Politik

Mubarak nach Deutschland? Merkel versucht Ägypter zu bremsen

Holz für ein kleines Feuer, mehr Material gibt es nicht.

Holz für ein kleines Feuer, mehr Material gibt es nicht.

(Foto: dpa)

Bundeskanzlerin Merkel ist vorsichtig in der Ägypten-Frage. Sie wolle nicht, dass dort hastig und zu schnell agiert werde. Überstürzte Wahlen seien ungünstig. Auf dem Tahrir-Platz harren Tausende weiter aus - unter zunehmend schlechten Bedingungen. Und hinter den Kulissen kursiert das Gerücht, Präsident Mubarak könnte nach Deutschland abgeschoben werden.

Merkel und Clinton mahnen zur Ruhe.

Merkel und Clinton mahnen zur Ruhe.

(Foto: AP)

Die USA und Europa dringen auf Reformen in Ägypten, warnen aber vor sofortigen Neuwahlen in dem Land. US-Außenministerin Hillary Clinton betonte in ihren Gesprächen mit europäischen Kollegen und Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass Washington nicht auf einen schnellen Rücktritt des umstrittenen Präsidenten Husni Mubarak drängen werde. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron warnten bei der Münchener Sicherheitskonferenz vor überstürztem Vorgehen.

"Die ganz schnelle Wahl als Beginn eines Demokratisierungsprozesses halte ich für falsch", sagte Merkel mit Blick auf ihre eigene Erfahrung bei der deutschen Einheit. Neue Strukturen brauchten Zeit, sich zu entwickeln. "Wenn als erstes gewählt wird, haben neue Strukturen keine Chance", warnte Merkel. In EU-Kreisen wurde darauf verwiesen, dass die ägyptische Verfassung vorsehe, dass 60 Tage nach einem Rücktritt Mubaraks gewählt werden müsse - das erklärt die Vorsicht, den Präsidenten zu einem sehr raschen Rücktritt zu drängen. Die US-Vertreter betonten, man brauche etwas Zeit, um mit Personen an wichtigen Machtstellen einen friedlichen Übergang zu organisieren. "Ich glaube nicht, dass wir die Weltprobleme lösen, wenn wir einen Schalter umlegen oder Wahlen abhalten", sagte der britische Premierminister.

Zugleich sicherte Merkel aber zu, Deutschland und Europa stünden klar auf der Seite der Reformer in Ägypten. "Wer sind wir, wenn wir nicht sagen, dass wir an der Seite dieser Menschen stehen", sagte die Kanzlerin. "Es wird in Ägypten eine Veränderung geben." Es sei eine Pflicht der westlichen Regierungen, sich für Werte wie Presse- und Meinungsfreiheit einzusetzen. "Die ägyptischen Verantwortlichen sind aufgefordert, das zu sichern", betonte Merkel. "Es gibt wieder Bilder von Menschen, die sich etwas trauen, die ihre Angst ablegen, Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen." Es dürfe keine Kompromisse in der Achtung zentraler Rechte von Menschen geben.

Merkel will Kontakte nutzen

Merkel forderte eine "friedliche und geordnete" Entwicklung in Ägypten. Man habe auch ein Interesse an Stabilität, was ein Spannungsfeld mit der Einforderung von Werten erzeuge. Die EU verfüge über gute Kontakte in die Zivilgesellschaft in Ägypten, die sie nun nutzen wolle. "Der Wandel muss gestaltet werden. Europa ist ein Partner dafür."

Der Wille zum Protest ist ungebrochen.

Der Wille zum Protest ist ungebrochen.

(Foto: dpa)

Merkel zeigte sich zudem optimistisch, dass der technologische Wandel und die Verbreitung des Internets weltweit einen wichtigen Beitrag für die Durchsetzung zentraler westlicher Werte leisten werde. "Es kann sich niemand mehr verstecken. Alles hat ein Gesicht." Die technologischen Entwicklungen kämen zudem stets aus freiheitlichen Gesellschaften. Es werde zunehmend schwerer, den Zugang zu Informationen in China, Ägypten und Tunesien zu sperren. "Das ist ein klein wenig auch unser Verdienst", sagte sie mit Blick auf die transatlantische Zusammenarbeit.

Nach dem Ablauf eines Ultimatums der ägyptischen Opposition für einen Rücktritt Mubaraks ist derweil der Protestwille der Regierungsgegner ungebrochen. Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo harren tausende Menschen aus und demonstrierten auch am 12. Tag in Folge weiterhin gegen ihre Führung. Nach n-tv.de-Informationen wird die Versorgungslage der Demonstranten jedoch zunehmend schlecht. Medikamente und Lebensmittel werden von Armee-Angehörigen an den Zugängen konfisziert, es macht sich das Gefühl breit, von Mubarak "ausgehungert" zu werden. Gleichzeitig verhandelt die Armee offenbar mit den Demonstranten darüber, die Barrikaden auf dem Platz abzubauen. Damit schützen sich die Regimegegner bislang gegen Angriffe von Mubarak-Anhängern.

Mubarak zeigt sich

Mubarak selbst traf mit Ministern seiner neuen Regierung zusammen. Der unter Druck stehende Präsident habe Regierungschef Ahmed Schafik, die Minister für Erdöl, Handel, Finanzen und für soziale Solidarität sowie den Gouverneur der Zentralbank getroffen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Mena. Zu den Themen der Gespräche wurden keine Angaben gemacht. Es handelte sich um das erste Treffen Mubaraks mit der Regierung seit deren Umbildung vergangene Woche.

Mubarak will nicht aufhören. Noch nicht.

Mubarak will nicht aufhören. Noch nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die US-Regierung erwägt laut "New York Times" offenbar, ihn nach Deutschland zu bringen. Dem 82-Jährigen könne vorgeschlagen werden, zu einer "verlängerten" medizinischen Untersuchung nach Deutschland reisen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf US-Regierungsvertreter.

Mubarak solle ein würdevoller Abgang ermöglicht werden, hieß es. Daher werde mit ranghohen ägyptischen Vertretern aus Politik und Militär überlegt, Mubarak für längere Zeit nach Deutschland zu bringen, wo er sich bereits mehrfach behandeln ließ. So stünde er den Beratungen über eine Nachfolgeregelung nicht mehr im Wege. Als weitere Alternative wird laut "NYT" über einen Rückzug Mubaraks in seine Residenz im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich nachgedacht.

Mubarak hatte gesagt, für einen Rücktritt sei der richtige Moment noch nicht gekommen. Bei den für September geplanten Präsidentschaftswahlen will der seit drei Jahrzehnten herrschende Staatschef indes nicht mehr antreten.

Deutsche festgenommen?

Während der Proteste wurden laut einem ARD-Bericht sieben Deutsche, darunter auch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), kurzfristig festgenommen. In vertraulichen Unterlagen des Auswärtigen Amtes sei von willkürlichen Verhaftungen von Ausländern die Rede, berichtet der Sender. Demnach seien auch deutsche Studenten abgeführt worden.

Grund für die Festnahmen sei nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes, dass der erst kürzlich ernannte Vizepräsident Omar Suleiman Ausländer für die Gewalt verantwortlich mache. Seine Äußerungen und eine anti-westliche Berichterstattung der staatlich kontrollierten Medien würden von einigen als Freibrief für Jagd auf Ausländer verstanden, heiße es in dem internen Papier.

Pipeline explodiert

Die brennende Pipeline.

Die brennende Pipeline.

(Foto: AP)

Ein Anschlag auf eine Gaspipeline im Nord-Sinai verschärfte unterdessen die Spannungen in Ägypten weiter. Die Situation sei sehr gefährlich, zitierte das Staatsfernsehen einen Behördensprecher. Die Explosionen an der Leitung im Nord-Sinai hätten noch nicht gestoppt werden können. Die Armee half bei den Löscharbeiten. Die betroffene Pipeline versorgt nach n-tv.de-Informationen Jordanien mit Gas. Eine parallel nach isarel verlaufende Leitung ist offenbar nicht betroffen. Aus dem israelischen Verkehrsministerium war aber zu erfahren, dass Israel aus Sicherheitsgründen trotzdem die Leitung sperrte. Wie lange diese Maßnahme beibehalten werde, sei noch unklar.

Israel bezieht 40 Prozent seiner Gaslieferungen aus Ägypten. Laut der US-Gruppe Site, die Al-Kaida und islamistische Internetseiten beobachtet, haben einige Gruppen dazu aufgerufen, die Pipeline nach Israel anzugreifen. Ägypten hat mit Israel ein Friedensabkommen. Der 82-jährige Mubarak hatte stets für das Friedensabkommen von 1979 garantiert.

Quelle: ntv.de, jmü/ghö/usa/AFP/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen