Putin auf Konfrontationskurs Merkel gegen Alleingänge
10.02.2007, 07:52 UhrDer russische Präsident Wladimir Putin ist in ungewöhnlich scharfer Form auf Konfrontationskurs zu den USA gegangen und hat Washington militärisches Abenteurertum vorgeworfen. Bei der Sicherheitskonferenz in München kritisierte er am Samstag, die Pläne für ein Raketenabwehrsystem provozierten einen neuen Rüstungswettlauf und machten - unter Missachtung des Völkerrechts - die Welt unsicherer. Russland werde militärisch dagegen halten, drohte er. "Wir haben Waffen, die dieses (Raketenabwehr-)System überwinden können." Diese Waffen seien aber nicht gegen die USA gerichtet.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnete das zweitägige Forum mit einem Aufruf, Krisen weltweit in Sicherheitspartnerschaften statt in Alleingängen zu lösen. "Kein Land der Welt hat genug Macht, Geld und Einfluss, um sich allein den Herausforderungen zu stellen", sagte sie. Das Verhältnis zwischen Russland, der NATO und der Europäischen Union nannte die amtierende EU-Ratspräsidentin entscheidend für die Stabilität. Bis zu diesem Sonntag diskutieren 270 hochkarätige Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Rund 3.000 Menschen protestierten in München gegen die Konferenz.
Putin wies einen gemeinsamen globalen Sicherheitsansatz mit den USA zurück. Gewaltanwendung und die Todesstrafe sollten "Sondermaßnahmen" sein. Es gebe aber Länder, in denen Mörder und gefährliche Kriminelle mit dem Tod bestraft würden. "Diese Länder stürzen sich leicht in militärische Abenteuer", sagte er beim ersten Auftritt eines russischen Staatschefs auf der traditionsreichen Münchner Tagung. Er erwarte von den USA eine Erklärung, dass ihr Raketenabwehrsystem nicht gegen Russland gerichtet sei.
Der russische Präsident ging auch mit der NATO hart ins Gericht. Die NATO müsse aufhören, auf globale Krisen mit "ungezügelter Militäranwendung" zu antworten. "Niemand fühlt sich mehr sicher. Wir sollten die UN weder durch die NATO noch durch die EU ersetzen." Putin verurteilte auch das Heranrücken der NATO an die Grenzen Russlands durch die Aufnahme neuer Mitglieder.
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer wies die Kritik entschieden zurück. Er sagte, Länder wollten "aus freiem Willen" zur demokratischen Familie gehören und deshalb der Allianz beitreten. Die Rede Putins nannte der NATO-Generalsekretär "enttäuschend und wenig hilfreich".
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hob die herausragende Rolle Russlands hervor und lobte die Rede Putins. "Wir wollen mit Russland eine besondere strategische Partnerschaft voranbringen", sagte Beck. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagte zur Rolle der NATO: "Sie wird kein Weltpolizist sein." Die Tür der Allianz müsse weiter für Staaten offen sein.
Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko forderte die Integration seines Landes in die EU und die NATO: "Man darf die Ukraine nicht in der Grauzone der Unsicherheit lassen." Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves schlug vor, Länder stärker in die NATO einzubinden, die ohne Aussicht auf einen EU-Beitritt sind.
Eine Konfrontation zwischen dem Westen und Russland zeichnet sich auch in der Kosovo-Frage ab. Die serbische Provinz, in der fast nur noch Kosovo-Albaner wohnen, will die Unabhängigkeit. Merkel sagte, es sei wichtig, dass die Minderheit der Serben diesen Prozess in Würde mitgehen könnte. Putin warnte davor, eine Lösung gegen die Serben erzwingen zu wollen.
Merkel mahnte mehr Anstrengungen an, um den Klimawandel zu bremsen. Das sei eine große Bedrohung für die Erde. Deshalb seien verstärkte gemeinsame Anstrengungen der Staatengemeinschaft zur Senkung der Treibhausgase nötig.
Im aufgeheizten Streit um das iranische Atomprogramm forderte Merkel Teheran auf, die internationalen Verpflichtungen "ohne Wenn und Aber, ohne Tricks" zu erfüllen. Die Einigung der rivalisierenden Palästinenser-Gruppen in Mekka auf eine Einheitsregierung wertete Merkel als ersten Schritt in die richtige Richtung. "Mekka macht Mut."
Mit einem Marsch durch die Münchner Innenstadt protestierten 3.000 Menschen gegen die Sicherheitskonferenz. Das Hotel "Bayerischer Hof", in dem die Spitzenpolitiker tagten, war abgeriegelt. Insgesamt waren rund 3.500 Polizisten im Einsatz.
Quelle: ntv.de