Bevor uns die Enkel verfluchen Mit Gesetzespaket nach Bali
18.11.2007, 08:58 UhrBundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat deutliche Konsequenzen aus dem neuen Weltklimareport angekündigt. "Niemand kann behaupten, wir wüssten heute nicht genug über den Klimawandel", sagte Gabriel in Berlin. "Wir müssen nur den Mut aufbringen, dagegen vorzugehen – sonst werden uns unsere Kinder und Enkel verfluchen." Als bisher einziger Staat fahre Deutschland mit einem abgestimmten Maßnahmenbündel zur UN-Klimakonferenz nach Bali, bei der ab Dezember über ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll verhandelt werden soll.
Zuvor hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei der Vorstellung der Kurzfassung des UN-Klimareports im spanischen Valencia erklärt, dass die "schlimmsten Szenarien des IPCC sind so angsterregend sind, wie ein Science-Fiction-Film". Es gebe keine Zeit mehr zu verschwenden. Die Forscher hätten klar und mit einer Stimme gesprochen."
Ban appellierte an die Politiker, bei der Klimakonferenz auf Bali im Dezember entsprechend zu handeln. Dort müsse ein Prozess zur Reduktion der Treibhausgase beginnen, dem alle Länder zustimmen könnten. Dieser Weg müsse bis 2009 abgeschlossen sein.
Drei Mal "Ja", einmal "Aber"
Der stellvertretende Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe III, Professor Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg, formuliert es so: "Ja, der Mensch ist schuld am Klimawandel. Ja, wir können etwas tun. Ja, wir haben bereits jetzt alle Mittel dazu in der Hand. Aber: Wir müssen sofort anfangen." Am 10. Dezember erhält der Weltklimarat für seine sechsjährige Arbeit den Friedensnobelpreis - während sich auf Bali die Politiker treffen, um ein Nachfolgeabkommen für den Kyoto-Vertrag auszuhandeln.
USA spielen auf Zeit
Aus dem Weißen Haus kamen ähnliche Töne. Bei der Klimakonferenz auf Bali könnte "der Rahmen für eine weitere Gesprächsrunde" über das weitere Vorgehen abgesteckt werden, sagte der Verantwortliche für Umweltpolitik im Weißen Haus, Jim Connaughton. Bali sei lediglich "der Start und nicht das Ende der Gespräche". Erneut betonte Connaughton die Strategie der USA, sowohl mit neuer Technologie als auch mit Anpassungen auf den Klimawandel zu reagieren. Konkrete Zahlen oder Daten beim Vorgehen gegen die Erderwärmung nannte er nicht.
Verhandlungsteilnehmer hatten den USA vorgeworfen, die Kurzfassung des Klimareports an wichtigen Stellen verwässert zu haben. Immer dann, wenn es um das konkrete Handeln gegen den Klimawandel gegangen sei, hätten die USA "interpretationsfähige" Formulierungen durchgesetzt, kritisierte etwa Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD). Dennoch zieht selbst Greenpeace eine positive Bilanz. "Wer sich jetzt noch weigert die CO2-Notbremse zu ziehen, setzt das Leben unzähliger Menschen und Tiere aufs Spiel. Ausreden lässt dieser Bericht nicht mehr zu", sagte Greenpeace-Klimaexpertin Gabriela von Goerne. Zusammen mit der Umweltstiftung WWF forderte Greenpeace, die Staatengemeinschaft solle in den kommenden zwei Jahren ein Klimaschutzpaket vereinbaren, das Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern.
"Technisch möglich, wirtschaftlich tragbar"
Die EU-Kommission nannte den Klimabericht einen "Meilenstein unserer wissenschaftlichen Kenntnis über den Klimawandel und die schweren Bedrohungen, die von der Erderwärmung für den Planeten ausgehen". EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sagte weiter, der Report zeige, dass dringend gehandelt werden müsse, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Die gute Nachricht sei, dass der Bericht "auch zeigt, dass weitgehende Emissionseinschnitte sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich tragbar sind".
Der Klimabericht des IPCC stellt unter anderem fest,
- dass der von Menschen gemachte Klimawandel schneller voranschreitet als bislang angenommen. In den vergangenen 100 Jahren ist die Temperatur um 0,74 Grad Celsius gestiegen.
- dass elf der vergangenen zwölf Jahre (1995 bis 2006) unter den zwölf wärmsten Jahren seit Beginn der globalen Temperaturaufzeichnung 1850 waren.
- dass die Temperaturerhöhungen ihre Ursache zum weitaus größten Teil in der Emission der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) haben. Die Konzentration von CO2 und Methan lag 2005 höher als in den vergangenen 650.000 Jahren.
- dass die größten Beiträge zur Lösung des Problems unter anderem aus einer effizienteren Energienutzung sowie aus einer Umstellung der Energieversorgung auf Solarenergie, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft zu erwarten sind. Er nennt aber auch die Kernkraft als Möglichkeit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Der Bericht verweist zudem ausdrücklich auf die Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro und das Kyoto-Protokoll als Werkzeuge, um die Erderwärmung zu bremsen. Die Kosten für eine sehr anspruchsvolle Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 würden das globale Wirtschaftswachstum um höchstens jährlich 0,12 Prozentpunkte reduzieren.
Quelle: ntv.de