dem Vertrauen von Angela Merkel in Horst Seehofer war es das aber auch schon vor der Edathy-Affäre. Angeblich setzt die Kanzlerin mittlerweile darauf, den Kreis des Koalitionsausschusses, für dessen Beteiligte es keine klare Definition im Koalitionsvertrag gibt, möglichst klein zu halten. Und manch ein Regierungsmitglied ist sich nicht einmal mehr sicher, ob es überhaupt noch einen Koalitionsausschuss in großer Runde geben wird.

Quelle: ntv.de

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