Wer ist hier der Boss? Landesfürsten belehren Merkel
09.07.2010, 16:56 Uhr
Kanzlerin Merkel muss sich einiges anhören kurz vor den Ferien.
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Es grummelt kräftig in der schwarz-gelben Koalition. Immer mehr CDU-Ministerpräsidenten trauen sich aus der Deckung und lassen sich hinreißen, der Kanzlerin gute Ratschläge zu geben. Der x-te Neuanfang der Regierung beginnt also mit Nachhilfe für Merkel.
Unter CDU-Ministerpräsidenten nimmt der Unmut über den Führungsstil der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagte in der ARD, das Management der Bundesregierung bei der geplanten Verlängerung der Laufzeiten für Atommeiler sei nicht optimal. "Im Regierungsprogramm von CDU/CSU und FDP stand klar drin, was man möchte. Ich bin Anhänger der These, dass man Wahlversprechen nach der Wahl auch umsetzen sollte. Insofern haben wir ein halbes Jahr verloren und der Opposition ordentlich Futter gegeben. Das halte ich managementmäßig für keine Großtat."
Nach der Aufforderung von Hamburgs Regierendem Bürgermeister Ole von Beust, Merkel solle resoluter vorgehen, meinte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) nun, sie könne eine Koalitionsregierung nicht so führen "wie einen Familienbetrieb". Die Zusammenarbeit mit FDP und CSU - die eine bezeichnete er als "sektorale", die andere als "regionale Klientelpartei" - sei gegenwärtig offenbar schwieriger als die Kooperation mit der SPD in der Großen Koalition.
Strafe muss sein
Sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Peter Harry Carstensen (CDU) sagte dem "Handelsblatt", Merkel solle Fehlverhalten deutlich ansprechen. CDU-Vorstandsmitglied Elmar Brok verlangte sogar "Sanktionen" gegen illoyale Koalitionäre. Merkel solle mit Horst Seehofer und Guido Westerwelle eine Art Verhaltenskodex festlegen.
"Wer andauernd Beschlüsse zerredet und den politischen Partner persönlich angreift, muss mit Sanktionen der Koalitionsspitze rechnen", verlangte Brok. Beispielsweise hätte die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU), die einen Vergleich zwischen der Politik der FDP und der chilenischen Diktatur unter Augusto Pinochet gezogen hatte, aus seiner Sicht sofort zurücktreten müssen.

"In den Abgrund geschaut": Peter Altmaier.
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Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, sagte im RBB, die Arbeit der Koalition sei inhaltlich zwar gut. Er räumte aber "atmosphärische" Störungen ein. "Die Koalition hat in den Abgrund geschaut, und das hat dazu geführt, dass alle sich ihrer Verantwortung bewusst sind." Außerdem sagte er, die Koalition habe viele Menschen zur Verzweiflung getrieben, indem "etwas mehr gestritten wurde als notwendig". Nun gebe es aber "fast schon eine kleine Aufbruchstimmung".
Unter 40 Prozent
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte: "Ich sehe bloß, dass die Koalition einen Neustart nach dem anderen versucht." Den Bürgern sei mehr Netto vom Brutto versprochen worden, doch nun gebe es durch die Steigerung der Krankenkassenbeiträge für die kleinen Leute eindeutig weniger Netto vom Brutto. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach sogar von einer "gigantischen Nettolüge".
Schwarz-Gelb ist in Umfragen nicht zuletzt wegen andauernder Querelen, gegenseitiger Beschimpfungen und Auseinandersetzungen in Sachthemen in der Gunst der Bürger unter 40 Prozent gefallen. Vertreter der Koalition hatten sich gegenseitig als "Rumpelstilzchen" und "Gurkentruppe" beschimpft.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP