Politik

Der Kriegstag im Überblick London: Vermehrt Explosionen hinter russischen Linien - Moskau wirft EU "Nazi-Politik" vor

Ukrainischen Angaben zufolge sind bei Angriffen in Donezk innerhalb eines Tages sieben Zivilisten getötet worden.

Ukrainischen Angaben zufolge sind bei Angriffen in Donezk innerhalb eines Tages sieben Zivilisten getötet worden.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Kiew zufolge hat Russland Wohnhäuser nahe des zweitgrößten AKW der Ukraine bombardiert. Bei dem Anschlag sterben unter anderem drei Kinder. Moskau wirft Kiew derweil vor, russische Soldaten vergiftet und einen Mordanschlag auf den Bürgermeister in Mariupol verübt zu haben. UN-Generalsekretär Guterres besucht das Getreide-Kontrollzentrum in Istanbul und zeigt sich nur teilweise zufrieden. Der 178. Kriegstag im Überblick.

Kiew meldet Angriffe auf Zivilisten - auch nahe AKW

Der Generalstab in Kiew hat mitgeteilt, Russland habe bei neuen Raketen- und Artillerieangriffen in der Ukraine auch Zivilisten und nicht-militärische Infrastruktur beschossen. Im Gebiet Donezk seien innerhalb von 24 Stunden 7 Zivilisten getötet und weitere 13 verletzt worden: "Das Gebiet hat kein Gas, teils kein Wasser und keinen Strom. Die Evakuierung der Bevölkerung wird fortgesetzt." Vielerorts seien die russischen Angriffe jedoch erfolgreich abgewehrt worden, hieß es.

Auch im Süden der Ukraine wurden bei einem Bombenangriff nahe dem zweitgrößten Atomkraftwerk des Landes zwölf Menschen verletzt, darunter drei Kinder. Die Bomben hätten ein Wohngebäude und weitere Häuser in Wosnessensk in der südukrainischen Region Mykolajiw getroffen, teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft auf Telegram mit. Der russische Angriff in der 30-Kilometer-Zone um das AKW sei "ein weiterer zynischer Akt des Nuklearterrorismus", erklärte zudem der ukrainische Kraftwerksbetreiber Energoatom.

Selenskyj: Russen wollen AKW Saporischschja vom Strom abkoppeln

Auch die Lage am größten Atommeiler Europas bleibt angespannt. Das von russischen Truppen besetzte AKW Saporischschja ist nach Angaben der Besatzungsbehörden erneut von ukrainischen Streitkräften mit Artillerie beschossen worden. Kritische Objekte seien aber nicht getroffen worden, hieß es in einer von der russischen Militärverwaltung in der Stadt Enerhodar.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Moskau vor, eine "groß angelegte Provokation" am Atomkraftwerk Saporischschja zu planen. Ziel sei es, eine Abkoppelung des Kraftwerks vom ukrainischen Stromnetz zu rechtfertigen und es an das russische Stromnetz anzuschließen, sagte er in einer Videoansprache. Westliche Beamte sind laut "Guardian" unterdessen besorgt, dass Russland die Versorgung des AKW unterbrechen könnte, wenn es versucht, die Anlage vom ukrainischen Stromnetz zu trennen.

Anlässlich der Gefahr einer nuklearen Katastrophe stellten der britische Abgeordnete Tobias Ellwood und der US-Abgeordnete Adam Kinzinger klar, dass ein jeglicher absichtlicher Austritt von Radioaktivität an dem Kernkraftwerk den Artikel 5 des NATO-Vertrags in Kraft setzen würde. Er besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen Mitgliedsstaat in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen alle angesehen wird.

London: Vermehrt Explosionen hinter den russischen Linien

Dem britischen Geheimdienst zufolge geraten die russischen Invasionstruppen durch die vermehrten Explosionen hinter den eigenen Linien im Süden der Ukraine unter Druck. Zwar habe keine der beiden Seiten Vorstöße an der Frontlinie in der Region Cherson gemacht, doch die "zunehmend häufigen Explosionen hinter russischen Linien üben wohl Druck auf die russische Logistik und Luftstützpunkte im Süden aus", so die britischen Experten im täglichen Update des Verteidigungsministeriums in London zum Ukraine-Krieg. Insgesamt habe es in der vergangenen Woche nur minimale Veränderungen an den Frontverläufen gegeben.

Auch auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim kam es erneut zu einer Explosion. Nach Angaben der Behörden schlugen Trümmerteile einer abgeschossenen Drohne im Stabsgebäude der Schwarzmeerflotte ein. Die Luftabwehr der Flotte habe die Drohne getroffen, sagte der Verwaltungschef der Stadt, Michail Raswoschajew. "Sie fiel auf das Dach und brannte." Es gebe keine Verletzten. Raswoschajew machte der Ukraine für den Angriff verantwortlich.

Moskau meldet Erfolge und versuchten Mordanschlag

Das russische Verteidigungsministerium meldete hingegen Erfolge der russischen Truppen im Gebiet Charkiw. Dort seien bei Angriffen gegen ukrainische nationalistische Einheiten mehr als 100 Kämpfer getötet worden, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow. Dabei seien auch bis zu 20 US-Bürger getötet worden. Die Ukraine hatte für ausländische Soldaten eine internationale Legion gegründet.

Ebenso warf Moskau der Ukraine einen versuchten Mordanschlag auf den Bürgermeister der von Russland eingenommenen Hafenstadt Mariupol vor. Das von pro-russischen Separatisten ernannte Stadtoberhaupt Konstantin Iwaschtschenko sei gerade am Zoo von Mariupol vorbeigefahren, als eine Explosion seinen Wagen erschüttert habe, berichtete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf einen Vertreter der Polizei. Er blieb demnach jedoch unverletzt.

Das russische Verteidigungsministerium behauptete zudem, die Ukraine habe mehrere russische Soldaten im besetzten Gebiet Saporischschja vergiftet. Bei ihnen sei das Gift Botulinum-Toxin Typ B festgestellt worden. Das ukrainische Innenministerium nennt hingegen als mögliche Vergiftungsursache verdorbenes Dosenfleisch, in dem dieses Gift oft auftrete. Unter russischen Soldaten habe es zahlreiche Klagen über Fleischkonserven mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum gegeben, erklärte ein Berater des Ministeriums.

Guterres besucht Getreide-Kontrollzentrum in Istanbul

Ungeachtet der Kampfhandlungen in der Ukraine hält das Ende Juli ausgehandelte Abkommen über die Ausfuhr ukrainischen Getreides bislang. UN-Generalsekretär António Guterres das für das Abkommen eingerichtete Kontrollzentrum in Istanbul. Dort lobte er die Arbeiten rund um die Eröffnung des gesicherten Korridors für Getreide. Der Export ukrainischen Getreides sei aber nur ein Teil der Lösung. Genauso müsse russischen Nahrungs- und Düngemitteln der ungehinderte Zugang zu den weltweiten Märkten ermöglicht werden, so Guterres. "Ohne Dünger 2022 wird es 2023 vielleicht nicht genug Nahrung geben." Er forderte ein Ende der "Hindernisse" für die Ausfuhr russischer Agrarerzeugnisse und Düngemittel.

Kreml wirft EU-Ländern "Nazi-Politik" vor

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu nannte die Vorschläge für ein EU-weites Einreiseverbot von Russen in die EU "Nazi-Politik". Der Vorschlag sei eine "russophobe Idee von den höchsten europäischen Tribünen" sagte er. Immer mehr Länder schränken die Vergabe von Schengen-Visa an Russen im Alleingang ein oder setzen sie ganz aus. Dazu gehören Estland, Lettland, Litauen und Tschechien. Finnland will ab September folgen, Polen erwägt eine ähnliche Regelung.

Kiew veranstaltet "Militärparade" mit russischen Panzern

In Vorbereitung auf ihren Unabhängigkeitstag am 24. August bereitet die Ukraine eine Parade der besonderen Art vor. In der Kiewer Innenstadt wurden dafür zerstörte und erbeutete Militärfahrzeuge der russischen Truppen aufgereiht. Videos in den sozialen Medien zeigen zahlreiche Passanten, die die Kriegsbeute besichtigten und Selfies mit ihr machten.

Scholz würdigt Nawalny am Jahrestag des Giftanschlags

Fern der Ukraine in der russischen Strafkolonie 6 in Melechowo, etwa 260 Kilometer nordöstlich von Moskau, feierte der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny den zweiten Jahrestag des Giftanschlags auf ihn als einen Geburtstag. "Zum zweiten Mal feiere ich meinen zweiten Geburtstag. Den Tag, als sie mich töteten, aber ich warum auch immer nicht gestorben bin", schrieb der 46-Jährige in einem auf Instagram veröffentlichen Gruß aus dem Straflager. Bundeskanzler Olaf Scholz erinnerte an das Schicksal des prominenten russischen Oppositionellen. Der russische Krieg gegen die Ukraine habe auch Konsequenzen für Russland, so Scholz. "Freiheit und Demokratie waren schon vorher gefährdet. Aber jetzt ist die Meinungsfreiheit noch viel mehr gefährdet und viele fürchten sich, ihre eigene Meinung zu sagen."

Außerdem möchte ich Ihnen diese Beiträge zum Ukraine-Krieg ans Herz legen:

Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Live-Ticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.

Quelle: ntv.de, spl/dpa/AFP/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen