Bundeskanzlerin in China Merkel fordert Reformen
16.07.2010, 08:46 UhrSie sagt es vorsichtig, aber sie sagt es: Bundeskanzlerin Merkel mahnt im Gespräch mit Chinas Ministerpräsident Wen Reformen an, in der Wirtschaft und bei der Pressefreiheit. Auf allen Ebenen wollen die Regierungen näher zusammenarbeiten. Die Differenzen wegen des Dalai-Lama-Empfangs durch Merkel vor drei Jahren scheinen indes ausgeräumt.
Deutschland und China werden ihre Beziehungen nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel "auf eine völlig neue Grundlage stellen". Die Partnerschaft solle ausgebaut und durch jährliche Konsultationen der Spitzen beider Regierungen vertieft werden, sagte Merkel: "Wir sitzen im gleichen Boot." Sie legten ein 28 Punkte-Kommuniqué vor, das eine engere Zusammenarbeit in Politik - speziell auch beim Klimaschutz -, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft vorsieht. Chinas Zuvor hatte Ministerpräsident Wen Jiabao die Kanzlerin zum Auftakt ihres zweitägigen Besuchsprogramms in Peking mit militärischen Ehren empfangen.
Wen erklärte: "Die chinesisch-deutschen Beziehungen haben die Probleme der internationalen Finanzkrise überstanden." Seit einem Jahr arbeiteten beide Länder wieder enger zusammen. Das gegenseitige Verständnis solle vertieft werden.
2007 hatte Merkel mit ihrem Empfang des Dalai Lama, dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, im Kanzleramt, die chinesische Führung schwer verärgert. Tibet ist seit 1951 von China besetzt. Doch in dem Kommuniqué heißt es nun: "Die deutsche Seite bekräftigt ihr Festhalten an ihrer Ein-China-Politik und ihre Achtung der territorialen Integrität Chinas; dies würdigt die chinesische Seite."
Sorge um Produktpiraterie
Der durch den Empfang des Dalai Lama ausgelösten Differenzen könnten damit ausgeräumt werden. So machte Wen machte eine entsprechende Andeutung: "Wir haben gesunde, stabile und dynamische Beziehungen." Sowohl er als auch Merkel warben für mehr Unterstützung der jeweils eigenen Wirtschaft in dem Partnerland. Zudem wertet es die Bundesregierung als Zeichen der Anerkennung, dass sich der Ministerpräsident für den Besuch der Kanzlerin persönlich viel Zeit nimmt.
Den Status einer Marktwirtschaft wollte Merkel China nicht zugestehen. Auf eine dementsprechende Frage antwortete sie: "Ich glaube, wir sind noch nicht an dem Punkt, wo alle Kriterien erfüllt sind." Zu klären sei noch der Schutz des geistigen Eigentums - dahinter steht die Sorge um die Produktpiraterie - und der Zugang zu den Märkten, "damit wir sichern sein können, dass keine Benachteiligungen stattfinden." Wenn China entsprechende Maßnahmen ergreife werde sie sich dafür einsetzen, dass es "faire und zielorientierte Gespräche" gebe, sagte Merkel. Das werde dann noch vor dem nächsten G20-Gipfel im November in Südkorea der Fall sein.
Zusammenarbeit gegen Klimawandel
Nicht begeistert dürfte Wen von den Äußerungen Merkels über Bedingungen für kritische Journalisten in China aufgenommen haben. Die Aufgabe der Medien sei es, "kritisch und aufklärerisch" zu berichten, sagte sie. Das sei nötig, damit beide Länder mehr voneinander erfahren. "Wir müssen mehr voneinander wissen." Wen entgegnete, die Journalisten sollten aber auch "die Lichtseiten" des deutsch-chinesischen Verhältnisses beschreiben.
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) unterzeichnete im Rahmen der Asienreise ein Abkommen für eine stärkere Zusammenarbeit in der Energie- und Umweltpolitik. Ferner befürworten beide Länder ein "angemessenes Vorgehen gegen den Klimawandel". Dazu soll sich im Herbst eine deutsch-chinesische Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Klimawandels treffen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP