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AfD vor CDU, Höcke: "historisch" Alle Daten zur Wahl in Thüringen

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Klares Wahlergebnis in Thüringen: Ramelows rot-rot-grüne Parteienbündnis stürzt ab, die AfD feiert. Doch wer wird das gut 2,1 Millionen Einwohner zählenden Bundesland in den kommenden fünf Jahren regieren? Die Wahlergebnisse aus Thüringen in der Übersicht

Bei der Landtagswahl in Thüringen steigt die AfD zur neuen stärksten Kraft auf - mit deutlichem Abstand vor der CDU. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) folgt auf Platz 3. Die Linke fällt zurück auf Platz vier, die SPD schneidet nach Auszählung aller Stimmen mit 6,1 Prozent historisch schwach ab. Grüne und FDP sind im neuen Landtag in Erfurt laut amtlichem Wahlergebnis gar nicht mehr vertreten.

Die Alternative für Deutschland (AfD) kann mit einem Stimmanteil von 32,8 Prozent den Wahlsieg für sich reklamieren. Elf Jahre nach der Gründung gewinnt die Partei, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird, erstmals eine Landtagswahl. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke sprach am Wahlabend von einem "historischen Sieg". Aus dem Lokal der für Medien geschlossenen Wahlparty drangen Applaus sowie Sprechchöre "Höcke, Höcke" und "Jetzt geht's los".

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Hinweis: Die Infografiken werden bis zur Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses laufend aktualisiert.

Die CDU erreichte 23,6 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erhielt 15,8 Prozent der Stimmen, und die Linke kommt auf 13,1 Prozent.

Da die AfD in Thüringen über mehr als ein Drittel der Landtagsmandate verfügt, kann Höcke mit seiner Fraktion künftig die sogenannte Sperrminorität ausüben: Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, sind in Thüringen ohne Zustimmung der AfD künftig zum Scheitern verurteilt. Die Zweidrittelmehrheit ist unter anderem für die Einsetzung von Verfassungsrichtern erforderlich.

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Dass die "Alternative für Deutschland" künftig den Ministerpräsidenten stellen wird, ist dagegen unwahrscheinlich: Höcke und seine AfD stehen ohne Koalitionspartner da. Mit dem "gesichert rechtsextremen" Landesverband will keine der anderen in den Landtag gewählten Parteien koalieren. Höckes Ambitionen auf eine Regierungsbeteiligung gelten daher als aussichtslos.

Trotz fehlender Koalitionsaussichten beanspruchte Höcke demonstrativ den Regierungsauftrag für seine Partei. Er wolle mit den anderen Parteien über mögliche Koalitionen ins Gespräch kommen, sagte der 52-Jährige. Es sei gute parlamentarische Tradition, so Höcke, dass die stärkste Kraft nach einer Wahl zu Gesprächen einlädt. "Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen." Höcke gilt selbst innerhalb der AFD als Rechtsaußen-Kandidat.

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Nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl zeichnet sich eine extrem schwierige Regierungsbildung in Thüringen ab. Ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD, das als mögliche Option gilt, bleibt im Landtag knapp unterhalb der Schwelle zur Mehrheit. Damit CDU wäre neben BSW und SPD auch auf die Linke angewiesen. Eine Koalition mit dieser Partei hat die CDU jedoch per Bundestagsparteitagsbeschluss ausgeschlossen.

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt hat dennoch wohl die besten Chancen, als Nachfolger von Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Der Thüringer CDU-Politiker müsste dafür aber erst schwierige Sondierungs- und Koalitionsgespräche ansetzen und danach - im Erfolgsfall - eine bundesweit einmalige schwarz-lila-rot-rote Vierparteienkoalition schmieden.

Koalitionsfrage: Neue Thüringer Verhältnisse

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Für eine stabile Mehrheit eines Regierungsbündnisses müsste er das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit der früheren Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf und die SPD mit Georg Maier sowie womöglich auch die Linke rund um Bodo Ramelow mit ins Boot holen.

BSW-Gründerin Wagenknecht hatte bereits vor der Wahl Bedingungen gestellt, darunter vor allem außenpolitische Positionen zum Thema Krieg und Frieden. CDU und SPD sehen das mit großer Skepsis.

Die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition, die auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, hat keine Chance auf eine Neuauflage. Ramelow, der den Freistaat seit zehn Jahren regiert, sieht die Aufgabe zur Regierungsbildung nun beim CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt.

"Der im demokratischen Spektrum, der die meisten Stimmen hat, der muss die Gespräche beginnen, der muss einladen. Ich werde alle dabei unterstützen, die helfen, dass wir zu einer demokratischen Mehrheit im Parlament bekommen", sagte der scheidende Thüringer Regierungschef Ramelow am Wahlabend.

Ramelow und Voigt kennen sich schon länger. Der CDU-Spitzenkandidat hat Politik und öffentliches Recht studiert und sitzt seit 2009 im Thüringer Landtag.

Voigt ist nicht nur deutlich jünger als Ramelow und Höcke, sondern stammt anders als die Beiden auch gebürtig aus Thüringen. Für eine etwaige Zusammenarbeit mit dem BSW - der womöglich neuen drittstärksten Kraft im Landtag - soll CDU-Chef Friedrich Merz bereits grünes Licht signalisiert haben.

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Für die AfD dürfte der Wahlerfolg damit trotzdem erneut die Oppositionsbank bedeuten. Zuletzt war der Zuspruch in Thüringen für die Partei leicht zurückgegangen: Im November und Januar hatte die AfD in Umfragen noch bei Werten zwischen 34 und 36 Prozent gelegen.

Höcke hatte damals klar das Ziel der Regierungsbeteiligung formuliert, einige sahen sogar eine absolute Mehrheit in Reichweite. Im Wahlkampf plakatierte die AfD unter anderem ein Bild von Höcke, unter dem groß Ministerpräsident stand.

Der CDU-Politiker Voigt dagegen suchte im Wahlkampf offensiv die direkte Konfrontation mit dem Rechtsaußen Höcke, duellierte sich sogar im Fernsehen mit ihm und versuchte den Wahlkampf auf die Formel Voigt gegen Höcke zuzuspitzen.

Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt Voigt kategorisch ab, auch wenn er mit seiner CDU in der Vergangenheit immer wieder AfD-Stimmen bei der Verabschiedung eigener Gesetze und Anträge akzeptierte, was teils für Empörung sorgte.

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Die Suche nach einer Regierungsmehrheit könnte sich somit in Thüringen überaus kompliziert gestalten. Die CDU schließt laut einem Bundesparteitagsbeschluss eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken aus. Möglicherweise drohen Verhältnisse, bei denen sich erneut eine Minderheitsregierung von anderen Parteien unterstützen lassen müsste.

Das BSW könnte eine wichtige Position einnehmen. Bundes-Parteichefin Sahra Wagenknecht, die selbst nicht zur Wahl stand, hatte die Absicht geäußert, an möglichen Koalitionsverhandlungen teilnehmen zu wollen.

CDU-Landeschef Voigt kündigte an, auf die SPD und deren Spitzenkandidaten Georg Maier zugehen zu wollen. Zum BSW sagte er: "Wir werden auch dort gesprächsoffen sein."

SPD-Spitzenkandidat Maier sieht nach der Niederlage von Rot-Rot-Grün bei der Landtagswahl in Thüringen den Regierungsauftrag bei der CDU. "Die demokratische Partei, die am stärksten abgeschnitten hat - und das ist die CDU - hat jetzt den Auftrag", sagte Maier am Wahlabend in Erfurt. Zugleich sehe er die SPD in Koalitionsfragen in staatspolitischer Verantwortung. Die Partei werde dazu am Montag in den Gremien beraten.

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Das schlechte Wahlergebnis der Sozialdemokraten führte Maier darauf zurück, dass der Wahlkampf komplett von geopolitischen Themen überlagert gewesen sei. "Unsere Mitbewerber wollten genau das, dass wir über Krieg und Frieden (...) und über Themen reden, die wir nicht entscheiden können." Diese Strategie sei "leider aufgegangen".

Der Urnengang am 1. September war erst die achte Landtagswahl seit Bestehen des Freistaats. Regulär wird in Thüringen alle fünf Jahre neu gewählt. Der Landtag in der Landeshauptstadt Erfurt umfasst mindestens 88 Sitze. Davon wird die Hälfte als Direktmandate aus den 44 Thüringer Wahlkreisen vergeben, die andere Hälfte verteilt sich nach den Mehrheitsverhältnissen auf die Landeslisten der Parteien.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa

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