Politik

Für Sozialgesetze Menschen demonstrieren weltweit

Mit Stalin-Plakaten gehen Kommunisten in Moskau auf die Straße.

Mit Stalin-Plakaten gehen Kommunisten in Moskau auf die Straße.

(Foto: REUTERS)

Millionen Menschen sind traditionell zum 1. Mai in vielen Teilen der Welt auf die Straße gegangen, um unter anderem für Arbeitnehmerrechte und soziale Gesetzgebung zu demonstrieren. Allein in Russland demonstrierten nach Behördenangaben 1,7 Millionen Menschen in mehr als 1000 Städten. In Frankreich waren mehr als 200 Veranstaltungen mit zehntausenden Teilnehmern geplant. Im türkischen Istanbul kamen 200.000 Menschen zusammen und verlangten sichere Beschäftigung und menschliche Arbeitsverhältnisse. Die meist von Gewerkschaften organisierten Demonstrationen verliefen friedlich.

In Russland verlangten mehrere tausend Anhänger der Kommunisten den Rücktritt von Regierungschef Wladimir Putin. Sie warfen dem Ex-Kremlchef eine schlechte Wirtschaftspolitik vor und protestierten gegen die ihrer Ansicht nach zu hohen Lebenshaltungskosten. Kommunistenführer Gennadi Sjuganow rief vor etwa 7000 Menschen in Moskau zur "Einheit von Volk und Land" auf. Die Kommunisten forderten auch die Wiederherstellung der 1991 aufgelösten Sowjetunion. "Sozialismus ist Freiheit und Frieden", skandierten sie. Sjuganow hatte die "massivsten Aktionen" seit zehn Jahren angekündigt. An einem Wagen an der Spitze des Zuges war ein riesiges Poster von Sowjetdiktator Josef Stalin befestigt. Viele Menschen trugen Bilder des Diktators sowie von Revolutionsführer Lenin mit sich.

Demo in St. Petersburg verboten

Oppositionsführer Garry Kasparow bei einer weiteren Mai-Demonstration in Moskau.

Oppositionsführer Garry Kasparow bei einer weiteren Mai-Demonstration in Moskau.

(Foto: REUTERS)

In Moskau nahmen nach Angaben der kremlkritischen Internetseite namarsh.ru zudem mehrere hundert Oppositionelle an einer genehmigten Protestaktion teil. Mindestens zwei Menschen wurden festgenommen. An einer Kundgebung der liberalen Jabloko-Partei beteiligten sich etwa 1200 Menschen. "Wir brauchen einen modernen Staat", sagte Jabloko-Chef Sergej Mitrochin. Eine oppositionelle Kundgebung in der zweitgrößten Stadt St. Petersburg wurde hingegen kurzfristig verboten. Daraufhin hätten sich etwa 500 Menschen zu einem spontanen Treffen versammelt, hieß es.

Der 1. Mai hat in Russland längst nicht mehr den Stellenwert wie zu Sowjetzeiten. Damals marschierten auf Befehl der Kommunistischen Partei Millionen von Menschen in allen größeren Städten unter roten Fahnen an Funktionärstribünen vorüber. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der 1. Mai in Russland in "Tag des Frühlings und der Arbeit" umbenannt. Viele Russen nutzen das verlängerte Wochenende, um ihre Schrebergärten und Wochenendhäuser (Datschen) nach dem langen Winter auf Vordermann zu bringen.

Gegen Sarkozys Rentenreform

In Paris und zahlreichen anderen französischen Städten demonstrierten hunderttausende Menschen gegen die Politik von Präsident Nicolas Sarkozy. Die großen Gewerkschaften hatten landesweit zu Kundgebungen und Protestmärschen aufgerufen. Die Resonanz war jedoch wesentlicher schwächer als im Vorjahr. Nach Schätzungen der Arbeitnehmervertreter gingen nur rund 350.000 Menschen auf die Straße, 2009 konnten noch 1,2 Millionen mobilisiert werden. Die größten der rund 280 Protestveranstaltungen gab es in Paris. Dort beteiligten sich rund 45.000 Personen.

"Arbeitslose streiken" steht auf einem Plakat bei der gewerkschaftlich organisierten Mai-Demonstration in Paris.

"Arbeitslose streiken" steht auf einem Plakat bei der gewerkschaftlich organisierten Mai-Demonstration in Paris.

(Foto: Reuters)

Die Demonstrationen richteten sich in diesem Jahr vor allem gegen die geplante Rentenreform. Viele Franzosen fürchten deutliche Einschnitte wie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Derzeit liegt es in Frankreich für das allgemeine Rentensystem bei nur 60 Jahren. Der Erhalt der vollen Rente erfordert aber je nach Jahrgang bis zu 42 Jahre Beitragszahlungen. Laut einer Umfrage für die linke Tageszeitung "L'Humanité" sympathisierten 70 Prozent der Franzosen mit den Protesten, die auch auf die Wirtschaftspolitik von Sarkozy abzielten.

Scharfe Sicherheitsmaßnahmen in Istanbul

Erstmals seit mehr als drei Jahrzehnten versammelten sich tausende Türken wieder zu einer Mai-Kundgebung auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Die Demonstranten kamen unter strengen Sicherheitskontrollen durch drei Eingänge auf den Platz. Sie forderten Beschäftigungssicherheit und menschlichere Arbeitsbedingungen. 20.000 Polizisten sicherten die Kundgebung im Zentrum der Stadt ab. Bis auf einige Steinwürfe gab es nach Behördenangaben keine größeren Zwischenfälle.

Erstmals seit Jahrzehnten demonstrieren die Türken wieder auf dem Istanbuler Taksim-Platz.

Erstmals seit Jahrzehnten demonstrieren die Türken wieder auf dem Istanbuler Taksim-Platz.

(Foto: REUTERS)

Der Platz war für Gewerkschafts-Kundgebungen gesperrt worden, nachdem bei einer Mai-Demonstration 1977 Unbekannte mindestens 34 Gewerkschaftsmitglieder erschossen hatten. Die im rechtsnationalen Milieu vermuteten Verantwortlichen wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Erst für die Mai-Feiern in diesem Jahr hoben die Behörden das Versammlungsverbot wieder vollständig auf. Der 1. Mai war in der Türkei erst 2009 wieder zum offiziellen Feiertag erklärt worden.

Anschlag im Kaukasus

Bei einem Anschlag während einer Feier zum 1. Mai im Nordkaukasus wurden derweil ein Mensch getötet und mindestens 23 weitere verletzt. Während eines Pferderennens in Naltschik in der Kaukasusrepublik Kabardino-Balkarien sei die Loge für Ehrengäste von einer Explosion zerstört worden, sagte eine Sprecherin der örtlichen Staatsanwaltschaft. Ein 94 Jahre alter Weltkriegsveteran sei schwer verletzt worden und im Krankenhaus gestorben, teilte das Katastrophenschutzministerium mit. Die Behörden ermittelten wegen eines "terroristischen Anschlags".

Der russische Präsident Dmitri Medwedew erklärte laut Nachrichtenagenturen, der russische Inlandsgeheimdienst FSB und das Innenministerium hätten die Ermittlungen aufgenommen. Der Präsident von Kabardino-Balkarien, Arsen Kanokow, verurteilte den Anschlag, mit dem die Republik und der gesamte Nordkaukasus habe destabiliert werden sollen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen