Lockerung wäre "fehl am Platz" Lauterbach sagt nun doch PCR-Tests für jeden zu
08.02.2022, 13:22 Uhr
Lauterbach hofft auf Lockerungen vor Ostern.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Reichen sie, reichen sie nicht? Nachdem der Zugang zu PCR-Tests eingeschränkt werden sollte, ändert der Bundesgesundheitsminister seine Position erneut. Debatten über Lockerungen der Corona-Maßnahmen kämen zu früh. RKI-Chef Wieler genieße sein Vertrauen, kontert Lauterbach FDP-Kritik.
Entgegen bisheriger Planungen soll es nun doch dabei bleiben, dass Bürger nach einem positiven Corona-Schnelltest auch Anspruch auf eine PCR-Nachtestung haben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler auf Nachfrage von ntv.de von einer "Veränderung der Position". Neuen Modellierungen zufolge reiche die vorhandene Kapazität an PCR-Tests doch aus, solange eine tägliche Zahl von 450.000 Corona-Neuinfektionen nicht überschritten würde. "Und ich glaube, dass wir das nicht erreichen werden."
In einem Entwurf für eine Änderung der Corona-Testverordnung, der vor wenigen Tagen bekannt wurde, war noch geplant, den Anspruch auf Nachtestung nach positivem Selbst- oder Schnelltest an einer Teststation zunächst auszusetzen. Damit wären aber auch Erkrankte schwerer an einen Genesenennachweis gekommen. Hintergrund für die Änderung waren Meldungen über knapper werdende PCR-Test-Kapazitäten.
Es bleibt aber nach Lauterbachs Angaben dabei, dass Labore künftig Proben von Risikogruppen, Beschäftigten in Kliniken, Praxen, in der Pflege und in Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung vorrangig untersuchen sollen. Andere Proben rücken damit nach hinten, sodass es mit den Ergebnissen möglicherweise länger dauern könnte. Die Änderung der Testverordnung ist dem Gesundheitsminister zufolge noch in dieser Woche geplant.
Öffnungsdebatten zu früh?
Forderungen nach einer Lockerung der Corona-Beschränkungen erteilte Lauterbach eine klare Absage. Er rechne weiterhin mit einem Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte dieses Monats. "Wir können breite Lockerungen, wie sie derzeit diskutiert werden, zum jetzigen Zeitpunkt nicht vertreten." Die Diskussion sei fehl am Platz, schnelle Öffnungen könnten die Welle deutlich verlängern. Lauterbach warnte, eine "funktionierende, erfolgreiche Strategie" ohne Not zu gefährden, könne nicht das Ziel sein. Er bekräftige seine Einschätzung, dass es aber mittelfristig Lockerungen geben könne: "Wir werden natürlich deutlich vor Ostern öffnen können."
Trotz sehr hoher Corona-Infektionszahlen in Deutschland sprach auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, von positiven Entwicklungen. "Ich bin optimistisch, dass wir die Omikron-Welle bald überstanden haben, auch wenn der Höhepunkt der Welle noch nicht erreicht ist", sagte Wieler. Im Vergleich zur Vorgängervariante Delta erkranke bei Omikron ein geringerer Anteil von Infizierten schwer, sagte Wieler. Es gebe zwar einen Anstieg bei den Krankenhausaufnahmen, dieser sei aber vergleichsweise gering. In den vergangenen sieben Tagen seien 1,2 Millionen Sars-CoV-2-Fälle ans RKI übermittelt worden, das seien rund zehn Prozent aller in der Pandemie registrierten Fälle.
Für Entwarnung ist es laut RKI-Chef aber zu früh: Bisher infizierten sich vor allem Jüngere, bei den Älteren stiegen die Inzidenzen erst allmählich. Sorge bereite weiterhin die hohe Zahl an Ungeimpften bei Menschen über 60 Jahren. Wieler rief zum Verlangsamen der Ansteckungen auf, um gefährdete Gruppen und die kritische Infrastruktur zu schützen. "In wenigen Wochen haben wir die Omikron-Welle überstanden. Bleiben wir ruhig und achtsam und aufmerksam. Und dann können wir uns entspannt auf Ostern freuen", sagte er
Rückendeckung für Wieler
Forderungen aus den Reihen der im Bund mitregierenden FDP, Wieler abzusetzen, lehnte Lauterbach erneut ab. "Herr Wieler hat mein volles Vertrauen", sagte der SPD-Minister. "Die FDP: Das lasse ich unkommentiert." Entscheidend sei, "dass wir gut zusammenarbeiten"; der erneute gemeinsame Auftritt sei daher "eine Demonstration dieser Zusammenarbeit". Auch Wieler nahm die Kritik an seiner Person sportlich: "Ich habe heute Geburtstag und ich habe das Glück, heute mit Ihnen zusammen meinen 61. Geburtstag zu verbringen", sagte Wieler in Richtung der versammelten Pressevertreter. "Was kann es denn Angenehmeres geben? Wir sind uns doch so sehr ans Herz gewachsen."
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hatte zuvor in der Sendung "RTL Direkt" Kritik aus seiner Partei am Beschluss des Robert-Koch-Instituts zur Verkürzung des Genesenenstatus bekräftigt und so den Druck auf Wieler erhöht. Er habe "große Zweifel" an dieser - ebenso unangekündigten wie überraschenden - Entscheidung, sagte Lindner am Montagabend. Vor Lindner hatte der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im "Spiegel" den RKI-Chef persönlich kritisiert: "Des Vertrauens der FDP kann sich Herr Wieler aber aufgrund dieser neuerlichen Verfehlung, die ja leider keinen Einzelfall darstellt, nicht mehr sicher sein."
Quelle: ntv.de, shu/dpa/AFP/DJ