Politik

Raketen für und gegen alle Medwedews Kompromiss

Russlands Präsident Dmitri Medwedew hat erstmals die Bereitschaft signalisiert, den geplanten US-Raketenabwehrschild unter Umständen zu akzeptieren. "Wir haben eine Chance, das Problem zu lösen, indem wir uns entweder auf ein globales Raketenabwehrsystem einigen oder zumindest eine Lösung für die bestehenden Programme finden, die die Russische Föderation zufriedenstellen würde", sagte Medwedew in Washington. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte mit Blick auf Polen und Tschechien, allen Staaten müsse die Entscheidung über eine Beteiligung an dem Abwehrsystem überlassen werden.

Russland ziehe allerdings ein globales Abwehrsystem "zersplitterten nationalen Elementen" vor, erläuterte Medwedew in einer Rede vor dem Council on Foreign Relations. Damit knüpfte er an frühere Äußerungen seines Vorgängers Wladimir Putin an, der einen gemeinsamen Abwehrschild der USA und Russlands vorgeschlagen hatte.

Keine Eskalation von Moskau aus

Medwedew betonte, von Russland werde keine Eskalation des Streits um die US-Pläne ausgehen: "Wir werden nichts unternehmen, bevor Amerika den ersten Schritt tut." Zugleich äußerte er die Hoffnung, die Regierung des designierten US-Präsidenten Barack Obama werde die bisherigen Planungen noch einmal überdenken. Erste Signale deuteten darauf hin, dass Obama die Raketenabwehr-Pläne der scheidenden US-Regierung nicht einfach abnicken werde, sagte der russische Präsident. "Den amerikanisch-russischen Beziehungen fehlt das nötige gegenseitige Vertrauen." Er hoffe, dass sich dies mit dem Regierungswechsel in den USA ändern werde.

Medwedew hatte einen Tag nach der US-Präsidentenwahl angekündigt, als Antwort auf den geplanten Raketenschirm der Vereinigten Staaten mit Komponenten in Polen und Tschechien eigene Kurzstreckenrakete an die polnische Grenze zu verlegen. Zudem verkündete er den Stopp zuvor angekündigter Abrüstungsschritte. Mit dem Zeitpunkt dieser Äußerungen habe er keineswegs Druck auf Obama ausüben wollen, sagte Medwedew nun in Washington. Er werde den künftigen US-Präsidenten bald nach dessen Amtsantritt treffen und gehe davon aus, dass es dann wichtigere Themen als den Streit über den Raketenabwehrschild geben könne. "Ich bin vorsichtig optimistisch", sagte Medwedew. "Wir haben die große Möglichkeit, die Beziehungen im vollsten Umfang wieder herzustellen."

Russland will "strategische Partnerschaft" mit USA

Russland wolle mit den USA eine "strategische Partnerschaft" wie sie mit China bestehe. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA seien "sehr umfassend, reich und ziemlich vielschichtig". In den vergangenen Monaten sei es jedoch zu einer "Vertrauenskrise" zwischen den beiden Ländern gekommen, sagte Medwedew und kritisierte den scheidenden Präsidenten George W. Bush, dessen Regierung eine Menge dafür getan habe, dass sich die bilateralen Beziehungen verschlechtert hätten. Moskau und Washington könnten ihre Beziehungen verbessern, indem sie gegen den "gemeinsamen Feind", die Wirtschaftskrise, vorgingen, sagte Medwedew weiter.

Sarkozy: Jeder Staat soll selbst entscheiden

In den vergangenen Monaten hatten das russische Vorgehen in der Kaukasus-Krise sowie der geplante US-Raketenschild in Osteuropa Spannungen zwischen Moskau und Washington hervorgerufen. Frankreichs Präsident Sarkozy sprach sich dafür aus, allen Staaten die Entscheidung über eine Beteiligung zu überlassen. Jedes Land habe das Recht, frei über eine Errichtung des Raketenschilds zu entscheiden, sagte er in Washington mit Blick auf Polen und Tschechien. Auf dem EU-Russland-Gipfel in Nizza hatte der EU-Ratsvorsitzende Moskau und Washington aufgerufen, auf eine Stationierung von Raketen zu verzichten.

Tusk watscht Sarkozy ab

Die polnische Regierung hatte daraufhin kritisiert, Sarkozy habe kein Mandat der EU, mit Russlands Präsident Medwedew darüber zu diskutieren. Ministerpräsident Donald Tusk betrachtet die geplante US-Raketenabwehr in seinem Land als eine rein polnisch-amerikanische Angelegenheit. Die Meinung Sarkozy werde keinen Einfluss darauf haben, was mit diesem Projekt weiter geschehe, sagte Tusk in Warschau. Wenn die USA an diesem Projekt festhalten, werde Polen zur Umsetzung bereit sein, versicherte Tusk. Beim Thema Raketenabwehr erwarte er "weder Kommentare noch Handlungen" von Drittländern. Sogar Staaten, die Polen gegenüber so freundlich eingestellt seien wie Frankreich, hätten kein Sonderrecht, das Wort zu ergreifen.

Die US-Regierung plant die Errichtung einer Radaranlage in Tschechien und die Stationierung von Abfangraketen in Polen, was Russland als Bedrohung ansieht. Entsprechende Verträge zwischen den USA und den beiden osteuropäischen Ländern sind bereits geschlossen. Präsident Medwedew hatte angekündigt, in der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad sollten Kurzstreckenraketen stationiert werden, um die US-Raketenabwehr notfalls "neutralisieren" zu können.

Quelle: ntv.de

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