Besuch in Kiew Merkel hilft navigieren
21.07.2008, 17:49 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel will die schrittweise Annäherung der Ukraine an die EU und an die NATO unterstützen, lehnt aber weiter einen raschen Beitritt ab. Die Kanzlerin machte sich bei einem Besuch in Kiew für ein Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU stark. "Es ist eine sehr klare engere Anbindung an die Europäische Union", sagte Merkel nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko.
Die Bundeskanzlerin betonte jedoch, dass es keinen Automatismus für eine Mitgliedschaft gebe. Bei einem Gipfel der EU und der Ukraine soll im September voraussichtlich der politische Teil eines erweiterten Partnerschaftsabkommens mit der EU unter Dach und Fach kommen. Ein Assoziierungsabkommen würde noch etwas darüber hinaus gehen und der Ukraine die Teilnahme am Binnenmarkt sowie eine Erleichterung bei Visafragen ermöglichen.
NATO-Beitritt geht Russland nichts an
Für die Pläne der Ukraine für einen NATO-Beitritt kündigte Merkel eine "Navigationshilfe" an, um das Land fit zu machen: Die NATO-Außenminister beraten im Dezember über eine mögliche Aufnahme der Ukraine in den "Aktionsplan für eine Mitgliedschaft". US-Präsident George W. Bush will einen raschen Beitritt von Georgien und der Ukraine. Russland lehnt jedoch einen NATO-Beitritt ab und droht der Ukraine mit einem Ende der Zusammenarbeit in sensiblen Wirtschaftsfeldern. Merkel betonte in diesem Zusammenhang, eine NATO-Mitgliedschaft sei keine Frage Dritter: "Das ist eine Frage zwischen der Ukraine und den NATO-Mitgliedstaaten."
Juschtschenko sprach von einem Fortschritt auf dem Weg zur EU. "Wir spüren einen intensiven Dialog", sagte er und dankte Merkel. Die Frage eines NATO-Beitritts sei dagegen "viel empfindlicher". "Ich bin ein Optimist, wir gehen einen richtigen Weg."
Juschtschenko will Gas-Verpflichtungen einhalten
Der ukrainische Präsident sagte Deutschland zu, die Verpflichtungen bei Gaslieferungen aus Russland zu erfüllen. Merkel sagte, sie gehe von "verlässlichen Lieferbeziehungen" aus. Juschtschenko warnte angesichts anstehender Preisverhandlungen unter anderem mit Russland vor "politischer Erpressung". In Moskau bestätigten Präsident Dmitri Medwedew und der Chef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, dass der Gaspreis für die Ukraine von Januar 2009 von derzeit 179 Dollar (112 Euro) je 1000 Kubikmeter auf rund 400 Dollar mehr als verdoppelt werde.
Deutschland und die Ukraine vereinbarten einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Hierbei gebe es großes Potenzial, sagte Merkel. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und dem Agrarstaat Ukraine wächst stetig.
Die Ukraine ist politisch gespalten in ein pro-westliches und NATO-kritisches Lager. Dazu kommt, dass Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko - die Helden der Orangenen Revolution von 2004 - in vielen innenpolitischen Fragen zerstritten sind. Die ukrainische Ministerpräsidentin nahm an einem Mittagessen mit Juschtschenko und Merkel teil.
Timoschenko lobt Deutschland
Timoschenko lobte Deutschland mit seiner politischen Stabilität und Wirtschaftskraft nach einem Treffen mit Merkel als "Vorbild" für die Ukraine. Nach Angaben der Regierungschefin wird die Ukraine Merkels Angebot eines verstärkten Kampfes gegen die Immunschwächekrankheit Aids annehmen.
Flagge verloren
Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt hätte es fast ein Malheur gegeben. Die Limousine der Kanzlerin verlor auf der Fahrt zur Residenz des ukrainischen Präsidenten eine deutsche Fahne. In der Residenz wurde aber kurzerhand gestoppt und in Windeseile eine Ersatzflagge am Auto montiert. So erreichten Merkel und die Delegation mit kompletter "Beflaggung" am Wagen die ukrainische Hauptstadt.
Vor ihrem Rückflug nach Deutschland legte Merkel am Grab des unbekannten Soldaten einen Kranz nieder.
Quelle: ntv.de