Auslieferung an UN-Tribunal Mladic-Anwalt legt Einspruch ein
30.05.2011, 20:15 Uhr
Noch immer verehren viele bosnische Serben Mladic als Helden.
(Foto: AP)
Erwartungsgemäß ficht der Anwalt des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mladic die Auslieferung des Serbien an das UN-Tribunal in Den Haag an. Nun befindet ein Richterausschuss endgültig über die Überstellung des 69-Jährigen, der nach Angaben seines Rechtsbeistandes zu krank sei, um dem Prozess zu folgen.

Mladics Anwalt Milos Saljic.
(Foto: AP)
Der Anwalt des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic hat Einspruch gegen die Auslieferung seines Mandanten an das UN-Tribunal in Den Haag eingelegt. Er argumentiere in dem Schreiben damit, dass der 69-jährige Mladic zu krank sei, um einen Prozess in Den Haag durchstehen zu können, erklärte der Anwalt Milos Saljic.
Nach Eingang des Einspruchs hat ein dreiköpfiger Richterausschuss bis zu drei Tage Zeit, darüber endgültig zu entscheiden. "Das ganze Verfahren kann von heute an gerechnet wenigstens zwei und maximal vier Tage dauern", hatte zuvor der Staatssekretär im serbischen Justizministerium, Slobodan Homen, angekündigt. Inzwischen seien die Verstecke des mutmaßlichen Kriegsverbrechers alle bekannt, berichtete der Chef des nationalen Verfolgerteams, Rasim Ljajic.
Bis 2001 in Belgrad
Nach diesen offiziellen Angaben lebte der mutmaßliche Kriegsverbrecher bis 2001 unbehelligt in Belgrad. Bis 2002 habe er dann im Schutz des Militärs in Kasernen gelebt. Bis 2005 habe er sich in einer Wohnung in Neu-Belgrad versteckt. Die letzten sechs Jahre habe er an drei Orten im Umland der Hauptstadt verbracht, sagte Ljajic weiter. Wegen weiterer Untersuchungen könne er jedoch diese Lokalitäten nicht genauer benennen.
Nach einem Zeitungsbericht versteckte sich Mladic zwischenzeitlich auch in einem Kloster. Die Schwestern des Klosters der Heiligen Melanie bei der nordserbischen Stadt Zrenjanin hätten den nach einem Herzinfarkt mit dem Tod ringenden Ex-General abgeschirmt und mit ärztlicher Hilfe versorgt, berichtete die gewöhnlich gut informierte Zeitung "Blic" in Belgrad. Da man mit seinem Tod gerechnet habe, sei die Kirchenkrypta bereits als Grab hergerichtet worden.
Nach Berichten der kroatischen Zeitung "Jutarnji list" hat der frühere serbische Regierungschef Vojislav Kostunica jahrelang die Ergreifung Mladics verhindert. Seit 2006 habe die Regierung genau gewusst, wo sich Mladic versteckt hielt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Depeschen der US-Botschaft in Belgrad, die von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurden.
Ärzte halten Mladic für fit
Mladic ist aus ärztlicher Sicht gesundheitlich in der Lage, seinen Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag durchzustehen. "Der Patient Mladic ist in der Lage, den Gerichtsprozess zu verfolgen", heißt in der Diagnose eines fünfköpfigen Ärzteteams, die von den Zeitungen in Belgrad veröffentlicht wurde. "Der aktuelle Krankheitszustand erfordert keine Behandlung im Krankenhaus, zusätzliche Diagnosen können ambulant gemacht werden".
Mladic leidet nach Darstellung der Ärzte dauerhaft unter den Folgen eines früheren Schlaganfalls und eines Herzinfarktes. Nach dem Schlaganfall sei der rechte Arm nur eingeschränkt einsatzfähig, das rechte Bein mache Schwierigkeiten beim Gehen. Schließlich leide der 69-Jährige an Bluthochdruck, der jedoch gut mit Medikamenten eingestellt sei. Diagnostiziert wurden "chronische Erkrankungen ohne akute Verschlechterungen".
Rechte randalieren
Die Polizei hat derweil eine Bilanz der schweren Ausschreitungen am Rande einer Demonstration von Mladic-Anhängern am Sonntag vor dem Parlament in Belgrad vorgelegt. Rund 180 meist junge Randalierer wurden festgenommen, 34 von ihnen seien noch minderjährig. Zehn Polizisten und 20 Demonstranten seien verletzt worden. Innenminister Ivica Dacic hat inzwischen bestätigt, dass Angehörige bekannter rechtsextremistischer Organisationen für die Straßenschlachten mit der Polizei verantwortlich seien. Aus dem Parlament wurden Forderungen laut, die rechtsextremen Organisationen und die oppositionelle Radikale Partei (SRS) zu verbieten.
Grab für Mladic war schon fertig
Der bereits 1995 wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte Mladic war am vergangenen Donnerstag in dem etwa eine Autostunde von Belgrad entfernten Dorf Lazarevo bei Zrenjanin verhaftet worden. Dem früheren Militärchef der bosnischen Serben wird tausendfacher Mord vorgeworfen. Neben dem Massaker von Srebrenica, bei dem im Sommer 1995 in der UN-Schutzzone rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden, wird der 69-Jährige auch für die jahrelange Belagerung und den Beschuss von Sarajevo verantwortlich gemacht.
In Den Haag soll Mladic auf ein Richterteam unter deutscher Führung treffen. Der frühere Berliner Justizstaatssekretär Christoph Flügge wurde vom Präsidenten des UN-Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Mehmet Güney, zum Vorsitzenden Richter bestellt. Der 63-Jährige wird in dem Prozess von einem niederländischen und einem südafrikanischen Richterkollegen unterstützt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts