Interview mit Lindner-Nachfolger Lieber Laschet - oder doch mit Kraft?
13.05.2017, 13:08 Uhr
Wollen in NRW drittstärkste Kraft werden: Christian Lindner und Joachim Stamp.
(Foto: picture alliance / Caroline Seid)
Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen könnte die FDP zum Königsmacher werden. Fraktionsvize Joachim Stamp spricht im Interview über seine Erfahrungen mit Jamaika, ein mögliches Bündnis mit der SPD und sein Verhältnis zu Hannelore Kraft.
n-tv.de: Vor einigen Wochen lag die SPD in Umfragen mehr als zehn Prozentpunkte vorn. In den neuesten Prognosen führt plötzlich die CDU. Wie erklären Sie sich, dass es plötzlich wieder so knapp ist?

Joachim Stamp sitzt im FDP-Bundesvorstand. Bisher war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag und Stellvertreter von Christian Lindner. Nach dessen geplantem Wechsel nach Berlin soll Stamp in Düsseldorf dessen Rolle übernehmen.
(Foto: picture alliance / Federico Gamb)
Joachim Stamp: Durch den kurzen Hype um Martin Schulz ist für eine Zeit der Blick auf die Regierungsbilanz von Hannelore Kraft verloren gegangen. Nachdem der Schulz-Effekt wie ein Soufflé zusammengefallen ist, ist der Blick auch wieder frei auf die schlechten Wachstumszahlen, die hohe Einbruchskriminalität, die schlechten Ergebnisse in der Bildungspolitik und den Massenstau in Nordrhein-Westfalen. Wenn sogar die "Heute Show" von Nordrhein-Katastrophalen spricht, befördert das die Wechselstimmung.
Die Regierungsbildung könnte in NRW schwierig werden. War es rückblickend ein Fehler, dass die Parteien einige Optionen wie die Ampel, Jamaika und Rot-Rot-Grün ausgeschlossen haben?
Nein. Wir haben die Ampel ausgeschlossen, weil wir Rot-Grün nicht verlängern wollen. Beim Eintritt in ein solches Bündnis, das seit sieben Jahren Fehlentscheidungen für NRW trifft, wäre kein echter Politikwechsel möglich. Ich bin vorsichtig, was die Umfragen angeht. Wir haben vor Wahlen schon oft über Dreierbündnisse diskutiert und am Ende waren doch Zweierkonstellationen möglich. Ich halte Schwarz-Gelb beispielsweise durchaus für denkbar.
Ist das Ihre Wunschkoalition?
Mit der CDU gibt es die meisten inhaltlichen Überschneidungen, wobei es da keinen Automatismus gibt. Die Lehre aus der Vergangenheit ist: Wir müssen Koalitionsverträge so verhandeln, dass unsere Kerninhalte durchgesetzt werden.
Christian Lindner will nach der Bundestagswahl nach Berlin wechseln. Sie waren bisher stellvertretender Fraktionsvorsitzender und werden dann im Düsseldorfer Landtag eine wichtigere Rolle spielen. Wie verstehen Sie sich eigentlich mit Hannelore Kraft?
Man geht freundlich miteinander um, aber ich habe eine klare Haltung zu ihrer Politik. Hannelore Kraft hat das Land mit den Grünen gefesselt und die Bildungslandschaft massiv geschwächt. In einer Plenarsitzung hat sie mich neulich von der Regierungsbank aus beleidigt. Das trägt nicht gerade zum besten Verhältnis bei.
In der SPD gibt es Sympathien für eine sozialliberale Koalition. Wie gut können Sie sich so ein Bündnis vorstellen?
Ich kann mir das kaum vorstellen, weil die Schnittmengen sehr gering sind. Unser Ziel ist es, so stark wie möglich zu werden, damit wir entweder aus dieser Position heraus ein starkes Verhandlungsmandat für eine Regierungsbildung haben oder wir als Oppositionsführer die Große Koalition und vor allem die CDU treiben. Ich gehe davon aus, dass CDU und SPD die Regierung bilden. Ob diese von Hannelore Kraft oder Armin Laschet angeführt wird, wäre für die Politik dann relativ egal.
Trotzdem ist ein Bündnis mit der SPD denkbar?
Es wäre nicht hilfreich, wenn alle Parteien von vorneherein sagen, dass sie nicht mehr miteinander koalieren. Wir denken aber nicht in Koalitionen, sondern in Politikinhalten. Wir haben auf unserem Landesparteitag zehn Punkte formuliert, die uns wichtig sind und die wir durchsetzen wollen.
Können Sie kurz die drei Dinge benennen, die Ihnen inhaltlich am wichtigsten sind?
Beste Bildung schon von den Kleinsten an mit flexiblen Betreuungsmöglichkeiten und hervorragenden Schulen, deren Vielfalt gesichert ist. Dazu gehört auch eine Stärkung mittlerer Bildungsabschlüsse. Abitur für alle ist kein vernünftiges Ziel. Wir wollen zudem eine Unterrichtsgarantie, ein Modernisierungsprogramm für digitale Bildung und eine Korrektur bei der Inklusion, indem wir die Förderschulen erhalten. Für den Wirtschaftsstandort NRW brauchen wir schnellstmöglich ein Entfesselungsgesetz und eine umfassende Entlastung von Bürokratie. Und wir wollen NRW vom Verkehrschaos befreien.
Nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein und vielleicht auch nach der Bundestagswahl im September steht die FDP vor der Wahl zwischen einer CDU-geführten Jamaika- und einer SPD-geführten Ampel-Koalition. Welche Konstellation ist Ihnen lieber?
Es geht nicht um einzelne Personen oder Dienstwagen, sondern die Inhalte müssen stimmen. Wir müssen das, was wir vor der Wahl angekündigt haben, durchsetzen können. Grundsätzlich haben wir größere Schnittmengen mit der Union.
Sie sitzen für die FDP auch im Rat der Stadt Bonn. Dort gibt es eine Jamaika-Koalition. Wie sind Ihre Erfahrungen dort?
Es funktioniert, ist aber sehr schwierig. Der Bonner Kreisverband der Grünen ist ähnlich wie auch der Landesverband NRW eher links orientiert. Das sind keine Leute wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, sondern eher wie Claudia Roth und noch weiter links. Das macht die Kooperation manchmal nicht einfach.
Mit Joachim Stamp sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de