"Keinen Cent für Griechenland" Merkel erwartet Papandreou
05.03.2010, 10:38 Uhr
Auch die Taxifahrer in Athen streiken.
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Die Bundesregierung will dem klammen Griechenland nicht finanziell unter die Arme greifen. Griechenland erwartet das auch gar nicht. Ministerpräsident Papandreou sucht stattdessen nach Unterstützung für seine Sparanstrengungen und günstigere Kredite für den Staat.
Die Bundesregierung lehnt deutsche Finanzhilfen für das klamme Griechenland strikt ab. "Wir haben nicht die Absicht, einen Cent zu geben", sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in Berlin. "Jedes EU-Mitgliedsland ordnet seine Dinge selbst." Die Regierung in Athen müsse ihren Sparplan "konsequent umsetzen". Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou stellte vor einem für den Abend geplanten Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut klar, er wolle auch gar keinen Cent von Deutschland.

Papandreou will Merkel um Unterstützung nicht um Geld bitten.
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Papandreou wirbt stattdessen um politische Unterstützung für die Sparbeschlüsse seiner Regierung. Andernfalls könne die griechische Schuldenkrise "ganz Europa teuer zu stehen kommen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wir haben den deutschen Steuerzahler nicht gebeten, uns die Renten und den Urlaub zu zahlen", sagte der griechische Ministerpräsident. Er hatte den Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine Kürzung des Weihnachts-, Ostern- und Urlaubsgeldes um rund ein Drittel verordnet. Insgesamt hat das Sparprogramm einen Umfang von 4,8 Milliarden Euro. Mit Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen soll ein Staatsbankrott verhindert werden.
Einer aktuellen Umfrage zufolge lehnen jedoch rund 90 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen die Gehaltskürzungen ab. In Athen und in Thessaloniki gingen am Donnerstagabend fast 10.000 Demonstranten gegen die Sparpläne auf die Straße. International wurden die geplanten Maßnahmen dagegen begrüßt. Auch Merkel erklärte, es gebe keine Alternative dazu.
Juncker ist zufrieden

Juncker ist mit dem Beitrag Athens zufrieden.
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Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, würdigte die jüngsten Sparbemühungen Griechenland. Er sei sehr zufrieden, sagte Juncker im Deutschlandfunk. "Dieser Konsolidierungsbeitrag wird seine Wirkung entfalten. Die Finanzmärkte können das nicht ignorieren", sagte er. Juncker betonte, er gehe vorerst nicht davon aus, dass Hilfe anderer Staaten nötig wird. Falls notwendig, würde die EU aber handeln, um die Stabilität des Euro zu wahren.
Athen will günstige Kredite
Vor dem Treffen am Abend mit Merkel machte Papandreou noch einmal deutlich, dass es ihm nicht um Geld gehe. Stattdessen sei ihm die europäische Unterstützung wichtig, um an den Märkten wieder Kredite zu besseren Bedingungen zu bekommen. "Das ist alles, was wir brauchen," sagte Papandreou in Berlin. Mit den neuen Sparmaßnahmen habe Athen den Partnern in den EU gezeigt, "dass wir in der Lage sind, schwierige und schmerzvolle Entscheidungen zu treffen".
Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick geht davon aus, dass Europa insgesamt ein Problem hat. "Das zu lösen braucht eine europäische Solidarität", sagte Schick bei n-tv. Dies könne nicht bedeuten, Lasten von Griechenland auf Deutschland zu übertragen. Vielmehr gehe es für die Griechen um politische Unterstützung aus ganz Europa. Wenn die Rahmendaten stimmen, könnte sich der griechische Staat günstigere Kredite bei den Banken zu besorgen, um den Staatshaushalt nicht durch hohe Zinsaufschläge noch zusätzlich in Schwierigkeiten zu bringen.
Stillstand in Griechenland

Protestaufruf auf dem Dach des Finanzministeriums in Athen, die Sparmaßnahmen zu verhindern.
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Parallel zu den Debatten legt eine Welle von Streiks den Verkehr in Griechenland. Sämtliche Busse in Athen sowie die Bahn fahren seit 5.00 Uhr Ortszeit für 24 Stunden nicht mehr. Im Laufe des Tages würden auch die Fluglotsen für vier Stunden streiken, heißt es. Die Streiks richten sich gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Beamte und andere Staatsbedienstete wollten ebenfalls die Arbeit niederlegen und im Zentrum Athens gegen das neue Sparprogramm der griechischen Regierung demonstrieren. Ärzte in staatlichen Krankenhäusern behandelten nur Notfälle und auch viele Lehrer gingen nicht zur Arbeit. Journalisten des Staatsradios und des Fernsehens sowie der staatlichen Nachrichtenagentur legten die Arbeit für 24 Stunden nieder.
Inseldebatte "geht unter die Haut"
Jorge Chatzimarkakis, FDP-Abgeordneter im Europaparlament, hat sich in der sogenannten Inseldebatte scharf gegen die jüngsten Vorschläge deutscher Unions- und FDP-Politiker gewandt, Athen möge Staatsbesitz wie etwa unbewohnte Inseln verkaufen. Er sagte im Deutschlandradio Kultur: "Der Vorschlag ist wirklich abenteuerlich. Die Griechen sind im Moment sehr sensibel. Und dann geht so was wirklich unter die Haut." Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies den Vorschlag aus den Reihen seiner Partei zurück. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, solche Vorschläge seien wenig zielführend. Politiker sollten sich vor Forderungen hüten, die ein Land demütigen.
Hinter den jüngsten Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten vermutet Chatzimarkakis gezielte Angriffe gegen den Euro. Spekulanten wollten weitere Länder wie Spanien, Italien und Portugal attackieren. "Je eher die Euro-Familie zusammenrückt, desto besser ist das", sagte der FDP-Parlamentarier.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP