Politik

Gängige Praxis Merkel stützt Guttenberg

Wie vernünftig war es von Guttenberg, eine Anwaltskanzlei mit einem Gesetzentwurf zu beauftragen?

Wie vernünftig war es von Guttenberg, eine Anwaltskanzlei mit einem Gesetzentwurf zu beauftragen?

(Foto: dpa)

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist wegen des Einsatzes externer Kräfte zur Erarbeitung des Bankengesetzes in die Kritik geraten. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) warf Guttenberg Steuerverschwendung vor, weil der Minister eine Kanzlei mit der Angelegenheit betraut hatte. Auch die Opposition kritisierte den Vorgang, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte Guttenberg hingegen. Beide Ministerien streiten seit Monaten über einen Kompromiss.

Seit Jahrzehnten gängige Praxis

"Die Bundeskanzlerin sieht hier keinen Anlass zur Kritik", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Die Einbindung externer Berater ist nach den Worten von Wilhelm seit Jahrzehnten gängige Praxis - nicht nur in Deutschland. Sie komme in jeder westlichen Demokratie vor - vor allem, wenn kurzfristig Sachverstand gefragt sei. Die Grenze sei, "dass natürlich nicht die externen Experten sich selbst interessensgerecht einen Gesetzentwurf schreiben". Die Vorgaben und inhaltliche Erwartungen lägen bei der Regierung. Er gehe davon aus, dass auch im jüngsten Fall diese Grenze eingehalten worden sei, stellte Wilhelm klar. Große Kanzleien wie Linklaters arbeiten auch für Banken und Unternehmen.

Text aus britischer Kanzlei

Auslöser ist der Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium zur staatlichen Zwangsverwaltung maroder Banken. Der Text stammt von der britischen Anwaltskanzlei Linklaters. Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz wies Darstellungen zurück, wonach das Gesetz komplett von der Kanzlei erstellt worden sei. "Es ist wirklich blanker Unsinn, dass dieses Gesetz ausschließlich von einer Kanzlei geschrieben sein soll." Die inhaltlichen Vorgaben seien aus dem Ministerium gekommen, das Stufenmodell sei von Wirtschaftsstaatssekretär Walther Otremba entwickelt worden: "Die Kanzlei war lediglich beratend tätig bei der Umsetzung dieses Modells in einen Gesetzestext."

Rückendeckung kam auch aus der Union. CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter warf Zypries "schnoddriges Vorgehen" vor. Ihr gehe es nur um die Beschädigung des populären und erfolgreichen Wirtschaftsministers. Nach den Worten Kampeters verweigert sich Zypries seit Februar, an einer marktwirtschaftlichen Lösung für den Bankensektor mitzuwirken: "Für die eigene Unwilligkeit jetzt einen Kabinettskollegen anzugreifen, disqualifiziert die Justizministerin." Offenkundig gehe es Zypries nicht um die Sache, sondern um die Beschädigung eines populären und erfolgreichen Wirtschaftsministers.

Wo kommen Steinbrücks Gesetze her?

Im Übrigen sollte die Justizministerin einmal bei Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) nachfragen, wie dort Kanzleien eingespannt werden, sagte Kampeter mit Blick auf die Einschaltung der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer beim Banken-Rettungsgesetz. Zypries hatte der "Berliner Zeitung" gesagt: "Es ist unverantwortlich, eine große Wirtschaftskanzlei zu beauftragen, statt den vorhandenen Sachverstand innerhalb der Bundesregierung zu nutzen." Das sei "eine Verschwendung von Steuergeldern".

Die Bundesregierung hatte mit der Verabschiedung des umstrittenen Banken-Enteignungsgesetzes Zypries und Guttenberg Mitte Februar beauftragt, ein "Restrukturierungs-Modell" zu entwerfen. Beide Häuser hatten daraufhin unterschiedliche Modelle und Vorschläge vorgelegt, sich aber noch nicht auf einen Kompromiss verständigt. Nach Darstellung des Sprechers Guttenbergs hatte das Wirtschaftsministerium daraufhin die Anwaltskanzlei mit der Arbeit beauftragt, nachdem deutlich wurde, dass es zu keiner Einigung mit dem Justizministerium kommt.

Zypries schreibt selbst - oder auch nicht

Das Justizministerium will laut einer Sprecherin "demnächst" ebenfalls einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Sie betonte: "Das Justizministerium schreibt seine Gesetzentwürfe selbst". Es gebe dort hoch qualifizierte Juristen. Es sei auch eine der Kernaufgaben eines Ministeriums, Gesetzentwürfe zu erarbeiten. Im Gegensatz zum Justizministerium sieht das Wirtschaftsministerium die Notwendigkeit einer "zügigen Regelung". Es gibt allerdings keine Frist.

Anders als behauptet habe auch das Justizministerium auf Hilfe externer Juristen zurückgegriffen, schreibt jedoch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Mit 137.000 Euro seien die Kosten im Ressort von Zypries eher gering ausgefallen, allerdings sei dies das Dreifache des angesetzten Betrages gewesen.

Mehr Berater-Geld gezahlt als geplant

Dem FAZ-Bericht zufolge hat das Wirtschaftsministerium 620.000 Euro ausgegeben, fast das Doppelte der geplanten Ausgaben.

Insgesamt nutze die Bundesregierung externe Berater weit stärker als bekannt. Allein das SPD-geführte Finanzministerium habe Ausgaben über 14,28 Millionen Euro verbucht. Das seien 9,2 Millionen mehr als angesetzt.

Das Finanzministerium hat damit laut FAZ die mit Abstand höchsten Ausgaben für Gutachterleistungen gehabt. Ihm folgten das Außenministerium von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit fast 1,3 Millionen Euro (Ansatz 1,1 Millionen) und das CDU- geführte Innenministerium mit 1,26 (0,7) Millionen Euro.

Finanzministerium: Irreführende Angaben

Der Sprecher des Finanzministeriums, Stefan Olbermann, sagte dazu in Berlin, es sei irreführend, wenn der Eindruck entstehe, das Ministerium habe in dem genannten Umfang Ausgaben zur externen Unterstützung der Arbeit an Gesetzestexten gehabt. Bei den 14,28 Millionen Euro handele es sich überwiegend um Beratungskosten im Zusammenhang mit Privatisierungsvorhaben.

Haushaltsausschuss will Antworten

Auch im Haushaltsausschuss des Bundestages soll die Angelegenheit beraten werden. "Ich möchte wissen, welches Ausmaß und welchen Einfluss externe Beratung in der großen Koalition in allen Ressorts wirklich hatte und was der Steuerzahler hierfür bezahlen musste", sagte der Vorsitzende des Gremiums, Otto Fricke (FDP), dem Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe). Der Ausschuss will bis zur kommenden Woche konkreten Aufschluss über alle derartigen Aufträge der großen Koalition und die Kosten erhalten.

"Legislative und Exekutive sollten ihre Unabhängigkeit nicht selbst infrage stellen", sagte FDP-Vize Rainer Brüderle der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". "Beim Bürger kann schnell der Eindruck entstehen, dass Interessen Dritter in die Gesetzestexte fließen."

Bankrottbekenntnis der Ministerien

"Für mich ist das ein Fall für den Rechnungshof", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der "Berliner Zeitung". "Ich will wissen, wie viel Steuergeld Guttenberg für diesen Entwurf gezahlt hat. Das hätte er aus seiner Wahlkampfkasse finanzieren können, aber nicht aus dem Bundeshaushalt." Auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel nannte in der "Leipziger Zeitung" Guttenbergs Vorgehen Steuergeld-Verschwendung. Die Kernarbeit der Gesetzestexte habe im Ministerium stattzufinden. Wolfgang Neskovic, Fraktionsvize der Linken, sprach von einem "Bankrottbekenntnis der Ministerien". Die Gesetzgebung sei ureigenste Aufgabe des Parlaments und der Bundesregierung.

Einer Regierungsantwort auf eine Anfrage der Linkspartei zufolge gaben Ministerien der großen Koalition zwischen 2006 und 2009 mindestens 2,5 Millionen Euro für insgesamt 17 Gesetze und Verordnungen aus. Allein das Gesetz zur Neuordnung des Bundes schlug mit knapp 1,1 Millionen Euro zu Buche. Die Regierungsantwort stammt vom März dieses Jahres, das Gesetz zur Banken-Zwangsverwaltung ist darin nicht enthalten.

Ein Wimpernschlag in der politischen Geschichte

Der 37-jährige Guttenberg ist unterdessen auf Rang eins der Liste der beliebtesten Politiker Deutschlands aufgerückt und fühlt sich inzwischen zu sehr beobachtet. "Wenn einem noch der letzte Zehennagel in der Begutachtung umgedreht wird, ist der Spaßfaktor überschaubar", sagte Guttenberg der Illustrierten "Bunte". Ihm selbst sei seine Popularität unerklärlich und unheimlich. "Deswegen muss man dem Ganzen auch mit einer großen inneren Distanz, mit Wachsamkeit und Skepsis begegnen", sagte der Bundeswirtschaftsminister. Beliebtheitswerte seien "immer nur Wimpernschläge in der politischen Geschichte".

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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