Politik

"Balkanroute ist nicht die einzige" Libyen rückt auf der Flüchtlings-Agenda hoch

Aus Seenot gerettete Flüchtlinge warten in Libyen.

Aus Seenot gerettete Flüchtlinge warten in Libyen.

(Foto: dpa)

Mit der Schließung der Balkanroute sinkt die Zahl der nach Norden ziehenden Migranten. Als Fluchtweg gewinnt nun erneut die Verbindung von Libyen nach Italien an Bedeutung. Und Bundeskanzlerin Merkel hat dazu schon einen Plan.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat vor einem erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen Richtung Italien und Nordeuropa gewarnt. "Wir müssen uns daran erinnern, dass die Balkanroute nicht die einzige Route ist", sagte er vor dem EU-Parlament in Straßburg. Die Zahl an Migranten in Libyen sei "alarmierend" und die Lage auf der Route "besorgniserregend". Deshalb müsse die EU solidarisch gegenüber den Mitgliedsländern Malta und Italien sein, wenn diese darum bäten. "Wir können die Lösungen in Griechenland nicht einfach übertragen, vor allem, weil Libyen nicht die Türkei ist", mahnte Tusk mit Blick auf das Abkommen der EU mit Ankara. Etwas anders klingt dies derweil bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Tusk bereitet das Parlament auf Anfragen von EU-Mitgliedern vor.

Tusk bereitet das Parlament auf Anfragen von EU-Mitgliedern vor.

(Foto: dpa)

Zugleich verteidigte er das Abkommen gegen Kritik: "Es ist eine gefährliche Illusion zu glauben, dass es eine ideale und hundertprozentig effektive Lösung gibt", sagte der EU-Ratspräsident. "Das Abkommen mit der Türkei ist nicht perfekt, und wir sind uns seiner Risiken und Schwächen bewusst", sagte er weiter. Es trage aber dazu bei, den Zusammenbruch des Schengen-Systems zu verhindern. Und in der Flüchtlingsfrage gebe es "keinen heiligen Gral" und keine hundertprozentigen Lösungen. "Um wahre Europäer zu sein, müssen wir offen und tolerant sein und zugleich hart und effektiv." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, das Abkommen sei wegen mangelnder Solidarität innerhalb der EU nötig gewesen. Es gebe mehr als genug Themen, bei denen die EU und die Türkei unterschiedlicher Meinung seien.

Bundeskanzlerin Merkel hatte zuletzt mehrfach für eine ähnliche Kooperation mit Libyen wie mit der Türkei geworben - jüngst erst mein Landesparteitag der Berliner CDU. "Wir haben jetzt vor uns die Aufgabe, mit Libyen eine solche Kooperation hinzukriegen", sagte sie. "Und von der Frage, ob es uns gelingt, mit Libyen auch vernünftige Vereinbarungen zu treffen, wird abhängen, wie es uns gelingt, die Flüchtlingsroute nach Italien zu ordnen und zu steuern, wie wir es mit der Türkei gemacht haben."

Hunderttausende warten auf Überfahrt

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte vor wenigen Tagen gesagt, dass er mit einem großen Andrang von Flüchtlingen aus Afrika rechne. Die von Entwicklungsminister Gerd Müller genannte Zahl von bis zu 200.000 Afrikanern aus Staaten südlich der Sahara, die in Libyen auf ihre Überfahrt nach Europa warten, halte er noch "eher für zu niedrig".

Libyen versinkt seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi 2011 im Chaos. Unter Vermittlung der UN war eine Einheitsregierung gebildet worden, die sich seit Ende März in der Hauptstadt Tripolis aufhält. Doch dort und in weiten Teilen des Landes haben noch immer konkurrierende Milizen die Kontrolle. Kommende Woche befassen sich die Außen- und Verteidigungsminister der EU in Luxemburg mit der Lage in dem nordafrikanischen Land.

Vergangenes Jahr waren die Flüchtlinge größtenteils über Griechenland in die EU gekommen. In den Jahren zuvor hatten die meisten Migranten die wesentlich längere und gefährlichere Fahrt über das Mittelmeer Richtung Italien gewählt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es über 16.000 Migranten, 6000 mehr als im selben Zeitraum vor einem Jahr. Für die kommenden Monate wird ein weiterer Anstieg erwartet, wenn bessere Wetterbedingungen auf eine leichtere Überfahrt hoffen lassen.

Quelle: ntv.de, jwu/rts

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