Politik

Opposition lacht Kauder aus Merkel verteidigt Schulden-Rekord

SPD-Fraktionschef Steinmeier nutzt die Generaldebatte im Bundestag zur Abrechnung mit Schwarz-Gelb: "So schlecht wurde Deutschland seit Jahrzehnten nicht regiert." Die Kanzlerin verteidigt ihre Koalition und verspricht trotz Rekordverschuldung Steuersenkungen. Für Lacher sorgt Unionsfraktionschef Kauder, der der Opposition aus dem Herzen spricht.

Merkel sieht Deutschland vor einer "Herkulesaufgabe".

Merkel sieht Deutschland vor einer "Herkulesaufgabe".

(Foto: dpa)

Die beispiellose Schieflage der Staatsfinanzen hat im Bundestag einen erbitterten Streit über die richtigen Rezepte gegen die Wirtschaftskrise ausgelöst. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Regierung in der Generaldebatte über den Haushalt 2010 vor, mit ihren internen Querelen die Zukunft des Landes zu verspielen. Die Grünen bemängelten, Kanzlerin Angela Merkel fehlten klare Ziele. Die Linke kritisierte eine Umverteilung von unten nach oben. Merkel sieht ihre Regierung dagegen auf einem guten Weg. Der Schlüssel zur Überwindung der Probleme sei der Arbeitsmarkt.

Die Koalition türmt in ihrem ersten Haushalt das höchste Defizit in der bundesdeutschen Geschichte auf: Die Neuverschuldung steigt auf über 80 Milliarden Euro - das ist doppelt so viel wie der bisherige Rekord von 1996. Merkel zufolge ist der Schuldenkurs alternativlos, weil ansonsten die Sozialbeiträge steigen müssten. Das könnte Beschäftigung kosten. Die EU-Kommission kritisierte die deutsche Haushaltspolitik. Die bisherigen Spar-Anstrengungen seien "nicht ausreichend".

"Ich weiß es auch nicht"

Für Lacher der Opposition sorgte Unionsfraktionschef Volker Kauder, als er sagte: "Ich weiß auch nicht, was Schwarz-Gelb will. Ich weiß auch nicht, was Schwarz-Gelb macht ...". Die Abgeordneten auf den Bänken von SPD, Grünen und Linken prusteten so laut los, dass Kauder zunächst nicht weiter durchdrang. Dann vervollständigte er seinen Satz: "Ich weiß aber, was Christlich-Liberal will und macht." Die Regierung hatte vor einigen Wochen beschlossen, sich in Abgrenzung zu dem aus ihrer Sicht negativ besetzen Schwarz-Gelb als "christlich-liberale Koalition" zu bezeichnen.

"Mehr Bürokratie wagen"

Steinmeier forderte in der traditionellen Abrechnung mit der Regierung eine strikte Regulierung der Finanzmärkte, die die weltweite Krise ausgelöst und nun auch Griechenland fast in den Ruin getrieben hätten. "Stoppen Sie die Finanzjongleure, die sich da ein ums andere Mal auf Kosten der Allgemeinheit bereichern", appellierte er an Merkel. Reine Spekulationsgeschäfte müssten verboten, Hedge-Fonds an die Kette gelegt werden. Die Koalition sei in diesem Punkt aber zerstritten: "Wer soll denn glauben, dass diese Regierung in der Lage ist, die Macht von Banken und Börsen einzuschränken?"

Die Kanzlerin müsse "ihren Laden in Ordnung bringen", sagte Steinmeier. "So schlecht wurde Deutschland seit Jahrzehnten nicht regiert." Der Kabinettssaal sei kein Abenteuerspielplatz, die Regierung keine Selbsterfahrungsgruppe. Nach kaum sechs Monaten im Amt stehe die Koalition "vor den Trümmern einer zerrütteten Ehe". Die Banken- und Finanzmarktlobby atme erleichtert auf. Er warnte mit Blick auf die Pläne der FDP in der Gesundheitspolitik: "Fahren Sie das Gesundheitssystem nicht mit der Kopfpauschale gegen die Wand." Angesichts der geplanten Schaffung neuer Stellen in vielen Ministerien sagte Steinmeier in Anspielung auf einen Wahlkampfslogan von Bundeskanzler Willy Brandt: "Mehr Bürokratie wagen, das ist Ihre Parole."

Giftliste bleibt geheim

"Trümmer einer zerrütteten Ehe": SPD-Fraktionschef Steinmeier lässt kein gutes Haar an der Regierung.

"Trümmer einer zerrütteten Ehe": SPD-Fraktionschef Steinmeier lässt kein gutes Haar an der Regierung.

(Foto: dpa)

Merkel ihrerseits verteidigte in ihrer Rede die hohe Schuldenaufnahme und die Arbeit ihrer Regierung. Die Koalition sei "handlungsfähig in einer schwierigen Situation". Erneut stimmte sie Deutschland auf einen strikten Sparkurs ein - wie der aussehen soll, bleibt jedoch ein Geheimnis. In den nächsten Jahren stehe "vor uns eine riesige Aufgabe, ich sage eine Herkulesaufgabe, weil wir eigentlich Unvereinbares zusammenbringen müssen: Haushaltskonsolidierung, Wachstum schaffen", sagte Merkel.

Sie stärkte Finanzminister Wolfgang Schäuble den Rücken und kritisierte Ausgabenwünsche der Ministerien für 2011. Trotz der Schulden bekräftigte sie das Ziel der Steuerentlastung. Um die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten, muss das Defizit im Bundeshaushalt bis 2016 jährlich um rund zehn Milliarden Euro abgebaut werden.

"Sie sind auf dem falschen Trip"

Und action: Die Kanzlerin während ihrer Rede, in der sie die Schulden verteidigte, Steuersenkungen versprach und die SPD ihrerseits angriff.

Und action: Die Kanzlerin während ihrer Rede, in der sie die Schulden verteidigte, Steuersenkungen versprach und die SPD ihrerseits angriff.

(Foto: dpa)

Die Kanzlerin warf den Sozialdemokraten mit Blick auf deren Abrücken von den Hartz-Reformen eine "Rolle rückwärts" in der Sozialpolitik vor. Die SPD wolle keine Vermögensprüfung für die, die Arbeitslosengeld II bekommen: "Ich glaube, da sind Sie auf dem falschen Trip."

Merkel kündigte weitere Schritte gegen Spekulationen an. Das Kabinett werde bald einen Beschluss zur Restrukturierung und Abwicklung von Banken fassen. Der Internationale Währungsfonds werde dann im Juni Vorschläge machen, wie die Banken an den Krisenkosten beteiligt werden könnten. Sie verwies zudem auf einen Vorstoß mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu einem Verbot von Wetten mit ungedeckten Kreditversicherungen.

Der schwierigste Bereich sei wohl die Gesundheitspolitik, sagte Merkel. Damit auch künftig jeder Mensch die Versorgung bekomme, die er brauche, müssten Kostensteigerungen von den Lohnkosten entkoppelt werden.

Grüne kritisieren "Durcheinander"

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte, die Regierung schiebe die Finanzmarktregulierung auf die EU und damit auf die lange Bank. Seine Exporterfolge habe Deutschland auch dem größten Dumpinglohnsektor aller Industrieländer zu verdanken. Nun werde von Griechenland ein ähnlicher Kurs verlangt. Er verstehe, dass sich die Menschen dort gegen eine solche Politik wehrten und nicht für die Zockerei der Banken bezahlen wollten.

Trotz aller Kritik sorgte die Opposition auch für eine gewisse Begeisterung auf der Regierungsbank.

Trotz aller Kritik sorgte die Opposition auch für eine gewisse Begeisterung auf der Regierungsbank.

(Foto: REUTERS)

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast griff Merkel direkt an: "Das ganze Durcheinander in der Bundesregierung haben Sie zu verantworten." Zur Kritik von FDP-Chef Guido Westerwelle am Sozialstaat habe sie kein Wort gesagt, auch nicht zu seinen Reisen als Außenminister. Ebenfalls unbeantwortet blieben die Fragen, wie es mit den versprochenen Steuersenkungen weitergehen solle und wie die Schuldenaufnahme wieder begrenzt werden könne.

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger verwahrte sich gegen Kritik an Westerwelle. Auch Unionsfraktionschef Volker nannte einige Attacken nicht akzeptabel.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts

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