Politik

"Abend der Taten" Lange Nacht im Kanzleramt

Bei einem Spitzentreffen suchen Union und SPD zur Stunde nach einem Schulterschluss in wichtigen Streitfragen. Beide Seiten äußerten sich vor Beginn des Treffens im Kanzleramt vorsichtig optimistisch über die Chancen für eine Einigung beim Arbeitslosengeld (ALG) I und beim Postmindestlohn. "Wir stellen uns auf lange, intensive, auch schwierige Verhandlungen ein. Aber unser Wille ist da, zu einem Kompromiss zu kommen," sagte CSU-Chef Erwin Huber. Wenn sich die SPD ebenfalls bewege, werde es "gute Entscheidungen für Deutschland" geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, sie werde sich auf keine Vereinbarungen einlassen, die die große Koalition von ihrem Weg zu mehr Wachstum und Beschäftigung abbringen. Sie erwarte von dem Treffen, "dass wir das fortsetzen, was wir die vergangenen zwei Jahre gemacht haben", sagte sie in Berlin. Dagegen ging die SPD nach den Worten von Generalsekretär Hubertus Heil fest davon aus, dass es ein "Abend der Taten" wird.

An dem Treffen nimmt auch Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) teil, der am vergangenen Sonntag wegen der Erkrankung seiner Frau beim Koalitionsausschuss gefehlt hatte.

Mindestlohn bei Briefzusteller

Besonderen Zeitdruck für eine Einigung gibt es bei der Mindestlohnregelung für Briefzusteller. Die Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmerentsendegesetz soll bereits an diesem Donnerstag abschließend im Bundestag beschlossen werden. Zwischen Union und SPD ist weiter umstritten, ob der Tarifvertrag für 50 Prozent der Beschäftigten bindend ist und der darin geregelte Mindestlohn damit in der gesamten Branche für verbindlich erklärt werden kann.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, er sehe in diesem Punkt trotzdem Einigungsmöglichkeiten, wenn die SPD im Entsendegesetz "entsprechend enge Formulierungen akzeptiert". Nach den Vorstellungen der Union soll klar gestellt werden, dass nur hauptberufliche Briefträger unter den Mindestlohn fallen.

Streitpunkt ALG 1-Verlängerung


Als schwierigster Verhandlungspunkt galt jedoch eine Einigung beim ALG I. Sowohl Union und SPD wollen die Bezugdauer von 18 auf 24 Monate verlängern. Während die Union auf einer Regelung ohne zusätzliche Kosten besteht, lehnt die SPD die vom Koalitionspartner im Gegenzug geforderten Kürzungen bei jüngeren Arbeitslosen strikt ab.

Die Sozialdemokraten gingen mit dem erklärten Willen in die Gespräche, die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 4,2 auf 3,5 Prozent zum 1. Januar 2008 an eine Einigung bei der ALG-Verlängerung zu koppeln. Es müsse dabei ein Paket geben, hieß es in SPD-Kreisen. Gesprochen werden sollte bei dem Treffen auch über eine Schutzklausel gegen die "Zwangsverrentung" von Hartz-IV- Empfängern. Weiter auf der Tagesordnung stand ein Erwerbstätigen- und Kinderzuschuss, um Bezieher von Niedrigeinkommen vor dem Abrutschen in das Arbeitslosengeld II zu schützen.

Keine endgültigen Ergebnisse wurden dagegen beim Thema Bahnreform erwartet. Vielmehr sollten bei der Sitzung, an der auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) teilnahm, lediglich Prüfaufträge verteilt werden. Dazu gehört auch ein neues Privatisierungsmodell, das die Gründung einer Holding vorsieht. Danach sollen der Personen- und Güterverkehr der Deutschen Bahn sowie Speditionstochter Schenker zu 49 Prozent privatisiert werden. Das Schienennetz und die übrige Infrastruktur bleiben damit komplett im Bundesbesitz. Die Union machte vor dem Treffen erneut deutlich, dass sie von das von der SPD bevorzugte Volksaktien-Modell für einen Börsengang der Bahn ablehnt.

Quelle: ntv.de

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