Syrienkonferenz tagt in Paris Leichen in Dauerschleife
06.07.2012, 16:03 Uhr
Frankreichs Staatspräsident François Hollande wurde von allen Seiten umworben.
(Foto: dpa)
Als der französische Präsident Hollande die Syrienkonferenz besucht, findet er sich zwischen den Stühlen wieder. Die Syrer sind tief zerstritten: Sie fordern schnelle Maßnahmen, sind sich aber nicht einig, welche das sein sollen. Und dann ist da noch das Problem mit Russland.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle war in Moskau mit seiner Diplomatie abgeblitzt. US-Kollegin Hillary Clinton teilt die deutsche Position.
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So einfach ist es gar nicht, ins "Haus des syrischen Volkes" zu kommen. Für Normalsterbliche ist die Ausstellung, die eigens für die Konferenz der Syrien-"Freundesgruppe" in Paris zusammengestellt wurde, ohnehin gesperrt. Aber auch alle anderen müssen mehrere Kontrollen über sich ergehen lassen. Außer man heißt François Hollande. Dafür bekommt der französische Präsident dann aber eine Lektion, was die syrische Opposition vom Rest der Welt so alles erwartet.
Zwischen "Verhaftet den Mörder"-T-Shirts, die Machthaber Baschar al-Assad schon hinter Gittern zeigen, und einem Großbildschirm, auf dem in einer Dauerschleife Videos mit Leichen laufen, wird Hollande bei seinem kurzen Rundgang als Gastgeber der Konferenz mit den verschiedensten Forderungen konfrontiert – von mehr humanitärer Hilfe über weitere Wirtschaftssanktionen gegen das Assad-Regime bis hin zu militärischer Unterstützung. Ein junger Syrer mit Halstuch in den Landesfarben fasst die Grundstimmung später ganz gut zusammen: "Konferenzen und Erklärungen gibt es jetzt schon genug. Aber bei uns zuhause dauern die Massaker an. Wir brauchen jetzt einen konkreten Plan, wie es weitergeht."
Schweigeminute für 16.000 Tote
Der Unmut über die aktuelle Entwicklung wird im großen Konferenzraum von den meisten Mitgliedern der "Freundesgruppe" durchaus geteilt. Aber über Reden kommt man hier in Paris nicht hinaus. Einig ist man sich während der bewegenden Schweigeminute, in der den mutmaßlich schon mehr als 16.000 Toten gedacht wird. In der Abschlusserklärung, auf die man sich schon im Vorfeld geeinigt hatte, fordern die 107 Staaten und Organisationen, den Druck auf Assad weiter zu erhöhen. "Dringend" wird ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen angemahnt, um Maßnahmen nach Artikel 41 durchzusetzen. Damit könnten – unter Ausschluss von Waffengewalt – weltweit gültige Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt werden.
Angesichts des Widerstands der beiden Veto-Mächte Russland und China hat das Vorhaben bislang jedoch keine Chancen. Beide Sicherheitsratsmitglieder verzichteten darauf, in Paris zu erscheinen. Alle Versuche, sie zum Einlenken zu bewegen, blieben bislang ohne Erfolg. Bundesaußenminister Guido Westerwelle stand der Ärger über die Abfuhr, die er sich am Tag zuvor in Moskau eingehandelt hatte, noch ins Gesicht geschrieben. Groß ist in der deutschen Delegation vor allem der Groll über Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich irritiert. Der Vertraute von Kreml-Chef Wladimir Putin hatte aus vertraulichen Regierungsgesprächen berichtet, indem er ausplauderte, dass Merkel bei Putins jüngstem Berlin-Besuch Möglichkeiten für ein Exil Assads in Russland auslotete. Und dies tat er dann auch noch als "Witz" ab.
Russland an der Seitenlinie
Aber auch bei einigen anderen Ländern wächst der Ärger über die Blockade-Haltung Russlands. Hollande forderte Moskau und Peking ziemlich unverblümt auf, Assad fallen zu lassen. "Wer das so verachtenswerte Assad-Regime unterstützt, um Chaos zu verhindern, dem sage ich: Sie werden das verachtenswerteste Regime bekommen und das Chaos dazu." US-Außenministerin Hillary Clinton warnte beide ebenfalls davor, weiterhin "an der Seitenlinie zu stehen". Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister William Hague.
Die "Freundesgruppe" nutzte ihre inzwischen dritte Konferenz jedoch auch dazu, der syrischen Opposition ins Gewissen zu reden, die seit Monaten ein Bild der Zerrissenheit bietet. Als "glaubwürdige Alternative" zum gegenwärtigen Regime werde jetzt eine "geeinte Front" gebraucht, die sich über ihre Ziele einig sei. Daran gibt es international schon länger erhebliche Zweifel.
Quelle: ntv.de, dpa