Hartz-Kommission verrät Internas Leistungskürzungen vom Tisch
16.07.2002, 19:12 UhrDie ursprünglichen Pläne der Hartz-Kommission, Abstriche bei den Lohnersatzleistungen für Arbeitslose vorzunehmen, sind offenbar vom Tisch. Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) sagte nach einer Sitzung des Gremiums, die diskutierten Einschnitte spielten "keine Rolle mehr". Der Vorsitzende der Kommission, VW-Manager Peter Hartz, wollte dies zwar nicht direkt bestätigen, erklärte jedoch: "Wir sind eine Gestaltungskommission und keine Kürzungskommission."
Damit ist ein zentraler Kritikpunkt der Gewerkschaften an den Vorschlägen zur Arbeitsmarktreform aus dem Weg geräumt. Schartau betonte, die Kommission habe klar gestellt, dass nicht Leistungskürzungen, sondern der Abbau der Arbeitslosigkeit im Vordergrund stünde. Hartz hatte eine Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate und eine Begrenzung der bisher unbefristeten Arbeitslosenhilfe auf ebenfalls ein Jahr angeregt.
Auch der Oberbürgermeister von Leipzig, Wolfgang Tiefensee (SPD), räumte den Plänen für Leistungskürzungen keine Chance mehr ein. Die Kommunen hatten im Falle von Einschnitten bei der vom Bund finanzierten Arbeitslosenhilfe vor steigenden Sozialhilfe-Ausgaben gewarnt. "Erwerbsfähige Arbeitslose gehören in die Verantwortung der Bundesanstalt (für Arbeit)", betonte Tiefensee.
Verschärfte Zumutbarkeitsregeln
Die Kommission verständigte sich nach Angaben von Tiefensee zudem auf eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose bei der Job-Suche. So sollten etwa Alleinstehende ohne Kinder künftig verpflichtet werden, für einen neuen Arbeitsplatz bundesweit umzuziehen. Hartz sagte, die Zumutbarkeit werde "geographisch, materiell, funktional und sozial" neu geregelt. Einem Single könne mehr Flexibilität zugemutet werden als etwa einem Familienvater mit einer kranken Frau.
Zum Abbau der Arbeitslosigkeit im Osten werde es einen im wesentlichen steuerfinanzierten Investitionsfonds geben, sagte Tiefensee. Dieser solle sich aus Einsparungen bei der Arbeitslosenhilfe speisen. Zusätzliches Kapital zum Aufbau von Arbeitsplätzen solle hingegen nicht aufgewandt werden.
"Wir kommen sehr gut voran", bekräftigte Hartz. Er sei sehr zuversichtlich, dass die Kommission wie geplant am 16. August gemeinsam mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein Maßnahmenpaket vorlegen könne.
Schröder für schnelle Umsetzung
Schröder kündigte an, er wolle die Vorschläge der Kommission unverzüglich umsetzen. In der "Bild "-Zeitung schrieb Schröder auf eine entsprechende Leserfrage: "Die Ergebnisse der Hartz-Kommission zur Strukturreform auf dem Arbeitsmarkt werden wir sofort umsetzen. Wir geben dem Wirtschaftswachstum neue Impulse. Aber nicht durch unverantwortliche Schuldenmacherei wie bei CDU und CSU, sondern durch solide finanzierte Investitionen für Verkehr, Bildung, Forschung und die Erneuerung der Städte, vor allem in Ostdeutschland. Und wir stärken die Kaufkraft der Verbraucher durch weitere Steuersenkungen und niedrige Inflation."
Der Kanzler räumte allerdings ein, dass eine deutliche Senkung der Arbeitslosigkeit länger als geplant dauern wird: "Der Abbau der Arbeitslosigkeit ist nicht von heute auf morgen zu schaffen. Aber wir sind auf dem richtigen Weg."
FDP für mehr Tempo
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, Dirk Niebel, forderte ein noch schnelleres Tempo bei der Realisierung von Maßnahmen. Die Liberalen seien zu einer Sondersitzung des Bundestags hierfür bereit. Auch Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch kritisierte in der Tageszeitung "Die Welt", Schröder habe bei der Reform des Arbeitsmarktes zu lange gezaudert. Das Hartz-Konzept komme "spät, aber nicht zu spät".
Quelle: ntv.de