Politik

Wille zur Versöhnung Lob für Türkei-Armenien-Vertrag

Mit der Vereinbarung, wieder diplomatische Beziehungen miteinander aufnehmen zu wollen, wollen die Türkei und Armenien den Weg der Versöhnung einschlagen. Kritik kommt jedoch aus der Opposition beider Länder, und auch Aserbaidschan sieht seine Interessen gefährdet.

Die beiden Außenminister Armeniens und der Türkei, Edouard Nalbandian und Ahmet Davutoglu, bei der Unterzeichnung des Protokolls.

Die beiden Außenminister Armeniens und der Türkei, Edouard Nalbandian und Ahmet Davutoglu, bei der Unterzeichnung des Protokolls.

(Foto: dpa)

Die türkisch-armenischen Protokolle zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen sind international auf breite Zustimmung gestoßen. Das sei ein "mutiger und weitsichtiger Schritt hin zu Stabilität und Frieden in der Region des Südkaukasus und eine wahrhaftig historische Entscheidung", teilten die beiden EU-Kommissare Benita Ferrero-Waldner (Außenbeziehungen) und Olli Rehn (Erweiterung) in Brüssel mit. Auch die USA sprachen von einem "historischen Abkommen".

Die schwedische EU-Präsidentschaft erklärte, dass Armenien und die Türkei mit ihrem Abkommen "ein gutes Vorbild für die ganze Region" seien. Die Außenminister beider Länder, die seit Jahren miteinander verfeindet sind, hatten am Samstag in Zürich mit der Unterzeichnung zweier Protokolle einen Kurs der Versöhnung eingeschlagen. Die Annäherung erfolgte jedoch auch durch diplomatischen Druck der USA und der EU. Die Türkei bemüht sich um eine Aufnahme in die EU.

Abkommen widerspricht Aserbaidschans Interessen

Das Abkommen besteht aus zwei Verträgen, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Wiedereröffnung der Grenze zwischen beiden Ländern vorsehen. Vage wird außerdem die Grundlage für weitere Gespräche gelegt. Die Zeremonie fand in Zürich statt, da die Schweiz die Vereinbarungen vermittelt hatte. Die Türkei hatte nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik Armenien im Jahr 1991 keine Beziehungen zu dem Land aufgenommen. Grund ist vor allem der Streit um die Massaker an Armeniern zur Zeit des Osmanischen Reiches. Armenien sieht darin einen Völkermord, während die Türkei auf die Zeitumstände des Ersten Weltkriegs verweist.

Kritik an dem Abkommen kam jedoch aus Aserbaidschan. Armenien und Aserbaidschan streiten um die Kaukasus-Enklave Berg-Karabach, die auf aserbaidschanischem Gebiet liegt, jedoch überwiegend von Armeniern bewohnt wird. Eine Annäherung zwischen der Türkei und Armenien vor einem Abzug armenischer Truppen aus den besetzten Gebieten stehe deshalb im Widerspruch zu den Interessen Aserbaidschans, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Baku. Das belaste die Beziehungen zu Ankara.

Türkei setzt Armenien unter Druck

Zudem könne die einseitige Öffnung der türkisch-armenischen Grenze eine Gefahr für Frieden und Sicherheit in der Region darstellen, hieß es aus Baku. Die Türkei, ein Partner Aserbaidschans, hatte wegen des Streits um die Region 1993 die Grenze zu Armenien geschlossen und sämtliche Beziehungen zu dem Land abgebrochen. Seit 1994 steht die umstrittene Enklave unter armenischer Kontrolle.

Kurz nach der Unterzeichung des Abkommens setzte die Türkei Armenien unter Druck. Die Türkei werde sich nicht auf Armenien zubewegen, solange das Nachbarland seine Truppen nicht aus Aserbaidschan abgezogen habe, sagte der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Wenn dieses Thema vom Tisch sei, werde die Bevölkerung und das Parlament der Türkei den Protokollen wesentlich positiver gegenüberstehen, erklärte Erdogan auf einem Parteikongress.

Oppositionsparteien kritisieren Abkommen

Auch bei den Oppositionsparteien in der Türkei und Armenien stieß das historische Abkommen auf Kritik. In der Türkei kritisierte die säkulär-nationalistische Republikanische Volkspartei (CHP), Ankara habe sich äußerem Druck gebeugt. "Das ist sehr beunruhigend für die Zukunft unseres Landes", sagte der stellvertretende Parteichef Onur Öymen im TV-Sender CNN-Türk. Die rechtsgerichtete Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) sprach von einem "schwarzen Tag" für die Türkei. Das Abkommen gefährde "die strategische Allianz mit unseren Brüdern aus Aserbaidschan", sagte Mehmet Sandir, stellvertretender MHP-Fraktionschef. Viele Türken sehen die Aserbaidschaner als enge Verwandte an.

Wegen des Massakers ist das Abkommen auch in Armenien sehr umstritten. Die dortige oppositionelle Partei des Kulturerbes warnte vor "großen Risiken" für das Land. Mit dem Abkommen beginne für Armenien eine "Zeit großer Unsicherheit", sagte ein führendes Parteimitglied, Stepan Safarian. Die Gegner des Abkommens nehmen der Regierung besonders übel, dass sie der Bildung einer Kommission zugestimmt hat, die die schwierige gemeinsame Geschichte der beiden Länder aufarbeiten soll. Sie befürchten, dass die Türkei dabei die Massaker in Zweifel ziehen könnte. Präsident Sersch Sarkissjan wandte sich jedoch nochmals in einer Rede an die Nation an seine Landsleute. Dabei betonte er, dass es "keine Alternative" zur Aussöhnung gebe.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte noch zwischen der Türkei und Armenien vermittelt, nachdem es buchstäblich in letzter Minute zu Unstimmigkeiten wegen der Absprachen gekommen war. An der Zeremonie in der Universität Zürich nahmen neben Clinton die Außenminister aus Russland und Frankreich, Sergej Lawrow und Bernard Kouchner, teil. Auch EU- Chefdiplomat Javier Solana war anwesend. Unterzeichnet wurden die Protokolle durch die Außenamtschefs Eduard Nalbandian aus Armenien und seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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