"Im Kleinen fängt es an" Kritik an Schmidt wächst
28.07.2009, 07:22 UhrBundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die Kritik an der Nutzung ihres Dienstwagens in ihrem Urlaub an der spanischen Costa Blanca erneut zurückgewiesen. Kritik kam dagegen vom Steuerzahlerbund: Frau Schmidt habe wirklich nicht gerade sensibel gehandelt, sagte Hauptgeschäftsführer Holznagel bei n-tv.
Die Benutzung entspreche der Rechtslage und den Richtlinien, sagte Schmidt am Rande einer Informationsveranstaltung für deutsche Senioren in Els Poblets nahe Denia. "Ich nutze den Dienstwagen dienstlich und ich nutze ihn privat. Wenn ich ihn privat nutze, wird sehr genau nach Fahrtenbuch abgerechnet und versteuert", betonte die SPD-Politikerin. Jeder, der Fragen habe, könne diese im Haushaltsausschuss beantwortet bekommen, und der Bundesrechnungshof könne jederzeit eine Wirtschaftsprüfung vornehmen.
Im vergangenen Jahr habe sie rund 6000 Kilometer privat abgerechnet. Sie handhabe das sehr genau, bekräftigte Schmidt. "In achteinhalb Jahren hat es nie eine einzige Beanstandung gegeben." Außerdem nehme sie auch im Urlaub dienstliche Termine wahr. Es sei günstiger, den Dienstwagen mitzubringen, als einen vor Ort in Spanien zu leihen. Sie habe immer einen Teil ihres Büros dabei und benötige stets den Zugang zum Computer, weil sich darin geschützte Daten befänden. Ihre Ausrüstung werde also immer hin und her transportiert.
"Kommt dem Steuerzahler wirklich sehr teuer zu stehen"
Reiner Holznagel, Hauptgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler (BdSt), sagte bei n-tv: "Sicherlich sind das 'Peanuts' im Vergleich zu anderen Summen. Allerdings müssen wir auch hier die Augen offen halten, denn im Kleinen fängt es an." Holznagel betonte auch die Vorbildfunktion der Politiker: "Sie mahnen Sparsamkeit an, der Staat verschuldet sich so hoch wie noch nie zuvor. Insofern ist es auch richtig, dass Minister auf die eigenen Ausgaben achten und hier hat Frau Schmidt wirklich nicht gerade sensibel gehandelt." Der gesamte Trip, so Holznagel weiter, "der im Übrigen schon mehrmals in ihrer Laufband so vonstatten gegangen ist", komme dem Steuerzahler wirklich sehr teuer zu stehen.
Holznagel verwies darauf, dass die Ministerin "schon mehrmals" Wagen und Fahrer mit in den Urlaub genommen habe: "Es ist für sie anscheinend ein ganz normaler Vorgang, dass sie nach Alicante fliegt und ihr Fahrer mit dienstlichen Sachen hinterherkommt, aber sie dann das Auto auch privat vor Ort nutzt." Schmidts frühere Darstellung, sie habe neben dem Dienstwagen auch ein privat angemietetes Auto in Spanien, habe sich als falsch erwiesen: "Das Ministerium musste anschließend zurückrudern", so Holznagel.
Fahrtkosten von 9386 Euro
Nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes kostete die Fahrt mindestens 9386 Euro. Wie die "Bild"-Zeitung schrieb, müssen danach allein für die Hinfahrt 3800 Euro angesetzt werden, unter anderem für Benzin und allgemeine Abnutzung (1,50 Euro pro Kilometer). Hinzu kämen 114 Euro Maut-Gebühren in Frankreich und Spanien sowie mindestens sechs Hotel-Übernachtungen des Fahrers, die mit insgesamt rund 600 Euro veranschlagt werden. Für die Dienstzeit und Überstunden des Fahrers setzt der Bund der Steuerzahler weitere 4872 Euro an.
"Damit koste die Reise den Steuerzahler mindestens 9386 Euro", sagte Holznagel . Weitere Kosten, beispielsweise für den neuen Dienstwagen, seien in der Berechnung noch gar nicht berücksichtigt. Angesichts dieser Zahlen bezweifelte ein BdSt-Sprecher in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" die Aussage Schmidts, dass das Gesundheitsministerium die kostengünstige Variante gewählt habe, als sie den Dienstwagen mitsamt Fahrer in ihren Ferienort Denia schickte.
FDP verlangt Details
Die FDP verlangt bereits bis Mittwoch kommender Woche umfassende Auskunft der Gesundheitsministerin über die Nutzung ihres Dienstwagens im Urlaub. Als Mitglied des Bundestags-Haushaltsausschusses verlange der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin bis zum 5. August einen detaillierten Bericht zu dem Fall, berichtet die "Berliner Zeitung".
Der Fall war bekanntgeworden, weil das Auto vor einer Woche in Schmidts Urlaubsort Denia nördlich von Alicante gestohlen wurde. Nach Polizeiangaben drangen die Täter durch eine unverschlossene Hintertür in das Haus ein, in der Schmidts mitgereister Fahrer schlief.
Weitere Minister mit Dienstwagen im Urlaub
Laut einer Umfrage des "Hamburger Abendblatts" nutzten mindestens vier weitere Minister ihre Dienstwagen schon im Urlaub. Neben Schmidt nahmen auch Arbeitsminister Olaf Scholz, Justizministerin Brigitte Zypries, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (alle SPD) ihre Dienstlimousinen für Urlaube in Anspruch, ohne dass sie dazu aus Sicherheitsgründen verpflichtet sind.
Scholz fuhr der Zeitung zufolge nach Angaben seines Ministeriums im Sommer 2008 mit seinem Dienstwagen in den Urlaub nach Südtirol, wobei der Minister selbst am Steuer saß. Laut Ministerium versteuert Scholz die private Dienstwagennutzung mit monatlich aktuell 1888,87 Euro als geldwerten Vorteil. Wieczorek-Zeul ließ sich in diesem Sommer in ihren niedersächsischen Urlaubsort Bad Pyrmont fahren, so wie auch in den Jahren zuvor. Die Ministerin habe den Wagen leer zurück nach Berlin fahren und sich nach dem Urlaub wieder abholen lassen; beide Hin- und Rückfahrten habe die Ministerin jeweils privat abgerechnet, sagte eine Sprecherin.
Zypries nutzte laut ihrem Ministerium im Jahr 2006 für einen fünftägigen Urlaub in Norddeutschland ihren Dienstwagen, den sie selbst gefahren habe. Diese Fahrten seien im Fahrtenbuch als privat ausgewiesen und versteuert worden. Verkehrsminister Tiefensee wiederum macht derzeit mit seinem Dienst-Audi A8 Urlaub in Brandenburg, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Er fahre den Wagen selbst. Tiefensee zahle für die private Dienstwagennutzung eine Pauschale und führe ein Prozent des Fahrzeug-Bruttolistenpreises an den Staat ab.

Kanzlerin Merkel ist dagegen verpflichtet, ihren gepanzerten Dienstwagen immer zu nutzen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) unterliegen der höchsten Gefährdungsstufe 1 und sind aufgrund ihrer Ämter auch in ihren Urlauben auf ihre gepanzerten Dienstwagen und Personenschützer angewiesen.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa