Im Einklang mit dem Volkswillen Medwedew will reformieren
24.12.2009, 11:52 Uhr
Keine Angst vor kritischen Journalistenfragen: Medwedew vor dem Fernsehinterview.
(Foto: REUTERS)
Russlands Präsident Dmitri Medwedew räumt in einer ungewöhnlich kritischen Fernsehdiskussion erneut demokratische Defizite ein und kündigt weitere Reformen an - fordert vom Westen aber auch Geduld.
Der Kremlchef sagte bei einem Interview mit den Generaldirektoren von drei russischen TV-Sendern, dass die Modernisierung des Riesenreichs Zeit brauche. Er sei kein Revolutionär, betonte Medwedew in Moskau. Die Veränderungen in Russland müssten im "Einklang mit dem Willen des Volkes" erfolgen. Er mahnte auch den Westen zur Geduld. "Unser Volk ist fähig zu Veränderungen", sagte Medwedew.
Medwedews Interviewpartner fragten für russische Verhältnisse erstaunlich kritisch und fielen dem Kremlchef mitunter auch ins Wort. Den Vorwurf, die Reformversprechen könnten im Sand verlaufen und Medwedew selbst könne zu einer "Parodie seiner selbst" werden, wies der Präsident zurück.
Platz für die Opposition
Der Kremlchef rief erneut dazu auf, sich den Herausforderungen einer Modernisierung zu stellen. So verlangte er, die Abhängigkeit von Rohstoffexporten zu reduzieren. Medwedew äußerte sich optimistisch, dass sich das umstrittene Parteiensystem weiter entwickeln werde. Auch die harte Opposition etwa um den Kremlkritiker Garri Kasparow solle ihren Platz haben, wenn sie die Gesetze befolge. Der Präsident verurteilte zudem Fälschungen bei den jüngsten Kommunalwahlen und kündigte Neuwahlen dort an, wo Gerichte entsprechend entschieden.
Zum Jahresende zog Medwedew insgesamt ein positives Fazit seiner bisherigen Amtszeit, die im Mai 2008 begonnen hatte. Als nächstes werde er ein Dekret zur Erneuerung des Innenministeriums unterzeichnen, sagte Medwedew. Ein großer Teil der russischen Polizei steht in der Kritik, extrem korrupt und sogar in kriminelle Strukturen verwickelt zu sein.
Atomraketen einer neuen Generation
Trotz der Pläne für ein weitreichendes Abrüstungsabkommen mit den USA treibt Russland jedoch auch den Bau neuer Atomraketen voran. Mit den Raketen einer neuen Generation wolle Russland die atomare Abschreckung aufrecht erhalten, sagte Medwedew. Der Abwehrschirm zum Schutz unserer nationalen Interessen wird immer wirksam und ausreichend sein", so der Präsident. Die Pläne stünden in völligem Einklang mit den Abrüstungsverhandlungen mit den USA. Diese Gespräche für ein zweites Abkommen zum Abbau strategischer Atomwaffen aus den Zeiten des Kalten Krieges (Start-2) stünden kurz vor dem Abschluss.

Blick in eine Richtung? Medwedew und Ministerpräsident Putin.
(Foto: dpa)
Russland und die USA wollen die Arsenale ihrer strategischen Atomwaffen massiv abrüsten. Erst am Dienstag hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärt, es seien radikale und beispiellose Kürzungen bei diesen Systemen geplant, Das US-Außenministerium sprach zuletzt zwar von deutlichen Fortschritten. Doch die komplexe Thematik erfordere aber besondere Sorgfalt.
Kein Machtkampf mit Putin
Zudem wies Medwedew erneut Spekulationen um einen Machtkampf mit Regierungschef Wladimir Putin zurück. In dem Führungstandem gebe es "kameradschaftliche, freundschaftliche Beziehungen", sagte der Präsident. Die Beziehungen zu Putin hätten sich bisher nicht geändert. "Ich bin überzeugt, dass sie sich nicht verändern werden", sagte Medwedew in seiner knappen Antwort. Beobachter sehen einen Machtkampf des eher konservativen Lagers um Putin und der reformwilligen liberalen Kräfte um Medwedew.
Quelle: ntv.de, dpa