Keine Goldreserven als Sicherheit Merkel zügelt von der Leyen
23.08.2011, 21:57 Uhr
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Der Vorstoß von Arbeitsministerin von der Leyen, Goldreserven der Euro-Schuldnerländer als Sicherheit für Kredite zu verlangen, stößt in der CDU-Führung auf wenig Gegenliebe. Kanzlerin Merkel möchte "diesen Weg nicht weiter beschreiten". Dafür setzt sie auf den Europäischen Gerichtshof, der die Haushalte der Euro-Länder kontrollieren soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will von verschuldeten Euro-Ländern keine Goldreserven als Sicherheit für Kredite verlangen. In einer Sondersitzung der Unionsfraktion zum geplanten neuen Euro-Rettungsfonds EFSF in Berlin lehnte sie einen entsprechenden Vorschlag von Arbeitsministerin und Parteikollegin Ursula von der Leyen ab. Nach Teilnehmerangaben sagte Merkel: "Ich rate, diesen Weg nicht weiter zu beschreiten."
Allerdings hatten die Kanzlerin und andere EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am 21. Juli eine Sonderregelung gebilligt, wonach Finnland mit Griechenland eine Extra-Sicherheit als Gegenleistung für Hilfskredite aushandeln konnte. Damit soll der Beitrag Helsinkis an den Athen-Hilfen abgesichert werden. So wurde Finnland trotz seiner Bedenken für ein neues Milliarden-Hilfspaket für Griechenland mit ins Boot geholt.
Der CDU-Abgeordnete Philipp Mißfelder sagte am Rande der Sondersitzung, bei der rund ein Drittel der Abgeordneten fehlte: "Es gibt keinen Grund zu sagen, (...) Finnland darf das in Anspruch nehmen und Deutschland darf das nicht in Anspruch nehmen. (...) Die Regierung hat am 21. Juli gesagt: Extra-Touren für manche." Für ihn sei das sehr überraschend gewesen. "Es darf kein Fass ohne Boden geben", sagte er dem ZDF. Die Politik habe eine hohe Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler. "Man muss prüfen, ob das Gold der griechischen Nationalbank nicht als Sicherheit genommen werden kann."
Merkel geht harten Sparkurs
Nach Angaben ihres Vorsitzenden Volker Kauder steht die Unionsfraktion im Bundestag mit breiter Mehrheit hinter dem geplanten neuen Euro-Rettungsfonds EFSF und den Beschlüssen der Bundesregierung. Nach einer zweieinhalbstündigen Sondersitzung der Abgeordneten von CDU und CSU, von denen knapp ein Drittel fehlte, sagte Kauder: "Ich sehe, dass wir die notwendige Mehrheit erreichen können." Kauder sagte weiter, der Euro sei auch in der heutigen Zeit stabil. Er bekräftigte, Eurobonds - gemeinsame Staatsanleihen der Euroländer - werde es mit der Union nicht geben.
Um die Vorbehalte gegen den Euro-Kurs der Bundesregierung zu entkräften, hatte sich Merkel in der Sitzung zu einem harten Sparkurs in der Euro-Zone bekannt. Nach Angaben von Teilnehmern forderte sie dabei nicht nur erneut nationale Schuldenbremsen in allen 17 Euro-Staaten, sondern brachte auch ein Klagerecht des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bei Verstößen gegen den europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt ins Gespräch. Sie verwies darauf, dass der EuGH anders als bei anderen EU-Themen in der Finanzpolitik bisher nicht zuständig sei, bestätigten mehrere Teilnehmer der Sitzung. Bei Verstößen gegen die Defizit- und Verschuldungsvorgaben könnte der Gerichtshof die entsprechenden Haushalte für nichtig erklären und einen neuen Etatentwurf verlangen, hieß es.
Allerdings habe Merkel als bevorzugten Weg für eine straffere Haushaltskontrolle vor allem für eine Selbstverpflichtung der nationalen Parlamente geworben, eine Sparpolitik zu betreiben, hieß es. Bereits vergangene Woche hatte sie zusammen mit Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy deshalb neben der Schuldenbremse gefordert, dass die nationalen Parlamente zusagen, Kritik aus Brüssel umzusetzen, sollten Haushaltsentwürfe gegen die Stabilitätspakt-Vorgaben verstoßen. Auch Kauder bezeichnete nationale Reformen als einzig richtigen Weg.
"Ein Ergebnis, das so nicht geht"
In der Debatte um Goldreserven als Sicherheit mahnte Kauder: "Wir sollten die Diskussion, die die Finnen begonnen haben, nicht fortsetzen." In der Fraktionssitzung soll Merkel gesagt haben, das sei "ein Ergebnis, das so nicht geht". Fraktionsvize Wolfgang Bosbach stützte nach Teilnehmerangaben von der Leyens Vorstoß und sagte, die Frage der Sicherheiten dürfe nicht beiseitegeschoben werden.
Unter den Euroländern ist inzwischen ein Streit über die Finnland-Regelung ausgebrochen. In der vergangenen Woche hatten Österreich und die Niederlande auf Gleichbehandlung gepocht.
Von der Leyen, die am Montag wie Finanzminister Wolfgang Schäuble vom CDU-Vorstand in eine interne Europa-Kommission berufen worden war, sagte der ARD und der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", Kredite aus dem neuen Euro-Rettungsfonds EFSF sollten künftig nur noch gegen Sicherheiten wie Goldreserven und Industriebeteiligungen vergeben werden, über die viele Länder verfügten. Es ist von Absicherungen in dreistelliger Milliardenhöhe die Rede. Von der Leyen sagte, so würden Vereinbarungen nicht wie die Maastricht-Verträge wieder gebrochen.
Italien könnte Goldreserven verkaufen
Befürworter dieses Vorschlags setzen so auf eine Beruhigung der Skeptiker in der Koalition und der Steuerzahler, die durch den Rettungsfonds Milliardenverluste für Deutschland befürchten. Ferner weisen sie darauf hin, dass Schuldenstaaten angesichts des hohen Goldpreises ihre Goldreserven auf den Markt werfen und so ihre Haushalte sanieren. Das hoch verschuldete Italien etwa besitzt weltweit die viertgrößten Goldreserven.
CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs betonte, dass er einen Gold-Verkauf von verschuldeten Euro-Ländern dagegen nicht ablehne. "Italien mit seinen drittgrößten Goldreserven könnte etwa einen Teil davon verkaufen, um es in der nächsten Zeit keine neuen Staatsschulden machen zu müssen. Das könnte ein vernünftiger Weg sein. Und damit würde dann auch die verrückte Goldspekulation aufhören."

Die Entscheidungen sind nicht nur immer zwischen schwarz und weiß zu treffen. Das will Merkel ihren Abgeordneten klarmachen.
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Mißfelder sagte, auch anderen Staaten müssten ihre Hausaufgaben machen. "Wir haben unsere gemacht - mit der Agenda 2010, mit Hartz IV, mit vielen Einschnitten, die den Menschen wehgetan haben. Die Griechen haben das noch vor sich." Die Verunsicherung in der Unionsfraktion sei einfach da. "Wir haben einmal gesagt: Nur ein Rettungspaket. Dann das zweite Rettungspaket. Jetzt Aufstockung des Rettungspakets. Es ist halt schon ein gewisser Erklärungsbedarf da."
Fraktionen einigen sich auf Zeitplan
Weitgehend einvernehmlich verständigten sich die Fraktionen im Bundestag auf den Fahrplan für die Entscheidung über den Euro-Rettungsschirm EFSF. Bis zum 23. September sollen Bundesrat und Bundestag über die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom Juli abgestimmt haben. Das Bundeskabinett entscheidet über seinen Gesetzentwurf am 31. August. Die SPD forderte, Merkel müsse den Bundestag "über alle Schritte in Brüssel und alle Schritte der Bundesregierung umfassend und zügig" informieren. Die Linke behält sich allerdings eine Verfassungsklage vor. Ein Antrag der Partei, eine Sondersitzung zur Euro-Krise einzuberufen, wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.
Von Bundestagspräsident Norbert Lammert und anderen Mitgliedern des Parlaments hatte es wiederholt Klagen gegeben, die Regierung binde die Volksvertretung nicht ausreichend in die Verhandlungen zur Stabilisierung des Euro ein. So wurde darauf verwiesen, dass die Zeit zur Beratung angesichts des Papst-Besuchs im September und der Haushaltsdebatten zu knapp sein könnte. Mit dem gefundenen Zeitplan würden die Rechte des Parlaments umfassend gewahrt, hieß es nun.
Die nationalen Parlamente in den Euro-Ländern stehen unter erheblichem Druck, die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom Juli möglichst schnell umzusetzen. Ein Element ist der auf 440 Milliarden Euro an Kreditgarantien aufgestockte EFSF, der auch neue Rechte für den Ankauf von Staatsanleihen bekommen soll.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet derweil am 7. September über die Klagen des CSU-Politikers Peter Gauweiler und mehrerer Professoren. Ihrer Ansicht nach sind die Bürgschaften grundsätzlich unzulässig, weil das EU-Recht sie verbietet. Zudem verstoße der bestehende Rettungsschirm gegen die Haushaltsautonomie des Bundestags. Allgemein wird erwartet, dass Karlsruhe die Griechenland-Hilfe und den Euro-Rettungsschirm zwar billigt, aber eine stärkere Einbindung des Bundestags einfordern wird.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts