Staat erwartet Mehreinnahmen Merkel hat Steuern schon verplant
10.05.2011, 13:17 UhrBei Schwarz-Gelb bricht dank erwarteter Steuermehreinnahmen eine Diskussion um Steuererleichterungen für Bürger und Wirtschaft aus. Bundeskanzlerin Merkel macht jedoch eine klare Ansage: Der Haushalt 2012 gehe vor. Andere dagegen wollen Steuersenkungen nicht ausschließen.
Die Aussicht auf üppige Steuermehreinnahmen hat eine neue Debatte über Entlastungen von Bürgern und Wirtschaft ausgelöst. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs von der CDU hält angesichts eines möglichen Geldsegens von 136 Milliarden Euro Steuerentlastungen für denkbar. Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach sich vor Beginn der Steuerschätzung in Fulda dafür aus, bei vorhandenen Spielräumen Durchschnittsverdiener zu entlasten.
Kanzlerin Angela Merkel sperrt sich trotz eines absehbaren Rekords bei den Steuereinnahmen jedoch gegen eine schnelle Entlastung der Bürger. "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel", warnte Merkel vor überzogenen Erwartungen, auch in den Reihen von Union und FDP. "Jetzt müssen wir erst einmal den Bundeshaushalt für 2012 hinbekommen", sagte Merkel. So gebe es in der mittelfristigen Planung noch Posten wie eine Finanz-Transaktionssteuer, die sich international nur schwer durchsetzen lasse. Bisher plant die Regierung ab 2012 noch mit zwei Milliarden Euro zusätzlich aus der neuen Steuerquelle. Möglicherweise müsse dafür Ersatz gefunden werden, sagte Merkel.

Wohin mit dem Geld? Finanzminister Wolfgang Schäuble eröffnen sich Spielräume.
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Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte davor, angesichts der Einnahmerekorde den Sparkurs zu entschärfen. Er sprach sich aber zugleich für niedrigere Einkommensteuern aus. Der Staat greife überproportional bei Lohnerhöhungen für kleine und mittlere Einkommen zu. Deshalb müsse die "kalte Progression" baldmöglichst beseitigt werden: "Für dieses Ziel lohnt es, weiter die strenge Haushaltsdisziplin zu behalten."
Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU hatte zuvor klargestellt, dass es weiterhin keine Spielräume für Entlastungen oder neue Ausgabenprogramme gebe. Der Deutsche Städtetag betonte, auch das erwartete Steuerplus löse die Finanzprobleme der Kommunen nicht. Linke und DGB forderten, die Sozialkürzungen rückgängig zu machen.
Schuldenbremse bleibt oberste Maxime
Der Arbeitskreis Steuerschätzung ermittelt bis Donnerstag mögliche Einnahmen des Staates für die nächsten Jahre. Nach einer Vorlage Schäubles können Bund, Länder und Kommunen bis 2014 mit einem Plus von etwa 136 Milliarden Euro gegenüber früheren Prognosen rechnen. 69 Milliarden davon könnten auf den Bund entfallen. 53 Milliarden dieser möglichen Mehreinnahmen hat Schäuble aber bereits in seinen Etat- und Finanzplan eingestellt. Die Zusatzmilliarden sind auch noch nicht tatsächlich geflossen. Bei schwächerem Wirtschaftswachstum als angenommen sind wieder Rückschläge für die Staatskassen möglich.
Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger bezeichnete es als "leichtsinnig", in der aktuellen Lage über Steuersenkungen nachzudenken. "Eine verantwortungsvolle Finanzpolitik muss sich unserer Ansicht nach auch damit befassen, was passiert, wenn es mal wieder schlechter läuft mit der Wirtschaft", sagte der Experte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der Mitglied des Arbeitskreises Steuerschätzung ist. Truger äußerte sich skeptisch zu Prognosen, die von einem lange anhaltenden Aufschwung ausgehen.
Der CDU-Politiker Fuchs will "nicht hundertprozentig ausschließen", dass es zu niedrigeren Steuern kommt, sollten die Mehreinnahmen so fließen wie vorhergesagt. Im Südwestrundfunk sagte er, nach wie vor betrachte er es als Ziel der schwarz-gelben Koalition, gerade mittlere Einkommen zu entlasten. Oberste Maxime müsse aber die Schuldenbremse bleiben.
Ähnlich äußerte sich Hasselfeldt. Dem "Hamburger Abendblatt" sagte sie, mögliche Mehreinnahmen würden in den Schuldenabbau fließen und der Haushaltskonsolidierung dienen. "Wenn anschließend tatsächlich noch weitere Spielräume bestehen, haben wir noch das Problem der "kalten Progression" anzugehen."
Union und FDP wollen seit dem Start der Koalition das Problem der "kalten Progression" und des "Mittelstandsbauches" mildern. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Effekte des Systems, die aber beide Folge progressiv steigender Einkommensteuersätze sind. Ziel ist es grundsätzlich, dass nicht jeder zusätzlich verdiente Euro so stark steuerlich belastet wird wie bisher.
Defizite fressen Mehreinnahmen auf
Der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Stephan Articus, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wir freuen uns, dass der Aufschwung den Städten hilft und den Aufstieg aus dem Tal der Tränen beschleunigt." Ein schnelles Ende der kommunalen Finanzprobleme sei aber nicht in Sicht. Die Mehrheit der Städte müsse zusätzliche Steuereinnahmen erst einmal zum Abbau von Defiziten verwenden.
Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte, ein Drittel der erwarteten Steuermehreinnahmen für die "Beseitigung von Armut" sowie die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen zu nutzen. Ein weiteres Drittel müsse in eine sozial-ökologische Energiewende investiert und das letzte Drittel für den Schuldenabbau genutzt werden. DGB-Vorstand Claus Matecki plädierte für eine Lockerung der Sparmaßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik und für Finanzhilfen an die Kommunen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP