Junge Abgeordnete: Sven-Christian Kindler, Grüne "Man kann auch als junger Mensch alt sein"
13.09.2013, 18:30 Uhr
Sven-Christian Kindler ist dafür, dass Jugendliche früher wählen dürfen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sind jüngere Politiker wilder und engagierter als ältere? Wir fragen nach bei den jeweils jüngsten Mitgliedern aller Fraktionen im Bundestag. Heute: Sven-Christian Kindler. Er ist Jahrgang 1985 und seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags. Für den nächsten Bundestag kandidiert er auf Listenplatz 4 der niedersächsischen Grünen.
n-tv.de: Sind jüngere Politiker wilder, motivierter, engagierter als ältere Politiker?
Sven Kindler: Ich glaube, das kann man pauschal so gar nicht sagen. Als jüngerer Politiker hat man vielleicht andere Bezüge zu bestimmten Themen, zu Netzpolitik, zur Ausbildungssituation, Stress in der Schule, Stress im Studium. Wir sind alle mit dem Internet groß geworden, das ist eine Gemeinsamkeit, die uns von den Älteren trennt. Aber ansonsten sollte man keine Unterschiede zwischen den Generationen herbeiphilosophieren, die gar nicht da sind.
Haben Sie festgestellt, dass es fraktionsübergreifend Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und anderen jungen Abgeordneten gibt, die es zwischen Ihnen und älteren Fraktionskollegen nicht gibt?
Die Grenzen verlaufen eher zwischen den Parteien. Wenn es um Politik geht, dann habe ich deutlich größere Übereinstimmung mit meinem grünen Abgeordnetenkollegen Hans-Christian Ströbele, der 74 ist, als mit dem Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder. So gesehen kann man auch als junger Mensch sehr alt sein, und umgekehrt. Die jungen Abgeordneten von Union und FDP wollen Krankenversicherung und Rente privatisieren, die Junge Union unterstützt eine inhumane Migrationspolitik - das ist nicht meine Welt. Ich habe ein völlig anderes Menschenbild, ein völlig anderes Verständnis von Gesellschaft und Politik.
In allen Fraktionen gibt die Generation der um die oder über 60-Jährigen den Ton an. Wie sorgen Sie nach der Wahl dafür, dass Jüngere auf die wichtigen Posten kommen?
Wir haben eine gute Altersmischung in der Bundestagsfraktion, auch in der Partei. Wir hatten in dieser Wahlperiode viele jüngere Abgeordnete, die neu ins Parlament gekommen sind, und wir haben bei dieser Bundestagswahl wieder viele junge Kandidatinnen und Kandidaten auf vorderen Listenplätzen. Ich glaube auch, dass es nicht so sehr um das Alter geht, sondern darum, dass man gute Leute hat, die für grüne Ziele stehen. Ich bin nicht für einen Generationenwechsel als Selbstzweck. Das muss immer mit der richtigen Programmatik einhergehen.
Finden Sie, dass das Wahlalter heruntergesetzt werden sollte?
Ja, auf jeden Fall! Wir haben ein Wahlrecht und keine Wahlpflicht. Wenn man Leuten ein grundlegendes Recht vorenthält, muss es dafür schon sehr gute Gründe geben. Mit dem Wahlrecht kann ich mit darüber entscheiden, wie die Gesellschaft aussieht, in der ich lebe, und wohin sie sich entwickelt. Ich kenne viele junge Leute, die unter 18 oder unter 16 sind, und die trotzdem sehr politisch sind. Da verstehe ich nicht, warum die nicht wählen gehen dürfen. Wir prüfen ja auch zu Recht nicht bei über 18-Jährigen, wie gut sie informiert sind oder ob sie sich in ihrer Wahlentscheidung haben beeinflussen lassen.
Wo würden Sie die Altersgrenze einziehen?
Wir Grüne wollen das Wahlalter auf mindestens 16 Jahre senken.
Wie finden Sie die Bundeskanzlerin?
Ich streite dafür, dass diese Bundeskanzlerin endlich abgewählt wird, weil sie die schlechteste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung anführt - ein gruseliges Chaoskabinett, das für eine ganze Reihe schlimmer Entscheidungen verantwortlich ist. Schwarz-Gelb hat das Betreuungsgeld eingeführt, hat Initiativen gegen Rechts diskriminiert, steht für eine diskriminierende Integrationspolitik. Die Bundeskanzlerin hat den Klimaschutz persönlich in Brüssel vor die Wand fahren lassen, sie blockiert bewusst die erneuerbare Energiewende, um die großen Atom- und Kohlekonzerne zu schützen. Wir stecken immer noch in der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, und diese Bundeskanzlerin täuscht Aktivitäten nur vor, indem sie oberflächlich Themen wie Bankenregulierung, Mindestlohn, Frauenquote oder Missbrauch von Werkverträgen besetzt. Aber im Kern hat Angela Merkel nichts gemacht, sondern sie verteidigt und forciert in der Realität den neoliberalen Status quo. Es gibt keine Finanzmarktregulierung, da hat Schwarz-Gelb alles blockiert, was in Brüssel auf dem Tisch lag. Auch bei der Regulierung des Niedriglohnbereichs hat die Koalition von Angela Merkel alle sozialen Initiativen im Bundestag abgelehnt.
Wie finden Sie den Kanzlerkandidaten der SPD?
Peer Steinbrück ist klarer und vertritt als SPD-Kanzlerkandidat auch eine sozialere Politik als Angela Merkel. Regulierung der Finanzmärkte, Bürgerversicherung bei Gesundheit und Pflege, höhere Steuern für hohe Einkommen und Vermögen, das wollen wir Grüne auch alles, deswegen streben wir eine Regierung zusammen mit der SPD an. Was bei Peer Steinbrück und bei der SPD insgesamt fehlt, ist ein klarer Kurs bei der Umwelt- und Klimapolitik. In ihrem Konzept zur Energiewende setzt die SPD immer noch auf die schmutzige Kohle, was ich für einen Riesenfehler halte. Für eine schnelle erneuerbare Energiewende stehen nur die Grünen. Ähnlich ist es bei der Agrarwende, beim Tierschutz und bei gesunden Lebensmitteln. Bei dem Thema haben die SPD und Peer Steinbrück insgesamt wenig zu sagen. Von daher setzen wir auf Rot-Grün mit möglichst starken Grünen.
Was wollen Sie im nächsten Bundestag machen?
Ich möchte mich in der nächsten Legislaturperiode weiter im Haushaltsausschuss für eine gerechte und nachhaltige Finanzpolitik einsetzen.
Mit Sven-Christian Kindler sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de