Politik

EU putzt die Platte Le Corbusier ist pass

Schluss mit menschenfeindlichen Stadtvierteln in Europa: Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union haben die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Strategie gegen heruntergekommene Plattenbausiedlungen, verwaiste Gewerbegebiete und Verkehrsinfarkte vereinbart. Die 27 zuständigen Minister nahmen die "Charta von Leipzig" für eine bessere Stadtentwicklung an. "Unsere Städte haben enorme Herausforderungen zu bewältigen", sagte Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD), Gastgeber der informellen Ministerrunde in Leipzig. Der Deutsche Landkreistag warnte vor einer Vernachlässigung des ländlichen Raums.

Die Charta läutet eine neue Ära in Europas Städtebaupolitik ein. "Wohnen, Arbeiten und Freizeit müssen sich in den Städten wieder stärker miteinander vermischen", sagte Tiefensee, der als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft das Sondertreffen leitete. Die Zeiten einzelner Wohn- und Geschäftsviertel, überdimensionierter Einkaufszentren und großer Verkehrsflächen seien vorbei.

In seiner "Charta von Athen" hatte der Architekt Le Corbusier 1943 für getrennte Wohn-, Arbeits- oder Freizeit-Zonen plädiert. Das Konzept wird für viele Bausünden der Nachkriegszeit verantwortlich gemacht. Mit ihrer "Charta von Leipzig" will die EU auch die Probleme der alternden Gesellschaft, der Abwanderung, der Umwandlung von Industriebrachen oder der Jugendarbeitslosigkeit lösen. Die Politik müsse auch auf die "Renaissance der Stadtzentren" reagieren, sagte Tiefensee. "Die Familien kehren vom Stadtrand und der grünen Wiese in die Innenstädte zurück", sagte Leipzigs einstiger Oberbürgermeister. "Das ist eine gute Entwicklung, die wir weiter stärken müssen."

Viele drängende Probleme

Nach Angaben der EU-Kommission leben 60 Prozent der Europäer in Städten. EU-Regionalkommissarin Danuta Hübner forderte ein langfristiges Engagement der Politik. "Städte sind die Motoren für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, für Innovation und nachhaltige Arbeitsplätze", sagte Hübner. Es gebe aber viele drängende Probleme, darunter die Ausgrenzung benachteiligter Viertel oder das Verkommen von Infrastruktur.

"Es gibt eine Vielfalt von Aufgaben", sagte der polnische Bauminister Andrzej Aumiller. Besonders in den neuen Mitgliedstaaten müsse die Politik die historische Bausubstanz bewahren. Auch die Zersiedelung der Böden müsse eingedämmt werden. Der portugiesische Umweltminister Francisco Correia forderte, die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Regierungsebenen zu verbessern. "Das Internet darf echten Austausch nicht ersetzen."

Keine verbindlichen Ziele

Rechtliche verbindliche Ziele enthält die "Charta" nicht. Die Leipziger EU-Abgeordnete Gisela Kallenbach sprach von einem "Schritt in die richtige Richtung". "Der Nachweis im politischen Handeln steht noch aus." Der Landkreistag übte scharfe Kritik. "Ländliche Räume müssen für die Menschen attraktiv bleiben und dürfen nicht unter die Räder kommen", warnte Präsident Hans Jörg Duppr.

Quelle: ntv.de

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