Berlin zieht Bilanz Merkel auf Obama-Linie
25.07.2008, 20:31 UhrDie Bundesregierung hat die Berliner Rede des demokratischen US- Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama als positives Signal an Europa gewertet. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hob hervor, dass sich der Senator in der Ansprache für eine enge internationale Zusammenarbeit bei der Bewältigung der internationalen Herausforderungen ausgesprochen habe. Das entspreche genau der Haltung der Bundesregierung und von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Obama hatte sich am Donnerstag vor mehr als 200.000 Zuhörern an der Siegessäule im Zentrum Berlins zu einer engen Partnerschaft zwischen den USA und Europa bekannt und ein globales Bündnis im Kampf gegen Probleme wie den Klimawandel und den Terrorismus gefordert. Es war seine einzige öffentliche Rede bei seiner Acht-Länder-Tour. Das Berliner Publikum war die größte Zuschauermenge, vor der Obama je gesprochen hat. Mehr als fünf Millionen Menschen verfolgten die Live-Übertragungen der Rede in verschiedenen TV-Kanälen.
"Obama ist kein Träumer"
Auch bei den deutschen Politikern kam Obama gut an. "Ich würde nicht sagen, dass er ein Träumer ist. Er hat eine Rede gehalten, die im besten Sinne amerikanisch war", sagte der CDU-Außenexperte Eckart von Klaeden bei n-tv. "Vieles von dem, was er gesagt hat, würden auch Republikaner unterschreiben können".
Obama habe deutlich gemacht, dass er wenn möglich auf das Prinzip des Multilateralismus setze, aber wenn nötig auf Unilateralismus zurückgreifen werde. Obama habe die transatlantische Partnerschaft betont, aber auch deutlich gemacht, dass Europa bereit sein müsse, Opfer zu bringen.
"Ein großer, starker Präsident"
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gert Weisskirchen, zeigte sich stärker begeistert von Obamas Rede. Er sagte bei n-tv: "Wenn in Berlin hätte gewählt werden müssen, dann hätte er schon mit seiner Rede, mit seinem Auftritt, mit dem, wie er Menschen faszinieren kann, nicht nur die Herzen, sondern auch die Stimmen der Berliner gewonnen. Und ich bin fest davon überzeugt, er hat die Chance in den USA, der erste schwarze Präsident zu werden." Er glaube, dass Obama ein großer, starker Präsident werden könne, wenn er gewählt werde.
McCain-Lager lästert
Vom Lager seines republikanischen Konkurrenten John McCain wurde Obamas Berlin-Auftritt spitz kommentiert. Ein Sprecher nannte den Besuch in Deutschland als eine "verfrühte Siegesrunde". Während Obama im Ausland Reden halte, kümmere sich McCain um die Anliegen der Amerikaner, meinte der Sprecher Tucker Bounds. "John McCain hat sein Leben dem Dienst und dem Schutz Amerikas gewidmet. Barack Obama verbrachte einen Nachmittag, um darüber zu reden."
"Erstaunlicher Auftritt"
Dagegen waren die ersten Reaktionen der US-Medien zumeist wohlwollend. "Er hat es sehr gut gemacht", meinte eine Kommentatorin beim TV-Sender MSNBC. "Von den Bildern her war sein Auftritt erstaunlich." Die Zeitung "San Francisco Chronicle" schreibt, Obama habe "eine historische Rede an ein weltweites Publikum gehalten".
CNN-Kommentatorin Candy Crowley sagte: "Obama hatte eine doppelte Botschaft: Wir wollen Kooperation, aber ihr müsst uns auch entgegenkommen." Zugleich habe Obama mit seinem Auftritt zeigen wollen, dass Amerikanern in Europa durchaus auch ein warmer Empfang bereitet werden kann. Dafür müsse man aber auch "die Hand ausstrecken".
Abflug nach Paris
Obama flog am Nachmittag ohne Zwischenstopp nach Paris weiter. Obamas Stab hatte ursprünglich einen Abstecher zum US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz erwogen.
Der Geist der Luftbrücke
Obama hatte am Donnerstagabend an der Siegessäule einen Neuanfang in den transatlantischen Beziehungen und die Überwindung alter Konflikte gefordert. Dazu beschwor er den Geist der Luftbrücke für Berlin vor 60 Jahren und forderte einen größeren Einsatz im Kampf gegen globale Probleme wie den Klimawandel und den Terrorismus.
"Welt ohne Atomwaffen"
Überraschend deutlich bekannte er sich dabei zu dem "Ziel einer Welt ohne Atomwaffen". Zunächst müsse die Ausbreitung verhindert, dann aber an der Reduzierung gearbeitet werden, sagte er und wandte sich damit von der bisherigen US-Militärdoktrin ab.
Einen deutlichen Akzent setzte er auch beim Thema Klimapolitik. "Dies ist der Moment, wo wir zusammenkommen müssen, um den Planeten zu retten." Alle Nationen, einschließlich Amerikas, müssten die gleiche Ernsthaftigkeit an den Tag legen wie Deutschland, um den Kohlendioxidausstoß zu verringern. Zum Ende seiner Ansprache rief Obama dem Publikum, darunter zahlreiche in Europa lebende Amerikaner, zu: "Ihr Bürger Berlins, Ihr Bürger der Welt, das ist unser Zeitpunkt, das ist unser Moment, das ist unsere Zeit."
Quelle: ntv.de