Urteil gegen Chodorkowski rechtens Menschenrechtsgerichtshof erfreut Moskau
25.07.2013, 13:46 Uhr
Auch im zweiten Prozess verurteilt: Michail Chodorkowski.
(Foto: REUTERS)
Nach Ansicht des Europäischen Menschengerichtshof befindet sich Russlands prominentester Gefangener zu Recht im Straflager. Der Prozess gegen den Ex-Oligarchen Chodorkowski sei zwar unfair gewesen. Doch Beweise für ein politisch motiviertes Verfahren gibt es den Richtern zufolge nicht.
Der erste Prozess gegen Michail Chodorkowski war nach Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nicht politisch motiviert. Die Straßburger Richter warfen Russland zwar mehrere Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor. Der Prozess im Jahr 2005 sei unfair gewesen, weil die Vertraulichkeit des Verhältnisses zwischen Anwälten und Mandanten verletzt worden sei. Auch beim Sammeln und Auswerten von Beweisen habe es Unzulänglichkeiten gegeben. Die Vorwürfe gegen Chodorkowski und Lebedew hätten aber auf einer "soliden Grundlage" gestanden.
Den Vorwurf, die Moskauer Richterin sei befangen gewesen, wies das Gericht als nicht ausreichend begründet zurück. Auch wurde der Vorwurf zurückgewiesen, die Angeklagten hätten nicht ausreichend Zeit gehabt, ihre Verteidigung vorzubereiten. Die Unterbringung der beiden Verurteilten in Straflagern in Sibirien und im hohen Norden Russlands bezeichneten die Straßburger Richter dagegen als "nicht gerechtfertigt". Es liege ein Verstoß gegen das Recht auf Privat- und Familienleben vor, weil die Familien die Inhaftierten nicht hätten besuchen können.
Menschenrechtler reagierten empört. "Das Urteil ist nicht nur mild, sondern auch feige", sagte die bekannte russische Aktivistin Ljudmila Alexejewa der Agentur Interfax. Chodorkowskis Mutter nannte die Richter inkompetent. Nur wer blind, taub und stumm sei, könne die politische Motivation übersehen. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war nicht ganz zufrieden mit der Straßburger Entscheidung. Sie sah trotz des Urteils die "willkürliche Behandlung" Chodorkowskis in Russland belegt.
Zu jahrelanger Lagerhaft verurteilt
Chodorkowski ist einer der bekanntesten Häftlinge Russlands. Er unterstützte in den Anfangsjahren der ersten Präsidentschaft Wladimir Putins offen die Opposition und vertrat eigene Interessen im Energiesektor, die denen staatlicher Unternehmen zuwider liefen. Daraufhin wurde er verhaftet und 2005 zusammen mit Lebedew wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt. Sein Ölkonzern Yukos wurde zerschlagen und zum Großteil dem Staatskonzern Rosneft einverleibt.
In einem weiteren Prozess wegen Betrugs wurden Chodorkowski und Lebedew Ende 2010 noch einmal zu sechs Jahren Haft verurteilt. Damit wären sie erst 2016 auf freien Fuß gekommen. Ende 2012 verringerte ein Moskauer Gericht das Strafmaß um zwei Jahre, sie müssten damit im kommenden Jahr freigelassen werden.
Kritiker sehen die Prozesse als politisch motiviert. Doch das Straßburger Gericht, das sich mit dem Verfahren 2005 und der davor liegenden Strafverfolgung befasste, sah für den Vorwurf eines politischen Prozesses nicht genügend Beweise. Es gebe zwar Anzeichen dafür, dass das Vorgehen gegen Chodorkowski und Lebedew politisch motiviert gewesen sei. Für eine Verurteilung Russlands wären allerdings "sehr exakte" Beweise notwendig gewesen, diese lägen aber nicht vor. Bereits 2011 hatte der Gerichtshof Russland im Fall Chodorkowski verurteilt. Beweise für ein politisch motiviertes Verfahren sah das Gericht damals ebenfalls nicht.
Russland muss zahlen
Die Straßburger Richter verurteilten Russland dazu, Chodorkowski 10.000 Euro Entschädigung zu zahlen. Schadenersatzforderungen Lebedews wurden dagegen zurückgewiesen. Das Urteil ist noch nicht endgültig, innerhalb von drei Monaten können die Konfliktparteien den Richterspruch anfechten.
Chodorkowskis Anwältin Karina Moskalenko warf dem Gericht unterdessen auch Irreführung vor. Es habe eine Mitteilung zu dem Urteil versendet, in der anders als im Urteil von "gewichtigen Grundlagen" für die damalige Verurteilung die Rede sei. Später war die Mitteilung von der Internetseite des Gerichts verschwunden.
Moskalenko äußerte sich jedoch "sehr zufrieden" über das Urteil. Es sei der "unfaire Charakter des Prozesses" anerkannt worden, sagte sie. Grundrechte seien massiv verletzt worden. Die russische Regierung äußerte sich ebenfalls zufrieden. Er habe das Urteil mit Genugtuung aufgenommen, so der russische Vertreter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Andrej Fjodorow.
Quelle: ntv.de, jga/dpa/AFP