
Das Team von links nach rechts: Jung, Bär, Neumann, Prien, Laschet, Klepsch, Chialo, Breher und Merz.
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Unionskandidat Laschet will sich als Mannschaftssportler profilieren und stellt die acht Köpfe seines Zukunftsteams vor. Die bunt gemischte Gruppe ist tatsächlich spannend. Zeitpunkt und Art der Präsentation dürften aber mehr Zweifel wecken, als Rückenwind zu verleihen.
Ob man in Deutschland heute Menschen bei dem verzweifelten Versuch beobachten kann, ihre ausgefüllten Briefwahlunterlagen aus den gelben Kästen der Post wieder herauszufischen? Jetzt, wo sie vom Unionskanzlerkandidaten höchstselbst erfahren haben, dass CDU und CSU viel mehr Persönlichkeiten aufzubieten haben als den in Umfragen so unbeliebten Armin Laschet? Wahrscheinlich nicht. Aber 23 Tage vor der Wahl hat der CDU-Chef ein Zukunftsteam vorgestellt, in dem doch manch spannende Personalie zu entdecken ist. Aber auch die wohlwollendsten Laschet-Unterstützer werden sich fragen, warum ihr Mann fürs Kanzleramt erst jetzt mit seiner Gruppe neuer Gesichter um die Ecke kommt.
Vier Frauen und vier Männer finden sich in dem Team wieder, das auch geografisch breit aufgestellt ist. Sieben Bundesländer aller Himmelsrichtungen sind vertreten; mit dem Musikmanager Joe Chialo auch ein Mann, dessen Eltern nicht in Deutschland geboren sind. Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, ausgeliehen von der CSU, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher, der umweltpolitische Sprecher der Unionsfraktion Andreas Jung und Terrorismusforscher Peter Neumann sind allesamt noch Mitte vierzig. Einzig der als Wirtschaftsexperte berufene Friedrich Merz ist deutlich jenseits der 60.
Die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch repräsentiert als langjährige Oberbürgermeisterin von Annaberg-Buchholz nicht nur den Osten, sondern auch die kommunale Ebene. Bildungsministerin Karin Prien wurde im Zuge der Pandemie über Schleswig-Holstein hinaus bekannt. Konservative wie Breher und Merz sind genauso dabei wie eher liberale Politiker wie Chialo und Jung. Das Team ist breit angelegt und dürfte so auch in den verschiedenen Herkunftsregionen ihrer Mitglieder auf Resonanz stoßen.
Laschet agiert im Schatten des Umfragetiefs
"Für mich war immer wichtig, dass die CDU als Team sichtbar wird", erklärt Armin Laschet einleitend. Warum dieses Team, "das genau die neuen Ideen für die Zukunft zeigt", erst drei Wochen vor der Bundestagswahl sichtbar wird, erläutert Laschet hingegen nicht. Aber fünf von sechs großen Umfrage-Instituten sahen in dieser Woche die Union hinter der SPD liegen. Die jüngsten Zahlen von Infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen wurden sogar nach dem für Laschet eigentlich ordentlich gelaufenen Triell erhoben und sehen die Union dennoch zwischen zwei und fünf Prozentpunkten zurückliegen. Insbesondere bei den persönlichen Zustimmungswerten fällt Laschet immer weiter hinter SPD-Kandidat Olaf Scholz zurück.
Dass die Union angesichts dieser Werte im Panikmodus operiert, ist da nicht verwunderlich. Erst am Montag hatte Laschet im Bundesvorstand zugesagt, ein Team, fünf Kernthemen und zwei Wochen vor der Wahl ein 100-Tage-Programm vorzustellen. Begeistert vom zumindest kämpferischen Auftritt Laschets im Triell hatte der Rest des Vorstands seinen Willen zum umso entschlosseneren Wahlkampf bekundet. Dass Scholz und Baerbock eine Regierungsbeteiligung mit der Linken nicht auf Anhieb kategorisch ausschlossen, gab Laschet zusätzlich Kampagnenfutter: Für ein rot-grün-rotes Bündnis können sich nur wenige Wähler begeistern und sind, so das plausible Kalkül, vielleicht doch noch für die Union zu gewinnen.
Eilig zusammengeschustert
Wie eilig aber das Kompetenzteam zusammengeschustert wurde, zeigt sich daran, dass es bis mindestens Mittwoch noch gar nicht stand. Klepsch siezte Laschet, als begegneten sie einander zum ersten Mal. Denkbar kurzfristig wurde auch der Vorstellungstermin verkündet: 17 Stunden Vorlauf sind sportlich. Statt einer groß inszenierten Präsentation in einer zum Thema Zukunft passenden Location moderierte Laschet ganz allein im Konrad-Adenauer-Haus. Eine vorbereitete Social-Media-Kampagne gibt es nicht: Die Ladebalken, die den Event auf Instagram ankündigen, zeugen nicht von der Zukunftskompetenz der CDU. Dass die Parteizentrale unter Generalsekretär Paul Ziemiak mit ausreichend Vorlauf so etwas deutlich besser hinbekommt, hatte unter anderem der Parteitag zur Wahl des Vorsitzenden gezeigt.
Unklar bleibt zudem, welche Rolle Laschet seinen Zukunftsteam-Mitgliedern eigentlich zugedenkt. Dass Friedrich Merz in einer Bundesregierung mit Unionsbeteiligung Wirtschafts- oder Finanzminister werden soll, scheint für Merz und Laschet ausgemacht. Dem am Londoner King's College tätigen Terrorismusforscher Neumann könnte eine Beraterrolle zukommen, aber sonst? Chialos Einzug in den Bundestag steht auf wackligen Beinen. Ihn sichert kein Listenplatz ab, sondern das eigene, gut gehende Musikunternehmen. Dass es Prien und Klepsch in die Bundespolitik ziehen soll, scheint fraglich. Laschet beschreibt Prien als künftiges "Scharnier" zwischen dem Bund und den Ländern, deren Hoheitssache Bildung ist.
Laschet zielt auf Scholz
Die "Erststimmenkönigin" Breher und Jung fielen am nächsten Kabinettstisch auch eher in die Kategorie "Überraschung" - zumal in einem Dreierbündnis für jeden Beteiligten weniger Ressorts abfallen. Das gilt erst recht für die CDU, die auch die CSU mit Kabinettssitzen versorgen muss. Fraglich, ob sich die machtbewussten Bayern mit einer Ministerin für Innovation und Transformation, namens Doro Bär allein zufriedengeben. Dieses Ministerium stellt Bär in ihrer kurzen Rede nämlich in Aussicht. So ein Posten war vielleicht auch ein Argument Laschets, damit die einstige Unterstützerin von Markus Söder als künftigen Kanzler nun für Laschet wirbt. In München machte CSU-Chef Markus Söder bereits klar, dass dieses Team keine Vorwegnahme eines künftigen Kabinetts ist.
Dass die Teampräsentation als direkte Antwort auf den enteilten Konkurrenten zu verstehen ist, macht Laschet selbst deutlich: "Ich freue mich vor allem darauf, in den nächsten Tagen mal zu sehen, welche Persönlichkeiten denn die SPD aufzubieten hat", sagt Laschet am Ende der Vorstellungsrunde. Seit Wochen verweist die Union darauf, dass die Sozialdemokraten deutlich linkere Führungsfiguren wie Saskia Esken und Kevin Kühnert hinter Scholz verstecken würden. Unabhängig davon, ob das stimmt: Laschets Problem ist, dass Scholz derzeit gar kein Team um sich braucht, um die Wähler zu überzeugen. Welche Zugkraft die fraglos interessanten, aber bis auf Merz und Bär weitgehend unbekannten Zukunftsteammitglieder auf den letzten Metern entfalten, wird sich zeigen.
Quelle: ntv.de