Kritik am "großen Bluff" Merkel verteidigt Versprechungen
29.06.2009, 16:24 Uhr
Großes Versprechungen: Die Union hat sich auf Steuersenkungen festgelegt.
(Foto: AP)
Zum Wahlkampfauftakt der Union hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die umstrittenen Versprechen der Partei für Steuerentlastungen energisch verteidigt. Nachdem Milliarden Euro in die Abfederung des Wirtschaftsabschwungs gesteckt worden seien, müsse nun dem Weg aus der Talsohle genauso große Bedeutung geschenkt werden, sagte die CDU-Vorsitzende auf einem Wahlkongress in Berlin. Dafür sei "außerordentliche Fantasie" notwendig. Heftige Kritik an den Beschlüssen kam von SPD, Grünen und der Linkspartei, die vor allem die geplanten Steuersenkungen für leere Versprechungen halten.
Merkel betonte, dass sich die Union mit ihrem am Sonntag verabschiedeten Wahlprogramm an alle Gruppen der Gesellschaft von Gewerkschaften über Unternehmer bis zu den Kirchen wende. "Unser Angebot heißt: Macht alle mit. Seid alle dabei. (...) Alle sind herzlichst eingeladen, ihren Beitrag für unser Land zu leisten."
Beschluss ohne Parteitag
Bei dem "Wahlkongress" in Berlin haben die beiden Schwesterparteien ihr gemeinsames "Regierungsprogramm" vorgestellt. Anders als bei den anderen Bundestagsparteien wurde das Programm nicht von einem Parteitag, sondern am Sonntag auf einer gemeinsamen Sitzung der Vorstände von CDU und CSU beschlossen.
Merkel rief in ihrer 30-minütigen Rede ihre Partei nach dem Steuerstreit zur Geschlossenheit auf. Es sei gut, wenn es in einer Volkspartei verschiedene Ansichten gebe. 90 Tage vor der Wahl müsse es nun aber nicht zu viel davon geben. "Jetzt muss die Botschaft an den Mann und die Frau." Nachdem Milliarden Euro in die Abfederung der Krise gesteckt worden seien, sei der Weg heraus genauso wichtig, argumentierte Merkel. Es gehe um Haushaltssanierung, Investitionen in Bildung und moderate Entlastungen. CSU-Chef Horst Seehofer sicherte ihr seine volle Unterstützung zu. Auch Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger lenkte im Steuerstreit ein.
Oettinger bleibt bei einem "aber"
Er verzichtet vorerst auf die Forderung nach einer höheren Mehrwertsteuer für bestimmte Produkte. "Dass wir keine Steuern erhöhen, akzeptiere ich voll und ganz." Dies stehe im Unions-Wahlprogramm. Er werde sich trotzdem dafür einsetzen, den Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie zu prüfen und wenn möglich zu senken. Oettinger hatte ins Gespräch gebracht, die ermäßigte Mehrwertsteuer von 7 Prozent zu erhöhen und den vollen Satz für Gaststätten von 19 Prozent zu senken. Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer hatte einen höheren Spitzensteuersatz vorgeschlagen. Er nahm wegen Zahnschmerzen nicht am Wahlkongress teil.
Bei n-tv betonte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, Oettinger und Böhmer hätten dem "einstimmigen Beschluss gestern im CDU-Bundesvorstand (...) ausdrücklich zugestimmt". Hinter diesem Beschluss "werden sich jetzt alle - die Mitglieder der Vorstände, aber auch die Ministerpräsidenten - versammeln", so Pofalla.
Merkel will "Dampf machen"
Merkel rief die Bürger zu einem Aufbruch auf. "Wir müssen Dampf machen", sagte sie. "Unser Angebot heißt: Macht alle mit." Die Union wende sich mit ihrem Wahlprogramm an alle Gruppen der Gesellschaft von Gewerkschaften über Unternehmer bis zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Als zentrales Wahlkampfthema sieht Merkel die Suche nach richtigen Antworten auf die Wirtschaftskrise.
Seehofer demonstrierte in seiner nur zehnminütigen Rede Geschlossenheit und lobte Merkel überschwänglich. "Sie ist unsere Kanzlerin und sie wird es bleiben", sagte der bayerische Ministerpräsident. Merkel genieße auch international höchstes Ansehen, sei durchsetzungsstark und habe einen klaren Kompass. Das Unionsprogramm nannte er zukunftsweisend. "Wir haben einen klaren Fahrplan für die Politik der Zukunft." Unterstützung kam auch aus der Bundestagsfraktion der bayerischen Schwesterpartei. Die Steuersenkung sei notwendig, um "Leistungsträger bei uns anzufeuern, zu motivieren", sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer bei n-tv.
Merkel und Seehofer bekannten sich erneut zu einer Koalition von Union und FDP nach der Bundestagswahl am 27. September. Allerdings schwankten die Freidemokraten zwischen allen Polen, sagte Seehofer. Die FDP sieht im Wahlprogramm der Union eine gute Grundlage für eine schwarz-gelbe Bundesregierung. Allerdings seien insbesondere in der Steuerpolitik noch weitere Klärungen notwendig, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Er sprach sich erneut entschieden gegen Steuererhöhungen aus und kritisierte hier die "Wackelei" einiger Unions-Politiker.
Opposition kritisiert "Mogelpackung"
Die SPD und die Oppositionsparteien übten heftige Kritik am Wahlprogramm der Union. Sie bezeichneten es als vage und verantwortungslos. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bezeichnete es als "Mogelpackung" und "dünne Suppe". Mit ihren Versprechen von Steuersenkungen habe die Union "jeden Kompass verloren". Nach Ansicht von Heil sind die Steuerpläne von CDU und CSU nur über einen breiten Sozialabbau zu finanzieren. Das Programm der Union sei "im Bereich der Finanzpolitik verantwortungslos": Angesichts wegbrechender Steuereinnahmen "kann man Steuersenkungen auf breiter Front nicht versprechen".
Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, nannte das Steuerkonzept der Union einen "großen Bluff". Pate habe offenbar "der Baron von Münchhausen" gestanden. Es sei unklar, wie das alles "auch nur halbwegs finanziert werden soll". Laut Steuerschätzung werde es bis zum Jahr 2013 ein Haushaltsloch von 300 Milliarden Euro geben.
Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sagte in Berlin, die Wähler glaubten Ankündigungen von Steuersenkungen nicht. Sie gab der Union Mitschuld an der Rezession: "Die Finanzkrise trägt einen Namen, und der heißt Angela Merkel."
Das Unions-Programm sieht für die nächsten vier Jahre Steuersenkungen von insgesamt 15 Milliarden Euro vor. Ein präziser Termin und Hinweise auf eine Gegenfinanzierung finden sich in dem Papier nicht. Steuererhöhungen soll es nicht geben.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP