Bis Herbst an die Börse Mehdorn macht Tempo
29.04.2008, 16:25 UhrBahn-Chef Hartmut Mehdorn will den Konzern noch in diesem Herbst an die Börse bringen. Einen Tag nach der Einigung der Koalition auf den Fahrplan zur Bahnreform zeigte Mehdorn sich zuversichtlich, diesen Termin zu schaffen. Die Bundesregierung hält einen späteren Termin für möglich.
Mehdorn will die von Union und SPD eröffnete Privatisierung von 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs voll ausschöpfen. Er bekräftigte, der Börsengang werde "nichts, aber auch gar nichts" mit Streckenstilllegungen oder einem Rückzug aus der Fläche zu tun haben. Der Bahn-Chef zeigte sich hoch zufrieden mit der Entscheidung der Koalition. Diese habe europäische Dimension.
Beim Börsengang will Mehdorn Privatanleger und institutionelle Investoren ansprechen. Außerdem solle es Mitarbeiteraktien geben. Die Aussichten schätzte er gut ein. Er glaube, dass die Krise des Immobilienmarktes die Bahn mit ihrer Teilprivatisierung nicht treffen und der Konzern einen guten Börsenwert erzielen werde.
Regierung plant Börsengang für November oder Dezember
Die Spitzen der Koalition hatten am Montagabend beschlossen, 24,9 Prozent des Personen- und Frachtverkehrs der Bahn sowie ihrer Spedition Schenker zu verkaufen. Schienennetz und Bahnhöfe sollen dagegen komplett im Bundesbesitz bleiben. Um wichtige Unternehmensentscheidungen beeinflussen zu können, wäre die Sperrminorität von 25,1 Prozent der Anteile nötig.
Von der Teilprivatisierung verspricht sich die Bundesregierung einen Erlös von bis zu acht Milliarden Euro. Die Schätzungen der Banken rangierten zwischen fünf bis acht Milliarden Euro, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee im Deutschlandfunk. Nun komme es darauf an, den richtigen Zeitpunkt für die Platzierung der Aktie des letzten großen Staatskonzerns zu finden. Der Bund strebe November oder Dezember an, der Prozess könne sich aber auch ins nächste Jahr hineinziehen. "Wenn der Markt es nicht hergibt, dann wird man vielleicht noch ein, zwei, drei Monate warten", kündigte der SPD-Minister an.
24,9 sind nur der Anfang
Die Union betrachtet die Teilprivatisierung nur als Einstieg, sie will eigentlich knapp die Hälfte der Verkehrssparte verkaufen. Die SPD dagegen lehnt eine weitergehende Privatisierung ab, räumt aber ein, dass sich mit der Wahl 2009 alles ändern kann. "Was nach einer Bundestagswahl in welcher Konstellation auch immer passiert, kann man jetzt im Augenblick noch nicht vorhersehen", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck der ARD.
Die Erlöse aus dem Börsengang sollen zu je einem Drittel in die Sanierung der Bahn-Infrastruktur, in das Eigenkapital des Konzerns und zur Schuldendeckung in den Bundeshaushalt fließen. Das neue Eigenkapital will die Bahn für Firmenzukäufe zur Stärkung ihrer Position im internationalen Markt verwenden.
Marktumfeld eher ungünstig
Probleme bei der Investorensuche erwartet Tiefensee nicht. Die Bahn-Aktie werde sicher sein und für langfristigen Erfolg bei Rendite und Wertsteigerung sorgen, sagte er. Experten betrachten das Marktumfeld wegen der globalen Finanzkrise indes als eher ungünstig. Auch Aktionärsschützer bezweifeln, dass sich andere Anleger als die von der SPD geschmähten Finanzinvestoren um eine Beteiligung an der Bahn reißen werden. Strategische Investoren wie andere Bahnen würden abgeschreckt, weil sie kein Mitspracherecht bekämen, sagen Aktionärsschützer.
"Der Markt ist für Börsengänge derzeit sehr schwierig, und keiner kann sagen, ob sich die Lage bis Jahresende verbessert", sagte der Analyst Jochen Rothenbacher von Equinet. Anders als bei den Börsengängen von Telekom und Post sei nicht klar, ob sich der Bund langfristig aus der Bahn zurückziehen werde. "Das wirkt sich negativ auf die Attraktivität der Aktien aus".
Investoren ohne Stimmrecht
Nach Tiefensees Worten werden Investoren bei der Bahn zwar im Aufsichtsrat sitzen können, sie sollen dort jedoch kein Stimmrecht bekommen. "Wir wollen ausschließen, dass sie sich unternehmerisch in einer Weise einmischen, wie es schlecht für die Bahn wäre", sagte er. In der Vereinbarung der Koalitionsrunde heißt es dazu: "Private Investoren erhalten keinen unternehmensbestimmenden Einfluss auf den Kernbereich der Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG."
Außerdem wird der Bund dazu verpflichtet, dem Allgemeinwohl als Ausdruck der Daseinsvorsorge für die Bürger Rechnung zu tragen. Dies gelte vor allem für das Verkehrsangebot sowie den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes. Das Kabinett soll die Eckpunkte der Teilprivatisierung schon am Mittwoch beschließen, später soll ein Bundestagsbeschluss folgen.
"Hemmungslose Renditejagd"
Niedersachsens Verkehrsminister Walter Hirche (FDP) warf der Koalition vor, den Bundesrat umgehen zu wollen. Deshalb werde unter Federführung von Sachsen-Anhalt eine Gesetzes-Initiative vorbereitet, sagte Hirche dem NDR. Ohne Mitsprache der Länder werde es "großen Ärger" geben. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, sprach von einer katastrophal falschen Richtung bei der Bahnprivatisierung. Die SPD habe einer "hemmungslosen Renditejagd von Finanzkapitalisten Tür und Tor geöffnet".
Quelle: ntv.de